Ich kenne kein Gefühl, das dieses Unterwegssein beschreibt. Das Leben reduziert sich auf zwei simple Dinge: du und dein Rad (und okay: abends das Zelt). Es geht nur irgendwie darum, sicher von C nach D zu kommen. Andere Aufgaben hast du an einem Tag fast nicht. Und wohl auch deswegen kommst du so dazu, das Chaos in deinem Kopf zu sortieren. Besser noch: es sortiert sich von selbst.
Noch intensiver habe ich dieses Gefühl eigentlich nur beim Pilgern erlebt. Beim Radwandern rauschst du noch was schneller durch, nimmst alles anders intensiv wahr. Und doch gibt es Gelegenheiten, Menschen kennenzulernen. So gut es geht und so gut man sie auch eben kennenlernen will…
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Heute gleich zwei Komplimente für mein Niederländisch bekommen. Das erste von einer Professorin (bestimmt 15 Jahre älter als ich), die mich auf den Rad ansprach und wir ein Stück zusammen fuhren, bevor sie mich hinter sich ließ. Das andere von der Rezeptionistin am Campingplatz. Ich habe mir vorgenommen, immer Niederländisch zu sprechen, wenn ich die Formulierung weiß, selbst wenn der/die andere mir zuliebe die Sprache wechselt.
Ich wollte ein Best of Bisher einfügen. Aber die WordPress-App wollte nur ein einziges Bild hochladen. Mein Selfie vor der Abfahrt. Na dann…
Wenn du mal durch die alte Heimatstadt streifst, Jahre nachdem du sie verlassen hast, und in Erinnerungen schwelgst, weniger guten, natürlich. Dann fällt dir auf…
Na, eigentlich nur zwei Dinge. Dass du langsam deinen Frieden mit dieser Stadt und den alten Zeiten gemacht hast, dass selbst ein Spaziergang über den Hof deiner alten Schule bei dir keine Beklemmungen mehr auslöst. Dass im nächsten Jahr aber auch das Jahr wird, in dem du länger in deiner neuen als deiner alten Heimat gewohnt haben wirst. Dann aber noch was anderes.
Dass dein Wunsch dazu zu gehören, von Anfang an zum Scheitern verurteilt war. Konnte nicht gelingen. War niemandes Schuld. Nicht deine, nicht die der Anderen.
Wie viel Energie verbrät ein Mensch eigentlich wohl im Laufe seines Lebens darauf dazu gehören zu wollen und Dinge zu tun, an denen er keinen Gefallen findet, nur um doch keine Anerkennung zu bekommen von den Leuten, die er eigentlich gar nicht mag? Was könnte er mit dieser Energie noch alles, Sinnvolles, anfangen?
Komplett nach vorne schauen etwa, sich von dem Gedanken lösen, dass der Weg, den die Anderen eingeschlagen haben, das Normale ist und dass du unterschwellig darauf hin arbeitest, es ihnen gleich zu tun. Dass du sein kannst wie und erreichen kannst, was du willst. Egal wo, auch oder gerade fernab dieser Stadt, in der du aufgewachsen bist. Weil du sie im Grunde trotz allem irgendwo liebst, ihr das Beste wünschst, ihr sogar das eine oder andere zu verdanken hast, ihr aber auch nichts schuldig bist. Nicht das geringste.
Woran du halt so denkst, wenn du nach Jahren mal wieder durch die alte Heimatstadt schlenderst…
Ich stehe mit vollgepacktem Rad vor dem Eingangshäuschen, das Rollo ist heruntergelassen. Ein anderer Camper kommt vorbei und weist auf ein Schild daneben, auf dem eine Telefonnummer steht. Da müsse ich anrufen, wenn ich den Rezeptionisten sprechen will.
