Politik war jahrzehntelang eigentlich nur langweilig, jetzt wird es langsam bedenklich. Rechte an der Regierung in Italien, in Frankreich, in Polen, Ungarn, immer stärker auch in Deutschland, ein islamhassender Rassist wird Wahlsieger in die einstmals so toleranten Niederlanden. Migrationsfeindliche Ausschreitungen in Dublin, judenfeindliche Angriffe in Deutschland (!). Ich hatte immer gedacht, wenigstens hier wären wir besser als das, echte Probleme mit Migration haben wir ja eigentlich nicht. Das könnte aber schlicht daran liegen, dass wir keine Migration haben wollen. Beziehungsweise – und hier beißt sich die Katze in den Schwanz – haben die Migranten, die wir eigentlich brauchen, keine Lust mehr auf Deutschland. Im Report Expat Insider 2023 des Dienstes Internations landet Deutschland unter 52 Expat-Nationen auf dem letzten Platz. Und das liegt nicht nur an den langsamen Behörden oder daran, dass man fast nirgendwo mit Karte zahlen kann. Viele Expats beklagten die Sprachbarriere, unfreundliche Deutsche, die ihren festen Freundeskreis nicht erweitern wollten, Einsamkeit und dass es ihnen schlicht nicht leicht gemacht werde, nach Deutschland einzuwandern.
Ich dachte mal, das hätten wir alles schon hinter uns gelassen. Statt dessen scheint sich das Klima wieder zu verschlechtern.
Und ich verstehe es nicht. Ja, dieses Land hat auch seine Probleme, aber zu viel Migration ist es nicht. Auch andere reiche Länder wie Frankreich, Niederlande, Irland können sich über zu viel Migration eigentlich nicht beklagen. Es liegt nicht an der Migration, dass es überall an Wohnraum fehlt – was ein wirkliches Problem ist – sondern dass eigentlich europaweit jahrzehntelang zu wenig Wohnraum geschaffen und zu wenig gegen Immobilienspekulation getan wurde. Deutschland hat seit der Jahrtausendwenge Süßwasser in der Menge eines Bodensees verloren. DAS, zum Beispiel, ist ein Problem.
Wir fechten die falschen Kämpfe. Und schaffen uns und unsere Werte wie Toleranz, Gleichheit, Freiheit damit immer mehr ab. Und mir fehlt der Aufschrei deswegen. Wo bleibt er?
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Farbberatung
Nett war’s! Aber an mir hat die wirklich engagierte Frau Scholz sich beinahe die Zähne ausgebissen. Es gibt Menschen, die kommen rein und man weiß sofort, welche Farben ihm/ihr stehen und ob er/sie der Frühling-, Sommer-, Herbst- oder Wintertyp sind. Bei mir – musste sie tiefer forschen. Übrigens auch charakterlich. Es bringe nichts, jemandem knallige Farben zuzupassen, der sich am liebsten unterm Tisch verkriecht. Wohl auch deswegen – und weil wir uns gut verstanden – haben wir die ersten zwanzig Minuten eigentlich nur geredet. Zum Glück gibt es heute nicht mehr nur diese vier Haupttypen, sondern auch Zwischentypen, und einer davon bin wohl auch ich. Nur welcher?
Warme Farben, ja, aber auch nicht zu knallig, eher gedeckt, am meisten Schnittmenge mit dem Herbsttyp, definitiv nicht Winter. Schwarz geht, Weiß nicht (weil meine Zähne leider nicht so strahlend weiß sind). Ich könnte sowohl Gold als auch Silber tragen. Teils stehen mir demnach Farben, die ich niemals anziehen würde – Leberwurstbraun etwa. Jasses… Sie muss das alles noch einmal genau überdenken.
Vielleicht ist das auch die zweite gute Nachricht und ich kann mehr tragen, als ich möchte. Die erste gute Nachricht? Dass einem meist instinktiv gefällt, steht einem auch steht. Gut, ich hätte viele Gegenbeispiele dafür, gerade aus meiner schon etwas weiter zurückliegenden Vergangenheit. Aber das waren auch oft falsche Kombis, Schnitte oder Muster. Querstreifen, wenn man eh schon Wampe hat… na ja…
Ich bin gespannt, was am Ende dabei herauskommt. Empfehlen kann ich die Frau Scholz auf jeden Fall!
