Autor: Jürgen

  • Wie ChatGPT mir half, (k)ein Auto zu kaufen

    Wie ChatGPT mir half, (k)ein Auto zu kaufen

    Ich bin gerade auf der Suche nach einem guten gebrauchten Geländewagen, um damit nach Australien zu fahren (ja nun).

    Und der Jeep aus dem Angebot sah schon echt nicht schlecht aus. Angerufen, spontanen Termin vereinbart. Vorher noch ein paar Checklisten von ADAC und Co. überflogen. Wichtigste Regeln: Achten Sie auf Rost, defekte Dichtungen, ob der Wagen noch schnell geputzt wurde, um Lackschäden oder Lecks zu kaschieren. Und auch darauf, wie der Händler sich verhält. Verwickelt er Sie in Gespräche, fallen oft Bemerkungen wie: „Das ist bei der Marke so“?

    Heute Morgen dann die Fahrt zum Autohaus in die Eifel. Ich komme an und der Jeep steht gerade unter der Waschanlage. Fängt ja gut an (Regel #1). Toll sieht er aber schon aus, der Lack schön schwarz, das Innenleben gut in Schuss, ein paar Kratzer, aber auf den ersten Blick nichts Gravierendes. Ich öffne die Motorhaube: sieht im Großen und Ganzen okay aus.

    Der Besitzer des Autohauses kommt und fängt einen zwanglosen Plausch mit mir an über Laufsport, Geländewagen als solche, was ich mit dem Wagen möchte, woher ich komme und das Leben auf dem Land oder in der Stadt. Ist er nur nett, möchte er wissen, ob das Auto zu mir passt oder macht er auf gut Freund (Regel #2)? Kann ich in dem Moment noch nicht abschätzen.

    Er drückt mir die Schlüssel in die Hand, lädt mich ein, das Ding ausgiebig probezufahren (sehr nett), will die Motorhaube schließen. „Lassen Sie ruhig noch auf“, sage ich. „Ich würde gerne sehen, wie das mit laufendem Motor aussieht.“ Er ist einverstanden.

    Der Motor vibriert, aber ansonsten sieht oben alles nicht schlecht aus. Ich schließe die Haube, fahre los, aus dem kleinen Ort heraus, vielleicht 1km vom Autohaus entfernt auf der Landstraße. Plötzlich leuchtet die Motorkontrolllampe auf und der Wagen bleibt stehen. Ich drehe den Schlüssel, will neu starten. Nichts geht mehr. Ein Blick auf die Anzeige: Es ist der Tank – der ist tatsächlich leer.

    Da isser liegen geblieben.

    Ich steige aus, stelle Warnblinker an, baue Warndreieck auf, rufe im Autohaus an, schildere die Lage, bitte sie, mit einem Kanister vorbeizukommen. Wenig später kommt die gleiche Mitarbeiterin, die auch das Auto gewaschen hat, entschuldigt sich vielmals, füllt mit dem Kanister Benzin nach. Und es kann weitergehen. Einfach nur Pech? Kann schon sein. Will ich ihnen nicht ankreiden, find’s sogar lustig. Aber die Motorkontrollleuchte geht nicht wieder aus. Das wäre normal sagt der Besitzer später (Regel #3?), weil der Tank leer war, geht die Anzeige an, Fehlerspeicher müsste ausgelesen und die Anzeige wieder gelöscht werden. Stimmt das? Ich fragte ChatGPT. ChatGPT sagt, dass das durchaus möglich ist.

    Der Rest der Probefahrt verläuft fehlerfrei und macht sogar Spaß. Allrad, tolles Innenraumkonzept, alles darin funktioniert, und ganz nebenbei: tolles Soundsystem! Wäre das Ding vielleicht doch etwas? Ich bin nicht gut im Handeln, frage ChatGPT, ob es ein paar Tipps für mich hat. ChatGPT sagt: Auf Fehler hinweisen, freundlich bleiben, dann geht oft was.

    Bei der Rückkehr muss ich kurz warten, bis der Verkäufer wieder Zeit hat. Ich nutze die Wartezeit, um noch einmal um das Auto herumzugehen und genau zu gucken.