Ich habe die Nummer noch nicht zu Ende eingetippt, da höre ich hinter dem Rollo jemanden telefonieren. „Nee, das mache ich heute nicht mehr. Das muss auch mal später.“ Und als ich schließlich die Nummer wähle, höre ich von hinter dem Rollo: „warte mal kurz, da ruft einer an.“
Ich stelle mich am Telefon kurz vor und teile ihm mit, was ich möchte und direkt vor seinem Rollo stehe. Warum da verrammelt ist, traue ich mich nicht zu fragen. Kurz darauf öffnet sich die Seitentür und ein kleines Männchen kommt heraus, mustert mich und mein Fahrrad und sagt dann: „Zelt und Fahrrad, hm? Na gut. Und wo kommst du her?“
Sein Tonfall ist nicht gerade charmant. Aber er scheint sich wenigstens zu interessieren. Er geht zurück in sein Häuschen, öffnet das Rollo und schiebt mir einen Meldebogen rüber, während er seinen Zigarettenrauch in meine Richtung bläst. „Hast du einen Test oder Impfnachweis, den du mir zeigen kannst?“
Ich beschließe, cool zu bleiben, lasse meine Maske auf, fülle ihm den Meldebogen aus, zeige ihm den CR-Code auf dem Handy und bleibe auch sonst betont sachlich. Das hier ist der Pott. Vielleicht redet man da einfach so miteinander. „Viel los im Moment?“, setze ich dann doch noch einmal zum Smalltalk an.
„Geht eigentlich“, antwortet er. Wir haben viele Dauercamper und nehmen sonst nur noch Zelte.“ – „Keine Camper?“, frage ich überrascht. „Mit denen hatten wir nur Ärger“, winkt er ab. Ich lache schwach und sage lieber nichts Falsches. Da scheine ich Glück gehabt zu haben.
Er bedeutet mir, hinter sich herzufahren, packt seinen nicht gerade furchteinflößend bellenden Schäferhund auf den Rücksitz seines Autos und fährt mit 10 km/h die geschätzten 250 Meter zu meinem Platz. „Strom haste da“, winkt er mir noch zu und braust davon.
Ich fange an abzusatteln und als erstes den Akku zu laden. Na toll! Die Steckdose passt nicht. Ich hab eigentlich keine Lust, mich noch einmal von ihm anmaunzen zu lassen, aber der E-Bike-Akku braucht Saft. Kurz gehe ich in das Sanitärhäuschen und überlege, ob ich da eine Steckdose für Rasierapparate zweckentfremden sollte. Aber wenn den Akku jemand findet, kassieren die den bestimmt den Akku ein und ich muss Lösegeld zahlen oder sowas. Ich trete den schweren Gang an und rufe ihn noch einmal auf seiner Nummer an.
„Ja,äh, tut mir Leid, aber der Stecker passt nicht. Ich brauche eine ganz normale Steckdose für so Schuco-Stecker.“ Er reagiert überraschend hilfsbereit: „Hm, das ist schlecht. Dann müssen wir den hier in der Rezeption laden. Komm doch in einer halben Stunde eben vorbei.“
Gesagt getan. Er bedeutet mir, das Gartentor zur Rezeption aufzumachen und in sein Reich einzutreten. Kleiner, leicht verwilderter Schottergarten neben dem Holzhäuschen. Wehte dort eine überdimensionale Deutschland-Flagge – ich wäre nicht überrascht. Sein Schäferhund bellt mich an, aber ich muss grinsen. Das ist so ein Bellen, das auch Lucy immer benutzt, wenn sie mich sieht. „Der tut nichts“, sagt sein Herrchen. „Einmal streicheln und dann ist gut.“ Und so ist es dann auch. Wie alt er ist, interessiert mich noch. 13, lautet die Antwort. Ein freundlicher Senior, wie schon gedacht.
Sein Herrchen schaut noch schnell ob alles läuft und fragt, wie lange der Akku laden muss. „Komm einfach vorbei, wann du willst. Ich bin sowieso 24 Stunden hier.“
Ein etwas eigensinniger, aber eigentlich ein ziemlich netter Kerl.
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Ich lasse den Abend vor dem kleinen Bootshafen ausklingen. Es ist schön hier, aber ganz nebenbei habe ich nur hier auch wirklich mobilen Internetempfang. Ich bin nachdenklich. Es ist schön, wieder on Tour zu sein und ich komme langsam in den Modus. Kein Luxus mehr, nur die Natur und du. Es ist immer eine Umstellung. Aber es ist schön.
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