Greta Thunberg hat sich in den vergangenen Wochen mehrfach nicht nur pro-pälestinensisch geäußert (was okay wäre), sondernauch anti-semitisch, was nicht okay ist. Ja, dieses „kleine Mädchen mit den Zöpfen“, die für die Umwelt kämpft. Und weil ich in letzter Zeit viel im Auto unterwegs war und mal wieder ein paar Podcasts gehört habe, war auch eine Folge „Feel the News“ darunter, wo Maike und Sascha Lobo bereits den Absturz von Greta thematisierten.
Ich höre mittlerweile nur noch 1x am Tag die News, morgens im Bad beim Zähneputzen auf dem Sprachlautsprecher. Hin und wieder surfe ich noch bei tagesschau.de vorbei. Spiegel Online besuche ich nur noch sporadisch, das gibt’s nur noch Meinung und News gegen Geld. Beim Bonner Generalanzeiger habe ich nur die Lokalnachrichten im Feed, der Rest sind größtenteils Medien- oder Techniknews.
Und ich merke: Das ist offenbar zu wenig. Die Sache mit Gretas Antisemitismus – wenn man ihn so nennen will – hätte ich so gar nicht mitbekommen. Und ich vermute: Die meisten von euch auch nicht. Das ist eben nichts, was in den Abendnachrichten Schlagzeilen macht. Deswegen kommt ein Abgesang in meinen Augen auch zu früh. Die halbe Welt kennt Greta, aber nur die wenigsten werden ihre jüngsten Äußerungen mitbekommen haben, in denen sie Israel, nicht aber die Hamas kritisiert.
Sie ist übrigens nicht die einzige, die sich derart äußert. Offenbar hat auch Amnesty International ein Antisemitismusproblem. Die Organisation nennt Israel ein Apartheidregime. In einem Video im Dossier „Israel’s System of Apartheid“ werden Juden dargestellt, wie sie eine palästinensische Familie aus einem Haus vertreiben. Zwar verurteilt Amnesty auch die Terroranschläge der Hamas vom 7. Oktober, aber Isreal wirft die Organisation im gleichen Dokument vor, ganze palästinensische Familien im Gaza-Streifen auszurotten. Was mindestens außer Acht lässt, dass der Gaza-Streifen von der Hamas regiert wird, dass jährlich von dort hunderte Raketen Richtung Israel abgeschossen wurden und dass die Hamas keinerlei Interesse daran hat, die Situation der eigenen Bevölkerung zu verbessern. Amnesty scheint sich aber relativ klar auf eine Seite geschlagen zu haben.
Ich spende seit Jahren per Dauerauftrag für Amnesty. Ich wusste das nicht. Ich werde das jetzt mal überdenken.
Ich weiß aber jetzt schon, dass ich da offenbar was ändern muss. Ja, es geht mir besser, wenn ich wenig Nachrichten höre, lese oder gucke. Ja, sogar als Journalist. Aber ich bekomme zu vieles nicht mit, was mich am Ende doch betrifft.
Ich habe es mir zu einfach gemacht.
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Harry
Ist nicht mehr da unten.
Es war vergangene Woche Dienstag, da sah ich ihn mehrmals vom Fenster aus, und er machte gar keinen guten Eindruck, lag fast den ganzen Tag unter seiner Decke und schien zu schlafen. Abends ging ich rüber, er wirkte schwach, zitterte ein wenig, war nur halb mit einer dünnen Decke zugedeckt. Ob ihm warm genug wäre, fragte ich. Ja, wäre es, beteuerte er. Eine weitere Decke lag direkt neben ihm. Ich schlug vor, dass er sie auch noch über lege. Er wollte nicht.
Ob es ihn sonst denn noch gut gehe, fragte ich. Die Antwort fiel differenzierter aus. Körperlich ja, seelisch nicht so richtig, sagte er. Ich mache mir ein wenig Sorgen, sagte ich. Er winkte ab. Wir redeten ein bisschen über dies und jenes, er sagte, er würde gerne noch einmal dieses eine Lied von „Unheilig“ hören. Ich wusste schon, welches er meinte. Ich hatte mein Handy dabei und machte den Song via Spotify einfach an und wir lauschten gemeinsam.