    Und da sehe ich es: ein völlig durchgerostetes Bauteil unten (Regel #4). Ich kenne mich wenig aus mit Autos, mache ein Foto, lade es bei ChatGPT hoch und frage, welches Teil das ist und ob das ein gravierender Mangel ist, und ChatGPT sagt:

    ChatGPT erklärt den Mangel. (Eigener Screenshot)

    Ich weise den Verkäufer auf das durchgerostete Bauteil hin, zeige ihm das Bild. Er sagt: Ja, das komme schon mal vor bei solchen Fahrzeugen (Regel #3). Da müsse man noch mal genau in Augenschein nehmen, ob das Bauteil ausgetauscht werden müsse (äh, ja, muss es! Regel #4) und ob ich eigentlich einen Kaffee wolle (nett, aber auch Regel #2).

    Ich verabschiede mich dann wenig später mit den Worten, ich müsse nochmal drüber nachdenken, ob ich das Ding wirklich kaufen möchte. Was bringt es da jetzt, unhöflich zu sein. Ist nicht meine Art und nett waren sie ja immerhin auch. Also nehme ich auf nette Art und Weise von einem Kauf Abstand.

    Ich freue mich trotzdem über den Ausflug. Hab mir trotz Unerfahrenheit nichts aufschwatzen lassen. Kritische Grundhaltung + ein paar Tipps + ChatGPT als Ersatz für einen Mitfahrer oder gar KFZ-Experten, den ich kurzfristig nicht auftreiben konnte waren hier der Schlüssel. Das sind die Anwendungsfälle, in denen ChatGPT wirklich brillieren kann. Jeder hat plötzlich ein paar Experten immer griffbereit am Handy.

    „Amerikanische Geländeautos taugen auch nichts“, schreibt Bene mir später. „Kauf dir lieber einen Toyota oder Nissan“.

    Ja, ich denke, ChatGPT und ich werden mal in die Richtung gehen.

  • Extremkanzlerwetter

    Für letzten Samstag hatten sie Gewitter angekündigt, was in Bonn selten genug passiert. Der Deutsche Wetterdienst hatte vorab ein paar Warnmeldungen parat, die Apokalyptisches prophezeiten:

    UNWETTERWARNUNG, Extreme Gewitter, heftiger Starkregen, schwere Sturmböen mit Windgeschwindigkeiten bis 95 km/h, Hagel mit 2 cm dicken Hagelkörnern, zusätzliche Warnung vor starken Gewittern.

    Da drohte die Hölle loszubrechen. 😱

    Am Ende hat es – gewittert.

    Und versteht mich nicht falsch: Die Ausmaße eines Gewitters sind vorher schwer abzuschätzen. Und die Katastrophe an der Ahr anno 2021 hat gezeigt, dass man lieber eine Warnung zu viel rausschickt als eine zu wenig. Und wenn das die Nachrichtenlage war, dann musste sie auch kommuniziert werden. Es war auch richtig, die Großveranstaltung Rhein in Flammen für die Dauer der Warnung zu unterbrechen.

    Ich werde aber das Gefühl nicht los, dass die Kommunikation sich verändert hat, dass wir auch zu einem normalen Gewitter jetzt lieber extremes (!!!1!11) Gewitter sagen, damit überhaupt noch jemand das Handy aus der Tasche holt und draufguckt. In der Effekthascherei des Alltags zwischen allen Breaking News und Schönheits-Reels nehmen wir ansonsten nichts mehr wahr.

    Vielleicht wollen wir sogar, dass Dinge nicht so glatt laufen. So wie einige Abgeordnete Fritze Merz im ersten Wahlgang nicht zum Kanzler wählten, um die Sache spannender zu machen.

    Ist ja auch irgendwo witzig, dass dem selbstgefälligen Haufen dadurch nochmal schnell ein Denkzettel verpasst wird. Nach dem Motto: Vergesst nicht, dass ihr eine Verantwortung habt und nicht jeden Blödsinn machen solltet, den ihr im Vorfeld schon mal angekündigt habt.

    Dass der Mann damit schon zum zweiten Mal (nach der Wahlschlappe bei der Bundestagswahl) im Amt beschädigt ist und das alles der AfD in die Karten spielt, ist die Kehrseite der Medaille. Gabor Halasz fasst das für die Tagesschau treffend zusammen: für einen Denkzettel ist die Sache zu ernst. Sollte die Koalition jetzt auch wieder vorzeitig platzen, ist klar, wer dann stärkste Kraft wird: diejenigen, die einen radikalen Plan haben und ihn entschlossen durchpeitschen. Weil Radikalität eben auch leichter ist als immer wieder Kompromisse finden zu müssen. Die in einer komplexen Gesellschaft nun aber einmal sein müssen.

