In nicht mal mehr zwei Wochen wartet ein Aventure, das ich mir Stand jetzt gerne ersparen würde: die neue Tischtennis-Saison. Natürlich haben die Verbände ein Sicherheitskonzept mit Desinfektionen, Abstand, Lüftung etc. vorgesehen. Aber die Aerosolparty wird natürlich trotzdem steigen. In kleinen Turnhallen sammelt sich über den Abend die Atemluft von Dutzenden in der Halle. Und wenn einer davon Corona hat… joa, dann bekommst du es auch.
Ich kann mir im Grunde jetzt schon ausmalen, wie das laufen wird. Bei Heimspielen und solange es noch halbwegs warm draußen ist, kann ich mich zum Spießer aufspielen und die Türen auf Durchzug stellen. Bei Auswärtsspielen werde ich darum bitten müssen und als Weirdo dastehen, wenn ich das tue. Denn die meisten Leute werden die Maßnahmen als lächerliche, überflüssige, von oben diktierte Pflicht ansehen und irgendwann auf die meisten Regeln scheißen. Spätestens dann, wenn das Thermometer draußen unter 10 Grad fällt.
Man stellt mich (und die Anderen) vor das Dilemma, entweder mitzuspielen, die Abende mit einem mulmigen Gefühl zu verbringen und sich im schlimmsten Fall Corona einzuhandeln. Viele denken sich auch hier: na was soll’s. Weil die Medien gerade eiskalt darin versagen, Einzelfälle zu schildern, die Langzeitfolgen der Infizierten zu beschreiben und damit angemessen vor der Krankheit zu warmen. Oder ich spiele eben nicht mit, weil mir meine Gesundheit wichtiger ist. Und laufe damit Gefahr, als Kameradenschwein dazustehen, weil ich meine Mannschaft und meinen Verein im Stich lasse…
Hab noch keine Ahnung, wie ich das lösen soll.
Wer das mit Corona noch ernst nimmt, ist die Mondorfer Fähre, auf der ich heute auf Rückweg meiner kurzen Radtour vorbeikam. Ein Schild weist auf Bedeckung von Mund und Nase hin. Shit, ich hab meine Maske gar nicht dabei, will aber nicht den ganzen Weg zurück. Also fahre ich auf die Fähre, halte mich abseits, improvisiere und ziehe mein T-Shirt hoch und über Mund und Nase und sorge mit einer Hand dafür, dass es auch dort bleibt. Wir sind schon weit über der Hälfte, als der Fährmann mich abkassieren kommt. Ob ich keine Maske dabei hätte? – Nein, leider nicht, deswegen würde ich das T-Shirt dafür benutzen. – Es wäre Maskenpflicht an Bord. Wenn ich keine dabei hätte, müsste ich eine kaufen, Vorschrift. – Äh, nun gut. Was sie koste? – 1,80, das gleiche wie eine Überfahrt mit Fahrrad. – Na gut.
Er nimmt das Geld und geht eine Maske holen, überreicht sie mir und bittet mich, sich aufzuziehen, was ich auch tue. Kaum fünf Sekunden später legen wir an… ?
Bisschen witzlos eigentlich. Finde trotzdem, er hat sich korrekt verhalten. Lieber einer nimmt’s ein bisschen zu ernst, als dass es allen egal ist.
Eigentlich wollte ich mal Schriftsteller werden, aber ich bin gerade so weit davon entfernt wie nur irgendwas. Hab trotzdem mal mein altes Manuskript wieder ausgegraben, mich dran erinnert, dass ich vor fast 15 Jahren mal ein Seminar zu kreativem Schreiben besucht habe, und ein, zwei jecke Ideen von damals wiedergefunden. Vielleicht probiere ich es einfach mal mit einer.