„Du hast mir gezeigt, wie wertvoll das Leben ist“, sang der Tüppes (besonders viel halte ich nicht von dem Song, aber ein bisschen was hat der schon). Harry hatte Tränen in den Augen.
Sehen wir uns morgen, fragte ich zum Abschied. Ja, beteuerte er. Ich machte mir echte Sorgen. Würde er nicht bald in eine Unterkunft kommen, dann hätte ich ernste Bedenken, dass er den Winter nicht überlebt. Was dauerte denn da bloß so lange?
Ich nahm mir vor, am nächsten Tag bei der Caritas anzurufen, schaffte es aber zeitlich nicht. Harry sich da aber schon ein wenig berappelt. Sein bester Freund war lange zu Besuch, ich fragte nach, wie der Stand wäre – sein Freund antwortete die meiste Zeit, aber es ging ihm wohl besser. Auch eine Frau, die ich nicht kannte, kam später vorbei und blieb lange.
Am nächsten Morgen, dem Donnerstag vergangener Woche, sah ich morgens aus dem Fenster und wollte meinen Augen nicht trauen. Harry war nicht da – dafür das Ordnungsamt mit einer Putzkolonne der Stadt im Schlepptau. Fünf Männer in Ganzkörperanzügen. Sie räumten seinen Platz! Schmissen seine Habseligkeiten samt und sonders in den Müllwagen, während die beiden Ordnungshüter Spalier standen.
Ich ging runter und sprach mit einem der Beamten. Ich ahnte zwar Schlimmes und hatte ein wenig Wut im Bauch, aber fragte trotzdem freundlich, was denn mit dem alten Mann wäre, der hier „gewohnt“ habe. Der habe eine Unterkunft bekommen, sagte der Ordnungshüter freundlich. „Er zieht gerade da ein“. Ich fragte: „Wissen Sie wohin?“. Er sagte: „Nein, leider nicht.“
Mein Anruf bei der Caritas bestätigte das. Die zuständige Mitarbeiterin, mit der ich schon einmal telefoniert hatte – offenbar die Frau, die ihn tags zuvor lange besucht hatte – hatte das veranlasst und Harry am gleichen Morgen umquartiert. Ob sie mir sagen könne wohin, fragte ich. Nein, leider nicht. Ob sie Harry fragen könne, ob ich mich bei ihm melden könne. Würde sie ihn fragen.
Das war es dann also. Harry wurde – hoffentlich – winterfest einquartiert. Jetzt ist die Bushaltestelle nur noch eine Bushaltestelle.
Und ich sag es ganz ehrlich: Mir fehlt mein Kumpel, und die guten Gespräche, die wir hatten. Es war eine Routine für mich geworden, fast jeden Tag einmal da vorbeizugehen und zu fragen, wie es ihm geht. Er war immer freundlich zu mir, sagte oft, dass er sich immer freue, mich zu sehen, „mein Freund“.
Schaue ich jetzt runter zur Bushaltestelle, ist da eine gähnende Leere. Ich bin ein wenig traurig, vor allem, weil ich bis heute nicht weiß, wo er eigentlich genau ist. Gemeldet hat sich noch niemand bei mir. Gestern traf ich seinen besten und zweitbesten Kumpel vor genau der Bushaltestelle. Ihnen hat er auch noch nichts gesagt. Ich hoffe, das ändert sich bald.
Jetzt nach einer Woche überwiegt allerdings die Freude. Immerhin vier Monate hatte er dort gelebt, auch davor war er schon seit einigen Monaten obdachlos, wie er mir mal erzählt hatte. Dass seine vielen Helfer im Hintergrund jetzt endlich eine Bleibe für ihn gefunden haben, ist ein glücklicher Ausgang der Geschichte.
Wo immer du auch bist: Ich wünsche dir alles Gute, mein Freund!
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116117
„Die Leute wissen offenbar nicht, dass sie sich auch auf der 116117 einen Facharzttermin geben lassen können“ – schnappte ich neulich irgendwo im Radio auf.
Ach, tatsächlich?! Diese komische Nummer, von der man mal gehört hatte, aber gar nicht wirklich weiß, wofür die eigentlich ist.
Nachdem ich beschlossen hatte, dass sich jetzt doch mal ein Orthopäde meinen Nacken anschauen muss, mit dem ich jetzt seit fast zwei Monaten Geschichte habe, wollte ich das mal ausprobieren.