    Irgendwer muss ja auch mal regieren. Und völlig daneben klingt mir der Koalitionsvertrag nicht. Also auch wenn wir nicht alle auf Merz (und noch weniger die CSUler in seinem Kabinett) stehen: er hat schon die Chance verdient, jetzt erst einmal zu machen. Was wäre denn auch die Alternative?

    Aber dieser Start lässt trotzdem nicht viel Gutes für die Zukunft erahnen. Ein Stück weit passt es in die heutige Zeit und ein gutes Stück weit wollen wir das alles anscheinend auch nicht anders.

  • Auf der Rennbahn

    Auf der Rennbahn

    War ich bisher noch nie. Dann schlug Matthias vor, da mal hinzugehen. Galopprennbahn Köln-Weidenpesch.

    Klingt total dekadent, war dann aber völlig mainstream mit ein paar Ausschlägen nach oben. Da trifft sich wirklich alles von reichen, aufgetakelten Schnöseln bis hin zu Asi-Prolls (oft beides in einer Person). Und wir irgendwo dazwischen.

    Wir kamen an und hatten gerade noch Zeit, das erste Rennen mitzuwetten. Es läuft dann fast wie am Fließband. Alle 20-30 Minuten ist ein Rennen und in der Zwischenzeit hast du Gelegenheit, die Gewinnerquoten abzuwarten, die Siegerehrung zu sehen, kurz auszutreten, eine Kleinigkeit zu essen oder zu trinken und dir Gedanken zu machen, auf wen du als nächstes setzt.

    An Monitoren geben sie die Wettquoten bekannt. Und gegen Ende kriegst du ein bisschen ein Gefühl dafür, wer was taugen könnte. Sind oft auch dieselben Jockeys, die mehrmals starten und dann wettest du nicht mehr auf Pferde, sondern auf den Jockey. Sibylle Vogt haben wir am Ende oft gewählt, weil sie davor schon mehrere Rennen gewonnen hatte. Thore Hammer-Hansen hatte es uns alleine schon vom Namen her angetan.

    Und überhaupt: Die Namen! Sunshine Baby, Charlie Brown, DingDong, Bright Smiles, Sovereign State, Oak Lahoma, Kosakenzipfel aus dem Stall „Wo laufen sie denn?“. Pferde, deren Namen mich zum Lachen brachten, standen direkt höher im Kurs bei mir, auch wenn die Quote nicht gut war.

    Dann schnell die Wette platzieren (geht ab 50 Cent und du kannst meist auch so wetten, dass du was gewinnst, wenn dein Pferd unter die ersten 3 kommt) und wieder zurück zur Rennbahn. Zwischendurch gewinnst du immer mal wieder was. Kleinbeträge, mein bestes waren 13,50 Euro, Matthias hat in der letzten Runde stolze 32,50 Euro gewonnen. Eintritt waren aber 16, und du trinkst und isst was und verlierst natürlich am Ende doch etwas mehr als du gewinnst.

    Aber es war eine Mordsgaudi, weil du die ganze Zeit irgendwie beschäftigt bist. Hab schon lange nicht mehr so viel Spaß gehabt.

    Was könnte man als nächstes tun, was ein dekadenter Spaß wäre, überlegten wir noch am Schluss. Im Casino waren wir beide schon mal, Formel 1 soll langweilig sein, Opern auch, Musicals sind Mainstream geworden.

    Ne Idee?

  • Du bist heilig

    Du bist heilig

    Religion ist gerade wieder ziemlich in. Die halbe Welt pilgert nach Rom, um dem Papst den Rest zu geben die letzte Ehre zu erweisen. Die Blicke sind nun auch auf die ewige Stadt gerichtet, weil natürlich mit Spannung ein Nachfolger erwartet wird und bald das – seit wann heißt es eigentlich „das“? – Konklave zusammentritt. Ob es wieder einen so progressiven Versöhner geben wird wie Franziskus oder einen Hardcore-Konservativen, der immer wieder aus dem Kontext gerissen wird, wie Benedikt? (Ihre zeitweilige und gewissermaßen historische Koexistenz übrigens seinerzeit sehr schön porträtiert in Die Zwei Päpste.)