Schreiben kann ich übrigens besser, wenn es mir schlecht geht. Geht es mir gut, fehlen mir die entsprechenden Emotionen. Von daher „gut“, dass ich gerade ins Nach-Urlaubs-Loch gefallen bin (Pilger nennen es auch Post-Pilger-Syndrom). Die Klarheit im Urlaub, die Reduktion auf das Wesentliche, die Einfachheit, die vielen neuen Eindrücke, die Menschen, die man unterwegs trifft, bei einem Sporturlaub auch, wie Körper und Geist in Eintracht sind (jaja!). Das alles hört mit einem Schlag auf, und der Alltag mit all seinen Pflichten zieht wieder ein. Ich habe mich schon viermal aufs Fahrrad geschwungen seitdem und einmal war ich (mit erbärmlichem Fitnesswert) joggen. Aber es ist alles nicht dasselbe. Du versuchst, deinen Alltag möglichst bunt zu machen, vielleicht mal ein anderes Café und Restaurant auszuprobieren, was Schönes zu lesen. Das alles macht es auch ein bisschen erträglicher. Aber am Ende hilft nur, es auszuhalten, zu wissen, dass das Loch eben leider kommt, sich nach ein paar Tagen dann aber auch wieder schließt.
Ein bisschen erträglicher gemacht hat es heute ein leckerer Eiskaffee im Galestro:
Und ein fantastischer Köfte-Teller im Sela Beef Döner am Kaiserplatz (die nehmen hier Steak-Fleisch statt dem üblichen Billigfleisch!). Danke an Bonngehtessen für den Tipp!
Und ein bisschen nachgeholte Schulliteratur:
Max Frisch: „Andorra“. Jaja! In der Mittelstufe nur von der Parallelklasse drangenommen. Wir hatten dafür irgendnen anderen Driss, weiß gar nicht mehr welchen, nur dass es ziemlich sicher eins dieser hässlichen gelben Reclam-Hefte war. „Andorra“ gefällt mir. Die gefährliche Stereotypisierung und Gleichgültigkeit der Anderen als Thema. Passend dazu:
Friedrich Dürrenmatt: „Der Besuch der alten Dame“. Herrlich zynisch, wie eine Gemeinde ihre Moral verkauft und eine vermeintliche neue Moral einführt, um an das große Geld zu kommen. Dabei muss man nur leider über eine Leiche gehen, aber die hat ja irgendwo auch selbst Schuld daran, wenn man sich das alles nur so ein bisschen zurechtbiegt… Wohlstand auf Kosten Anderer, den man sich erlaubt, indem man das alles schönredet, was man so tut. Willkommen im Jahr 2020.
Was habt ihr noch an Schulliteratur, was euch in guter Erinnerung geblieben ist? Ich hab gerade Lust, da einiges nachzuholen.
9 Antworten auf „74: Corona als Aventure“
Die leiden den Jungen Werther in jedem Fall. Aber glaub ich nicht dass ich da heute noch Spaß dran hätte, aber als pathetischer Teenager fand ich es großartig.
Und ja, das Post-Pilger-Syndrom kommt, aber auch das geht vorbei. In ein paar Tagen sieht die Welt schon wieder anders aus und bis dahin hälst du dich halt mit kleineren Touren und ein wenig Kulinarik bei Laune.
Goethe’s Werk, was Nicky schon erwähnt hat, fiel mir auch spontan ein.
Aber auch “Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull” von Thomas Mann.
Oh ja, „Felix Krull“ ist natürlich auch ein Muss! Den Werther habe ich mal als Theaterstück gesehen, aber sollte man natürlich auch gelesen haben. Versuche ich beides schnellstmöglich umzusetzen. Danke euch!
The Catcher in the Rye!
Englisch eh… Und, stimmt, das ist natürlich auch was, was auf die Liste sollte. Zusammen mit „To Kill a Mockingbird“.
„Die letzten Kinder von Schewenborn“ – hat mich damals beidruckt
Nie gehört. 😉 Aber schaue ich mir mal an!
Homo Faber (Max Frisch), Der Untertan (Heinrich Mann), Dantons Tod (Georg Büchner), Wallensteins Tod (Friedrich Schiller) – Bei den Büchern hab ich im Deutsch LK gut abgeschnitten und hab Sie deshalb auch alle in positiver Erinnerung. Nie anfreunden konnte ich mich mit der Blechtrommel von Grass. Die hab ich nie zu Ende gelesen.
Danke für die weiteren Tipps! Den „Untertan“ habe ich mal bis zur Hälfte geschafft, dann wurde mir das zu blöd. Bei der „Blechtrommel“ scheiden sich die Geister. Habe ich bisher auch immer nur angefangen. Hab noch viel zu lesen, scheint mir. Liest du heute noch sowas?