Es brauchte acht Anrufe dafür.
Anruf 1
„Wenn wir Ihnen einen Termin vermitteln sollen, brauchen Sie eine Überweisung vom Hausarzt. Sonst können wir Ihnen nicht helfen.“
„Okay, kann ich besorgen. Wenn wir jetzt einfach davon ausgehen, dass ich die schon hätte, können wir dann…“
„Nein, ich würde Sie bitten, sich erst einmal die Überweisung zu besorgen und sich dann noch einmal hier zu melden.“
„Na gut“.
Anruf 2 beim Hausarzt. Rezept gehe klar, könne ich morgen abholen.
Anruf 3 bei der 116117:
„Oh, Sie wollen zur Terminvergabe. Da sind Sie bei mir jetzt leider falsch. Ich kann nur nach Adressen für Ärzte suchen, bin noch nicht weiter eingearbeitet und an einer anderen Stelle aktiv. Da müssen Sie noch einmal…“
„Können Sie mich durchstellen?“
„Nein, leider nicht. Sie müssen zum Regionalverband durchgeleitet werden. Das kann ich von hier aus nicht. Aber wählen Sie direkt die 116117 3, dann kommen Sie durch“
„Die Nummer ist dann 1161173 oder meinen Sie, dass ich 116117 anrufe und dann die 3 wähle?“
„Ja, Sie wählen die 116117 3.“
„Ah, okay“.
Anruf 4: 1161173 – „Nummer nicht vergeben“
Anruf 5: 116117 – ich wähle die 3 – ich höre nichts mehr, wähle noch einmal die 3 – nichts passiert. Ich lege auf.
Anruf 6: Zweiter Versuch. 116117 – 3. Es tutet, ich lande in der Warteschleife. Es gibt keine Ansage, wann oder ob überhaupt sich noch etwas täte. Nach vier Minuten lege ich auf.
Anruf 7: 116117 – diesmal wähle ich die 1, wie beim ersten Mal. Es geht auch jemand dran, wieder ein Mann.
„Haben Sie eine Überweisung mit einem Dringlichkeitscode?“
„Einen was?“
„Sie brauchen von Ihrem Hausarzt eine Überweisung mit Dringlichkeitscode. Sonst dürfen wir von der 116117 Ihnen da leider nicht helfen.“
„Da habe ich nicht gewusst, dass ich das brauche“. (Hatte mir der Typ beim ersten Anruf auch nicht gesagt. 🤬)
Ich beschließe, es einen day to callen, mir am nächsten Tag beim Hausarzt noch einen Dringlichkeitscode geben zu lassen, wenn ich das Rezept abhole und es dann noch einmal zu versuchen.
Heute Morgen also latschte ich zum Arzt, sage der Sprechstundenhilfe, was ich will und dass die 116117 einen Dringlichkeitscode von mir wolle. Sie lächelt, das hätte sie schonmal gehört. Auf dem Tresen liegen Visitenkarten für die 116117 aus, wie passend. Sie kramt in einer Schublade, holt eine Seite mit Stickern raus und klebt einen davon auf meine Überweisung. „Bitteschön, der Code!“ – „Dankeschön.“
Anruf 8 bei der 116117 – 3. Diesmal geht jemand dran, eine junge Frau.
„Haben Sie eine Überweisung mit Dringlichkeitscode?“
„Ja.“
„Lesen Sie mir den Code dann bitte einmal vor. Und dann brauche ich noch Namen, Adresse und Geburtsdatum.“
Bekommt sie.
„Gut, dann schaue ich mal… der nächste freie Termin wäre… morgen früh.“ 😳 „Wollen Sie den nehmen?“
Wollte ich!
Erst danach gibt sie mir Namen und Adresse des Arztes durch und noch den Hinweis, dass ich morgen vorab noch einmal dort anrufen solle. Es ist leider der Orthopäde, bei dem ich vor Jahren schon einmal war und der mir damals – um ehrlich zu sein – einen vom toten Sheriff erzählt hatte. Aber in der Not frisst der Teufel Fliegen. Ich nehme an.
In der Zwischenzeit aber bekomme ich eine Mail. Marius hatte mir gestern seinen Orthopäden empfohlen. Bei der Webrecherche stellt sich raus, dass die Praxis Online-Termine vergibt. Ich buche pro forma direkt einen (absagen kann man ja später immer). „Nächster freier Termin: 2.1. um 9:45 Uhr“. Na gut, besser als nichts. „Wollen Sie über frei werdende frühere Termine per Mail informiert werden?“
Und ob!