    Aber auch hier in Bonn war in der Kirche zuletzt so viel los wie lange nicht. Ich gehe ja tatsächlich gerne (wenn auch selbst nicht mehr wirklich jung) in die Messe für junge Leute sonntagsabends in Bonner Münster, wo auch schon mal Oasis oder Beyonce gespielt werden und die manchmal seltsam anmutenden Rituale der katholischen Kirche auf ein Minimum reduziert sind. Und da ist manchmal im Hochchor kaum noch ein Platz zu kriegen. Das alles ist ebenso unperfekt wie progressiv, also fast so wie Franziskus selbst. Ein Stück weit, wie man sich einen Gottesdienst immer vorgestellt hat. Vielleicht entdecken Menschen sie gerade auch als Ersatz für die bröckelnde Demokratie.

    Und vielleicht irre ich mich auch und außerhalb meiner Bubble ist Religion trotz eines progressiven Ex-Papstes gar nicht mehr so in. Die beiden großen Kirchen verlieren jährlich hunderttausende Mitglieder – übrigens hauptsächlich durch Todesfälle älterer Mitglieder und weil weniger junge Menschen mit einer Konfession aufwachsen – und in Deutschland sind mittlerweile mehr Menschen konfessionslos als dass sie einer der beiden großen Kirchen angehören. Gründe dafür sind auch diese sonderbaren Rituale, mit denen moderne, junge Menschen nicht immer etwas anfangen können, und der Nicht-Veränderungswille der Kurie.

    Ostersamstag erlebe ich von einer Abkehr von der Kirche im Bonner Münster allerdings wenig. Ich will in die Osternachtsmesse, komme extra eine halbe Stunde früher – und bekomme im voll besetzten Kirchenschiff gerade noch einen der letzten Plätze in einer Seitenbank, von der man den Altar nicht sehen kann. Die Organisatoren fahren alles auf, was geht. Vier (!) Lesungen, sakrale Zwischengesänge, Soli, gesungene Aufzählung aller (!) Heiligen. Als sie bei Johannes XXIII. angekommen sind, muss ich lachen. Jetzt haben sie auch wirklich gleich alle durch. Es dauert eine geschlagene Stunde bis zum Evangelium, und dann geht es munter weiter. Das Schlimme ist: I didn’t sign up for that. Eine normale Messe dauert rund eine Stunde. An einem hohen Feiertag auch schon mal bisschen länger. Ich denke, nach anderthalb Stunden bin ich da wieder raus. Nichts davon. Sie geben einem das Vollrogramm – drei (!) Stunden lang.

    Am Schluss laden sie noch zu einem Get-Together nach der Messe ein. Nix da, raus hier! Mit der Wartezeit vorher habe ich über drei Stunden hier verbracht und fühle mich fast schon heilig, allein dafür, dass ich da war.

    Ich glaube, wer immer neuer Papst wird: sie werden nicht viel verändern. Sie sitzen das einfach aus, bis das Pendel in die andere Richtung schlägt und die Menschen wieder konservativer werden – was ja gerade auch passiert. So lange sie mir die Messe für junge Leute lassen, gehe ich da trotzdem auch noch als 80-Jähriger hin. Was bleibt mir auch anderes übrig. Die Demokratie? Anders als die Kirche längst nicht mehr das, was sie mal war und dadurch kein Stück begehrenswerter.

  • Zu Fuß von Bonn nach Köln (Entry Level)

    Ich betrachte Köln und Bonn ja mittlerweile als eine Stadt, und so falsch ist das gar nicht. Zwar trennen die beiden Innenstadtkerne etwa 30km, und vom nördlichsten Worringen bis zum südlichsten Mehlem wären es gut 60 km. Aber fast die gesamte Strecke ist bebaut und die kürzeste Distanz zwischen beiden Städten ist deutlich kleiner. Ich bin sie heute in knapp 2 Stunden gelaufen.

    Nochmal zur Verdeutlichung:

    Die normale Strecke Bonner Münster bis Kölner Dom, Luftlinie etwa 25km, Laufstrecke etwas über 30km. Normal weit:

    Screenshot

    Bonn vom südlichsten Punkt Mehlems direkt an der Grenze zu Rheinland-Pfalz bis in Kölns äußerten Norden Worringens an der Grenze zu Dormagen: gut 60km. Ganz schön weit:

    Screenshot

    Und hier der Trick: Von Bonns nördlichstem Punkt, der Mondorfer Fähre in Graurheindorf bis zu Kölns südlichstem Stadtteil, dem rechtsrheinischen Libur, sind es nicht einmal 10km. Gar nicht weit:

    Screenshot

    Du setzt also einmal in Graurheindorf mit der Fähre über, durchquerst Mondorf, lässt Rheidt und Niederkassel im wahrsten Sinne des Wortes links liegen, gehst durch die Felder, auch an einem Golfplatz und einigen Baggergruben vorbei, passierst schöne Obstplantagen, Rollrasen- (!) und Rapsfelder, bis du in Uckendorf (nie zuvor gehört) wieder auf eine Ortschaft stößt und an dessem Ortsausgang schon der Liburer Weg beginnt.