Heute dann die Mail: „Es ist ein früherer Termin frei geworden. Nächster möglicher Termin: morgen früh um 8.45, 9:30, 10:15 oder 11:20. Welchen wollen Sie?“ 😳
Also habe ich jetzt binnen 24 Stunden gleich zwei Termine bei einem Orthopäden für einen Termin am nächsten Tag bekommen. Etwas, worauf ich beim letzten Mal drei Monate (!) warten musste.
Für das deutsche Gesundheitssystem besteht Hoffnung! Aber ganz ohne bisschen Umständlich geht nicht, da kommt Deutschland nicht ohne aus.
(Später erfahre ich, dass die 116117 auch eine Website hat, auf der man sich selbst einen freien Facharzttermin geben kann. Ja sowas…)
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The Shamen: Ebeneezer Goode (1992)
Musste ich vorhin irgendwie dran denken. Ist gut gealtert. Ich mag diese dreckige Lache:
Verrückte Zeiten sind es derzeit – wollte ich eigentlich als erstes schreiben. Aber sind die wirklich so seltsam? Es passiert gerade viel Neues, ja, vielleicht sogar eine Art neue Industrielle Revolution. Aber das wäre ja bekanntlich nicht die erste.
Auf Instagram warb einer mit einem Einführungskurs in KI. Der Dude wirkte nett und recht seriös auf mich, der AI-Crashkurs sollte kostenlos sein, als Gegenleistung halt meine E-Mail-Adresse – na gut, warum nicht. Die hat ja eh schon jeder. 😉 Und der Kurs war gut, natürlich zwischendurch eine Werbeveranstaltung, aber das sind jeder Podcast, jedes YouTube-Video, jede TV-Sendung heute auch. Hauptsächlich stellten sie viele interessante KI-Tools vor und was man mit ihnen so alles machen kann.
Was mir darunter vor allem in Erinnerung bleiben wird, ist Rask, ein Tool, das ein Video einer Person in dessen Stimme in einer – beinahe – beliebige andere Sprache übersetzen kann. Und das verdammt akkurat! Ich hab das hier einmal mit Englisch ausprobiert. Die Sprache beherrsche ich ja eigentlich, aber einen so feinen Oxford-Akzent habe ich natürlich in Wahrheit nicht, und so gewählt ausdrücken könnte ich mich auf Englisch auch nicht. 🙂
Das ist wirklich meine Stimme. 🤷🏻♂️ Dass Bild und Ton nicht gerade lippensynchron sind, liegt – angeblich – daran, dass ich nicht den Pro-Account genutzt habe. Damit ginge das. Übrigens sind über 100 Sprachen möglich. Übersetz dein Video auch auf Kisuaheli, Mandarin oder Finnisch!
Willst du ein synchrones Video, musst du allerdings ordentlich dafür blechen – mindestens 50 Euro im Monat.
Und das ist irgendwie usus gerade in dieser KI-Welt. Eine Menge an Tools ist in den letzten Monaten auf den Markt gekommen. Die Aufmerksamkeit ist da und deswegen auch die Goldgräberstimmung. Hier wollen viele Glücksritter das schnelle Geld machen, und immer wieder ist das Argument: „Enorme Zeit- und damit Kostenersparnis für Unternehmen“ – und die scheinen irgendwie massiv Bedarf daran zu haben.
Ich konnte mir auch einen Blogbeitrag zu einem beliebigen Keyword schreiben lassen – das kann unter anderem Neuro-Flash – aber der Text war so falsch und überkandidelt, dass ich mir immer weniger Sorgen um meinen Job mache.
Als die beiden Kursleiter dann die Frage eines Teilnehmers über eine mögliche Lösung beantworten sollten, die redaktionelle Texte schreiben kann, stockten sie. Da wäre ihnen tatsächlich keins bekannt. Es gäbe gute Assistenztools wie Perplexity.ai, aber ganz ohne menschliches Zutun? Keine Chance!
Das war – alles – erhellend irgendwie.