    Das ist leider eine Landstraße ohne Bürgersteig, der du die letzten 2km noch folgen musst, auch über einen Kreisverkehr hinweg, bevor es zum Schluss rechts in die Pastor-Huthmacher-Straße einbiegst. An einem Feldkreuz vorbei kommt dann auch schon das Ortsschild mit der Aufschrift „Porz-Libur, Stadt Köln“, direkt gefolgt von der Hausnummer 32, dem dann wohl südlichsten Wohnhaus Kölns.

    Libur ist im Grunde nur ein Dorf mitten im Nichts mit etwas über 1.000 Einwohnern, einer großen Kirche, einem Gasthaus und sonst nicht viel mehr. Ein Wegweiser verrät es: Bis zur Kölner Innenstadt sind es von hier noch 18km, mehr als in die Bonner City. Aber, voilà, streng genommen bist du jetzt von Bonn nach Köln gelaufen. Meine Sportuhr zeigt 1:48h an und 9,04 km, gestoppt ab der Fähre in Mondorf.

    Das Ganze wozu? Um deinen Enkelkindern (oder Kegelbrüdern) aufs Brot zu schmieren, dass du mal wahrhaftig zu Fuß von Bonn nach Köln gelaufen bist.

    Aus Spaß an der Freud? Na ja, eigentlich nicht. Es gibt wirklich schönere Wanderstrecken, zumindest andere als diese kürzeste Version. Aber heute, an Karfreitag, war ja auch ein Tag der Buße.

    Ich würd’s wieder tun.

    *

    Mobile Payment

    Der älteren Frau hinter mir an der Kasse entfährt ein „Woa!“ und dann ein „Haben Sie gerade mit dem Handy bezahlt? Das geht?“. Ja, entgegne ich, das geht. Auch schon recht lange und mittlerweile sogar mit einer Uhr…

    Ein paar Augenblicke später beim Einpacken kommt die Frau noch einmal auf mich zu: „Und braucht man da eine App dafür, oder wie geht das?“ Ich erkläre es ihr, nicht zwingend eine App, aber die Freischaltung durch die Bank.

    „Ach so, und dann machen Sie wahrscheinlich auch Mobile Banking. Das mache ich nicht, ist mir zu unsicher.“ Auch nicht unsicherer als Papierüberweisungen, versuche ich ihr zu erklären. Und könne man sich ganz einfach für freischalten lassen. Aber sie winkt ab: „Nee. Nee, das mache ich nicht. Mit dem Handy… lieber nicht. Nachher wird das noch geklaut und alles…“

    Ja, aber selbst dann könnten die Diebe nicht viel damit… versuche ich ihn noch hinterherzurufen. Aber da hat sie sich schon verabschiedet.

    Also, mit dem Handy bezahlen ja, aber Online-Banking lieber nicht. Na gut. 😉 Schade.

    *

    Bea and her Business: Safety Net

    Ist ein netter Pop Song, mehr eigentlich nicht. Aber ich mag, wie sie ihre Musik Guerilla-Style promoted, hier mit einem extra angeheuerten Chor in der Londoner Metro. Die haben Spaß dabei!

  • Farbenblind

    Farbenblind

    Sie hält sich ein hellblaues Oberteil vor ihr Shirt. „Siehst du“, jetzt wirkt mein Gesicht eher blass“.

    Ich sehe es nicht.

    Dann hält sie sich ein dunkelrotes Oberteil vor die Brust: „Und jetzt leuchtet mein Gesicht eher. Siehst du den Unterschied?“

    Ich sehe ihn nicht.

    „Also stehen dir eher rötliche Farben?“
    „Kann man so auch wieder nicht sagen. Es kommt aufs Rot an.“
    „Und welche Farben würden mir stehen?“
    „Na ja, du könntest Schwarz tragen oder allgemein eher dunkle Farben.“
    „Aber immer nur dunkel ist doch langweilig und feige. Deswegen habe ich ja die Farbberatung gemacht. Damit doch mal bisschen Farbe reinkommt.“
    „Aber was spricht denn gegen Schwarz, wenn es dir steht?“
    „Dass ich manchmal gerne etwas Auffälligeres, Fröhlicheres tragen würde.“

    Ich war lange der Meinung, dass man fast alles lernen kann. Sprachen, Musik, selbst Biologie. Aber vielleicht sind einem bestimmte Dinge einfach nicht gegeben. So wie viele Deutsche nicht nur wegen schlechter Englischlehrer kein „th“ aussprechen können. Oder manche Leute einfach keine Töne treffen können.

    Ich scheine dafür farbenblind zu sein. Also nicht in dem Sinne einer Rot-Grün-Blindheit. Sondern dass ich nicht sehen kann, welche Farben mir oder anderen stehen und warum. Ich kann nur sagen, wenn ich finde, dass etwas gut aussieht oder jemand in etwas gut aussieht (aber auch das mache ich wohl eher selten).

    Interessanterweise kam aber auch bei oben genannter Farbberatung seinerzeit nichts Handfestes bei raus. Die Farbberaterin konnte mich nicht eindeutig einem Sommer- oder Winter-, Herbst- oder Frühlingstyp zuordnen. Sie sagte, das hatte sie so auch noch nie gehabt. Und weil sie mir am Ende irgendwas geben musste, gab sie mir einen Farbfächer für den Herbsttyp mit, der noch am ehesten passte, und sagte, bestimmte dunklere Grüntöne und Leberwurstbraun (ausgerechnet!) würden mir schon stehen. Genauer könnte sie es aber auch nicht sagen.

    Scheiß drauf, bin ich halt farbenblind. Dann muss mich beim Klamottenkaufen eben immer jemand beraten, so what. Andere Menschen sind die Lösung und so.

    Es wundert mich nur, dass jemand „farbenblind“ ist, dem selbst eine Farbberaterin auch keine Farbe wirklich sicher zuordnen kann. Zufall?

    *

    Lynyrd Skynyrd – Simple Man:

    Habe noch einiges an Rock- und Popgeschichte nachzuholen und diesen Klassiker kannte ich tatsächlich noch nicht (den Film aus dem Video schon):

  • Ich wohne in Kölnbonn

    Ich bin schon länger der Meinung, mit Bonn eigentlich durch zu sein. Derzeit zieht es mich stark nach Köln, was eher eine Stadt für halbwegs jung Gebliebene Mitte, Ende 40 ist. Wo auch einfach mehr los ist und sich schneller was bewegt.

    Okay, wenn das so ist, warum ziehe ich nicht langsam mal dahin? Mal abgesehen von meiner Bequemlichkeit ist es auch der Wohnungsmarkt. Du hast in Köln überhaupt nur über Tauschwohnungen überhaupt eine Chance. Und als Selbständiger gar nicht mal so gute Karten. Ich müsste mit mindestens 50% mehr Miete rechnen, als ich jetzt dank meines Altvertrags in Bonn zahle. Und das möchte ich mir im Moment nicht leisten.

    Wenn ich also nicht nach Köln ziehen kann, muss Köln halt zu mir kommen. Ich habe angefangen, Köln und Bonn als eine Stadt anzusehen:

    • Kulturell sowieso ähnlich. Der Standard-Bonner ist FC- und Haie-Fan, trinkt Kölsch, redet auch so ähnlich, feiert Karneval, geht am Wochenende in Köln raus.
    • Den äußersten Süden Kölns (Libur) trennen nicht einmal zehn Kilometer vom äußersten Norden Bonns (Graurheindorfer Fähre).
    • Wenn die Bahnen fahren, bist du in weniger als einer halben Stunde von einem HBF zum anderen gefahren.
    • Man könnte es als ähnliches Konstrukt wie das Ruhrgebiet betrachten oder wie Berlin, eine Stadt, die sich in der breitesten Ausdehnung über ca. 45 Kilometer erstreckt:
    • Kölnbonn wäre da sogar über 50 km groß:
    • Und nimmst du Düsseldorf oder gar das Ruhrgebiet noch dazu, wird eine Riesenstadt draus.

    Als ich Joachim neulich von der Idee erzählte, winkte er ab: „Das funktioniert nicht. Zwischen Köln und Bonn ist ein schwarzes Loch.“

    Ich weiß, was er meint. Klar liegen noch Städte wie Brühl, Bornheim, Wesseling, Hürth und Niederkassel dazwischen. Aber dann auch viel Land und gerade, wenn du nachts mal mit der 16 von Köln nach Bonn fährst, wirklich viel schwarzes Nichts.