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Wohlwollende Kommentare
Mittlerweile seit ein paar Monaten spiele ich auf dem iPhone das schon etwas ältere Casual Game „The Creeps 2“, eine Art Tower Defense. Der Entwickler hat einige Level wirklich nicht einfach gestaltet und du kannst ein paar Tokens kaufen, damit du schneller vorankommst (Pay to win), aber mit ein wenig Training kannst du jedes Level schaffen (habe ich getan) und hast dann sogar mehr Spielspaß.
Also monatelang ein tolles Spiel und dafür keinen Cent zahlen – das fand ich super, und da wollte ich dem Entwickler wenigstens eine wohlwollende 5-Sterne-Wertung hinterlassen. Ich lobte das Spielkonzept und dass man solche Spiele, die den Spieler über den Verleger stellen, heute nur noch selten finde.
Weniger später am Abend dann diese Nachricht von Apple:
Kommentar nicht zugelassen wegen Verstoßes gegen die Veröffentlichungsrichtlinien.
Ich kann mir das nur so erklären, dass Apple vermutet, dass für meinen lobhudelnden Kommentar Geld geflossen sei. Ist aber nicht.
Wie bringt man denn nun ehrlich gemeintes Lob an in diesen – doch irgendwie – verrückten Zeiten?
Als Jugendlicher hatte ich keinen großen Plan für die Zukunft, ich lebte ein Stück weit in meiner Traumwelt. Das Umfeld redete mir Träume und Wünsche eher aus, statt mir konkrete Ziele vor Augen zu halten. Mangels besseren Plans tat ich also, was ich immer tat: Ich ging jeden Morgen zur Schule.
In der Schule war ich nicht gut oder beliebt, außer zu der Zeit in der Orientierungsstufe (anderswo: 6. Grundschuljahr), wo ich mal eine Zeitlang so gut war, dass es zum Gymnasium reichte. Dass ich dort keine wirklichen Freunde in der Klasse hatte, motivierte mich eher als alles andere: Ich hatte Angst, ich würde den Faden verlieren, weil mir niemand den verpassten Stoff erklären oder mich seine Hausaufgaben abschreiben lassen würde. Vielleicht deswegen wurde ich in der Schulzeit fast nie krank und war einfach jeden Morgen immer wieder da. Und weil es das Gymnasium war, ging ich eben immer wieder hin, bis ich 20 war. Ich hatte massive Bildungslücken, einige Lehrer hatten mich wegen meiner Faulheit auf dem Kieker. Andere hielten mich für cleverer und gaben mir gute mündliche Noten. Am Ende reichte es, um da durchzukommen. Der Lohn, um jahrelang jeden Morgen einfach wieder da zu sein, war ein mittelmäßiges Abi. Immerhin. 💁🏻♂️
Das unterstützt Allens These. Schaust du vorbei und machst du einfach, was getan werden muss, hast du die meisten anderen schon ausgestochen. Du nimmst immer etwas mit, du hinterlässt auch irgendwo einen positiven Eindruck (oder zumindest keinen so negativen wie der Mitschüler, der immer fehlt).
In der Arbeitswelt scheint es mir ähnlich zu sein: Einfach jeden Morgen wieder dazustehen und sein Ding zu machen, ist keinesfalls eine Selbstverständlichkeit, sondern in vielen Unternehmen die Ausnahme.
Es ist keinesfalls immer Exzellenz gefordert. Ich glaube, das meiste erreicht man mit:
Jeden Morgen wieder erscheinen.
Sich auf das Wichtigste konzentrieren, Unwichtiges möglichst weglassen.
Die Arbeit machen, für die man dich engagiert hat.
Wenigstens 1 Stunde am Tag konzentriert und ohne Ablenkung die wichtigste Hauptarbeit verrichten.
Den Entscheidern hin und wieder mal eine kreative Idee präsentieren.
Viel spazierengehen.
Reicht. 🤷🏻♂️
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Jeder vor seiner eigenen Tür
Geholfen, bei einem älteren Mann die Wohnung zu putzen, der gerade im Krankenhaus liegt und von dem man noch nicht weiß, ob er das selbst noch mal wieder können wird. Man hatte mich vorgewarnt, und in meinem Kopf entstanden Bilder schlimmster Szenarien: Dass da ein Messi wohnt, ein Hoarder oder beides oder dass die Kakerlaken da schon Samba tanzen.