    Davon abgesehen: Deutschlandticket für 60 Euro statt doppelte Miete, mich in zwei Städten heimisch fühlen, öfter mal rüberfahren oder das ganze Konstrukt sogar als eine Stadt begreifen. Zumindest, bis die Immobilienblase platzt, kann ich mit der Vorstellung gut leben.

  • Welthit auf Knopfdruck

    Welthit auf Knopfdruck

    Heute habe ich für Toolness ein wenig mit Riffusion rumgespielt. Einmal anmelden, einen Prompt abschicken, fertig ist der Song.

    Keine Ahnung, ich wollte was wie von Agnes Obel hören. Genau das zu prompten, ließen die Guidelines nicht zu – die Tools haben ja Ärger mit der Musikindustrie – also beschrieb ich, was ich wollte, und heraus kam dieser Welthit namens „Burn“:

    https://www.riffusion.com/song/a5d472fe-5116-41cd-b1bb-22f015bb8cd8

    Und seitdem zermartere ich mir den Kopf:

    • Ist das jetzt mein Hit?
    • Wer hat Anspruch darauf?
    • Wenn das ein Welthit würde, wer würde damit berühmt und reich?
    • Wie würde das überhaupt ein Hit? Steht ja kein Label oder irgendwas dahinter, kein Spotify und auch kein Radio wird den jemals spielen.
    • Es gibt also nicht nur keine Labels als Gatekeeper mehr, es gibt überhaupt keine Gates mehr.
    • Fällt Musik als verbindendes Element damit weg? „Was hörst du so?“ – „Mein eigenes KI-Zeug“.
    • Wenn das so einfach ist, einen Welthit zu prompten, warum macht das nicht jeder? Und immer? Und legt sich ganze Playlists davon an?
    • Ist da noch ein großer Unterschied zu diesen – auch von Musikforschern kritisierten – gleichförmigen Songs, die wir im Radio oder auf Spotify hören?
    • Was machen dann all die Musiker, die von Musik leben wollen und auch sollten. Wir reden hier nicht von den immergleichen Popsternchen, sondern Leuten, die es wirklich drauf haben, eigene Songs komponieren, mehrere Instrumente spielen und/oder singen können? Was wird aus denen?
    • Und was wird aus uns und mir? Irgendwann wird so eine KI wohl auch die Texte schreiben oder Videos in der Qualität produzieren können, die ich gerade produziere.

    Viele Fragen. Gibt es Antworten?

    Ja, von der KI (ChatGPT) selbst:

    „KI wird vieles automatisieren, aber kreative Menschen bleiben gefragt – besonders dort, wo Originalität, Emotionen und menschliche Erfahrungen zählen. Wer KI als Werkzeug nutzt, anstatt sie als Konkurrenz zu sehen, kann sogar profitieren.“

  • Growing-up-Challenge

    Growing-up-Challenge

    Jeden Tag 1 Sache tun, die ein Erwachsener tun würde. Eine neue Bankkarte beantragen, wenn die alte abgelaufen ist, sich seiner Steuer widmen, Vorsorgevollmacht für den Notfall einrichten, einen Termin ausmachen, um den Wagen zum längst überfälligen TÜV zu bringen, Notfallinformationen auf dem Handy hinterlegen. All sowas, solange, bis man sich deutlich erwachsener fühlt. Wer macht mit?

    *

    The Tallest Man on Earth: Dreamer

  • Wahlschlappe

    Ich habe versucht, dem Wahlergebnis etwas Gutes abzugewinnen. Aber es fällt mir schwer. Die schlechten Nachrichten zuerst:

    • Die AfD bei über 20 Prozent
    • Merz Kanzler
    • Eine dringend notwendige Umverteilung durch eine Reichensteuer wird also nicht kommen.
    • Wahrscheinlich wird es sowieso nur noch auf kurze Reaktionszeiten gegenüber Trump und Co. ankommen. Für nachhaltige Innenpolitik wird kaum Zeit bleiben.
    • Und dafür sind die knapp 29 Prozent für die CDU schon gar nicht mal so ein fulminantes Ergebnis. Einen strahlenden Sieger Friedrich Merz habe ich heute nicht gesehen.
    • Grüne und SPD abgestraft. Meines Erachtens in der Höhe zu Unrecht.