Am Ende war es überhaupt nicht so schlimm. Die Wohnung war aufgeräumt und insgesamt in einem guten Zustand. Der Gute hatte allerdings einige Putschikanen wie das Klo, die Dusche, den Herd oder den Kühlschrank seit längerem nicht mehr sauber gemacht. Trotzdem: Zu zweit hatten wir nach drei Stunden emsigen Putzens, Saugens und Wischens den gröbsten Dreck beseitigt.
Beim Putzen kam mir der Gedanke, wie sehr man sich eigentlich an „seinen eigenen“ Schmutz gewöhnt. Wenn ich auf meinem Herd zum Beispiel Nasi Goreng mache (also gebratenen Reis, eins meiner Leibgerichte) fliegen die Fetzen, sprich: die Reiskörner, und nicht immer habe ich die Muße, gleich sofort nach dem Kochen alles wieder wegzuputzen. Auch in meinem Bad gibt es Ecken, bei denen ich beide Augen zudrücke, weil es ja „mein“ Schmutz ist. Aber mal angenommen, jemand käme hierher und müsste meine Wohnung saubermachen… der würde sich an einigen Stellen sicher auch ekeln.
Von daher bin ich dankbar für diese Erkenntnis. Jeder kehre vor seiner eigenen Tür, und auch bei mir gibt es noch einiges zu tun. Werde ich mal in Angriff nehmen…
Ein Kurs mit dem oben genannten Titel habe ich vergangenen Sonntag in der VHS Bonn belegt. Es war spannend!
Wir waren zehn Teilnehmerin:innen. Die Kursleiterin bat uns, zunächst nicht mit den anderen Teilnehmenden zu sprechen. Wir setzen uns im Kreis hin, aber abgewandt, also mit den Stühlen in Richtung Wand oder Fenster gedreht.
Die sonst obligatorische Begrüßungsrunde ließen wir aus, dafür bat uns die Kursleiterin eine:r nach dem anderen für 12 Sekunden aufzustehen, nichts zu sagen und sich wieder zu setzen. Die anderen sollten sich jeweils Notizen zu jeder Person machen. Gleich anschließend sollte jede:r eine Minute lang etwas erzählen, etwa, was er/sie am gleichen Morgen gemacht hatte. Hier gab es schon die ersten Überraschungen, denn viele klangen ganz anders als gedacht.
Es folgten einige Impro-Spiele, um die anderen (und sich selbst) in Aktion zu sehen. So sollten wir etwa über eine Postkarte eine Geschichte erzählen, die wahr oder erfunden ein durfte.
Wir stellten eine Situation in einem Café nach. Person 1 sitzt am Tisch und hat gegenüber den letzten freien Stuhl stehen, Person 2 kommt dazu und bittet, sich dazusetzen zu dürfen, weil es der letzte freie Stuhl sei. Person 1 möchte das aber nicht. Wir sollten beide Personen einmal spielen.
Noch vor dem Mittag bekamen wir eine der anderen Personen zugelost und sollten uns unsere bisherigen Eindrücke über sie auf eine Karte schreiben, die später aufgedeckt würden. Am Nachmittag folgten einige weitere Spiele, nun gab es auch die Möglichkeit, sich in den Pausen ein wenig mit den anderen auszutauschen und sie so nun doch etwas besser kennenzulernen. Am Schluss die große Auflösungsrunde, wo jeder jedem schilderte, was er anfangs über denjenigen dachte und was am Schluss.
Bei mir hatte sich der Eindruck von vier Personen im Laufe des Kurses deutlich geändert. Drei fand ich auf den ersten Blick eher unsympathisch, weil sie teils abweisend guckten oder mich an jemanden aus meiner Vergangenheit erinnerten, die ich nicht mochte. Alle drei revidierten den Eindruck, entpuppten sich nämlich als sehr nett, teils durchaus geistreich und umgänglich. Einer von ihnen allerdings konnte so sympathisch sein, wie er wollte, sein ganzes Auftreten gefiel mir einfach nicht und löste in mir negative Assoziationen aus. Ich glaube ihm, dass er ein netter Kerl ist, aber trotzdem würde ich ihn nicht auf einen Kaffee oder ein Bier treffen wollen (die Frage wurde anfangs wirklich gestellt).