    Aber: All das war im Grunde schon vorher bekannt. Mein Entsetzen hält sich deswegen in Grenzen. Und wenn man der Wahl etwas Gutes abgewinnen mag:

    • Die AfD nur bei knapp über 20 Prozent. Sicher ist das zu viel, aber ich hatte mir die schlimmsten Szenarien von 24, 25, 26 Prozent ausgemalt. Die erste Hochrechnung, die ich kurz nach 1800 Uhr sah, nordete die AfD sogar bei unter 20 Prozent ein. Am Ende werden es bei ihr immer etwas mehr, aber auch hier hätte ich mit noch Schlimmerem gerechnet.
    • Im Grunde auch Merz abgestraft. Vielleicht für seine misslungene Aktion, einen Gesetzesentwurf mit Stimmen der AfD durch den Bundestag zu bringen? Zumindest liegt das Ergebnis der Union recht deutlich unter den Umfragewerten von zuletzt rund 32 Prozent.
    • Ein Merz ist kein Trump. Er schließt eine Koalition mit der AfD kategorisch aus, kündigte an, der Ukraine die Stange zu halten, verurteilte die Politik von Trump, Musk und Vance. Immerhin das.
    • Mit etwas Glück reicht es – zu diesem Zeitpunkt noch nicht absehbar, das BSW limbot noch an der 5-Prozent-Hürde – zu einer Zwei-Parteien-Koalition. Wieder eine Dreier-Koalition, bei der Einigungen viel schwerer sind, bliebe uns damit erspart.
    • Die FDP zu Recht abgestraft und aus dem Bundestag raus. Trotzdem brach bei mir irgendwie kein Jubel aus, als Christian Lindner später seinen Rückzug verkündete.
    • Wahlbeteiligung bei 83 Prozent. Die Leute hatten Bock auf diese Wahl, sie haben sich für die Demokratie entschieden und sie haben erkannt, worum es geht.
    • Die Linken bei über 8 Prozent. Das ist die große Sensation, die mich nach all dem, was die letzten Wochen passiert ist, beinahe diebisch freut. Die Abspaltung des BSW hat den Linken offensichtlich gut getan, sie haben endlich erkannt, wofür sie eigentlich da sind (die kleinen Leute) und einen richtig guten Wahlkampf geführt. Man sah es schon, was im Büro der Linkspartei in meiner Nachbarschaft die letzten Wochen los war. Volle Bude an fast jedem Abend der Woche. Die Partei lebt wieder und sie hat sogar dem BSW den Rang abgelaufen, was in Umfragen lange Zeit genau umgekehrt ausgesehen hatte.
    • Auch generell ist Links lange noch nicht tot, auch wenn Merz gestern etwas anderes behauptet hatte. Zählt man die Stimmen von SPD, Grünen, Linken und BSW zusammen, haben 42 Prozent links gewählt. Und da sind die Kleinen, Volt und die Partei, noch nicht mal dabei.

    Trotzdem: In der Elefantenrunde heute auf ARD/ZDF habe ich fast nur Verlierer gesehen, selbst die, die eigentlich gewonnen hatten, saßen wie begossene Pudel da: Habeck, Scholz, Lindner, und irgendwie auch Merz und Söder. Weil sich Jan van Aken von der Linkspartei trotz des Sieges vornehm zurückhielt, stand eigentlich nur Alice Weidel als strahlende Siegerin auf dem Podest.

    Und man fühlt, dass sie nicht ganz Unrecht hat, wenn sie sagt, dass die Wähler eine Koalition zwischen CDU und AfD gewollt hatten. Ein großer Teil der Wähler nämlich eben schon. Und diese Partei, man ahnt es, wird bleiben und lässt sich nicht mehr so einfach wegignorieren. Denn die AfD steht im Gunste derer, die auf Demokratie, wie wir sie kennen, pfeifen. Schnelles, klares Handeln auf der Weltbühne ohne eine lästige Opposition. Das sind Russland, China und mittlerweile auch die USA. Kein Wunder, dass sie die AfD dabei hofieren.

    Ich fürchte nur: Wer es nach der alten Methode versucht, wird in diesem Zirkus verlieren. Die Zeichen der Zeit haben sich geändert. Die Zeit der großen Reden in der Weltpolitik, das Schließen von Kompromissen, scheint vorbei.

    Auch die Zeit der Demokratie? Ich will es nicht hoffen. Als Wahl-Rheinländer sage ich nur: Et hätt noch schlimmer kumme künne. Mir wäre es aber lieber gewesen, dat et besser hät gekütt.

    *

    „Trump-Administration“. Ich weiß nicht, wie oft ich diesen Anglizismus in den letzten Tagen wieder gehört habe. Können wir bitte wieder einfach „Trump-Regierung“ dazu sagen, wie es eigentlich heißt?