Die vierte Person, eine Frau, war mir beim ersten und zweiten Eindruck sympathisch, relativierte diesen Eindruck allerdings im Laufe des Tages durch ihre Art, weil sie sich in alles einmischte und für mich wenig Geistreiches aus ihr herauskam.
Ziemlich gespannt war ich darauf, was die anderen schließlich über mich sagten:
Für die meisten war ich auch das, was sie anfangs erwarteten
Mehrere sagten mir, ich würde auf sie seriös und kompetent wirken, elegant und klug und so, als würde ich in mir ruhen
Und so, dass ich gut und begeistert erzählen könnte
Meine Stimme wäre sehr angenehm
Ich wirke freundlich
Wahrscheinlich hätte ich aber zu Weilen Schwierigkeiten, meine Gefühle zu zeigen
Ich wirke auch ein wenig abweisend
Auf einen wirkte ich sogar leicht arrogant.
Anfangs hätte ich eine leichte Unsicherheit ausgestrahlt, die hätte ich aber – laut einer Kursteilnehmerin – gut verborgen.
Die Dozentin schließlich sagte, sie hätte sich anfangs gewundert, warum ich den Kurs überhaupt mache, ich hätte gewirkt, als wüsste ich schon, wie ich auf andere wirke.
Und was denke ich nun selbst darüber?
Ich war überrascht, als mir mehrere Kursteilnehmer sagten, dass ich seriös wirke und in mir ruhen würde. Ich habe manchmal eher das Gefühl, dass ich unter Dauerstrom stehe. Aber alleine der Gedanke daran sorgte am gleichen Abend noch dafür, dass ich wirklich in mir ruhte. 😅
Alle anderen Dinge kamen für mich weniger überraschend und zeigen mir sogar ein wenig, dass ich offenbar in großen Teilen schon so wirke, wie ich auch denke, dass ich wirke.
Insgesamt war der Kurs aber schon auf Freundlichkeit angelegt. All zu negative Dinge sparten wir aus, und das ist auch gut so. Mit dem gewonnenen Feedback allerdings gehe ich seitdem sehr freudig um, und der ganze Kurs hat definitiv geholfen, mein Selbstbewusstsein zu stärken. Woo-ha!
Und ach ja, die Karten vom späten Vormittag, die wir später noch aufdeckten. Ich weiß leider nicht, wer sie geschrieben hat (war anonym), aber, hui, wie nett!
Also wenn ihr mal über einen solchen Kurs stolpert: unbedingt machen! Es lohnt sich!
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Nahostkonflikt hier, dort und global
Die Welt ist seit ein paar Tagen irgendwie nicht mehr dieselbe. Schlimm genug, was da im Nahen Osten passiert, noch schlimmer, dass es auch hier passiert. Dass wir uns in Deutschland gesagt hatten, wir würden das nie wieder passieren lassen. Und jetzt sind wir mittlerweile so weit, dass sich Juden in Deutschland nicht mehr sicher fühlen.
Weil Juden in Deutschland für das, was gerade in Israel und dem Gaza-Streifen passiert, hierzulande angefeindet werden. (Was bitte können die denn für irgendwas davon?!)
Auch weil Deutsche ein klares Bekenntnis für die Politik Israels vermeiden und das den Juden in Deutschland bei Diskussionen den Rückhalt nimmt. Und hier wird es in der Tat schwierig zu differenzieren, aber genau das muss man in meinen Augen: differenzieren.
Umso schlimmer finde ich es, wenn sich Menschen klar auf die eine oder andere Seite schlagen. Denn auch das geht in meinen Augen kaum. Man kann für die Freiheit Palästinas sein, aber man kann doch keine Terroranschläge wie den der Hamas vom 7. Oktober mit 1.400 größtenteils zivilen Toten gutheißen, mit irgendwas rechtfertigen oder ihn in der Diskussion einfach auslassen. Oder so etwas tun, wie Palästina – frei vom Fluss bis ans Meer – zu wünschen.
Genau das hat jetzt einer meiner Lieblings-Instagrammer getan. 🙄😔 @thetinywisdom, der immer sehr coole Comics gezeichnet hat über selbstunsichere und/oder introvertierte Menschen in der heutigen lauten Leistungsgesellschaft, hat sich heute mit einem Comic mit dem Titel „Watermelon Field“ klar auf die Seite Palästinas geschlagen. Er beschreibt er den Konflikt zwischen Israel und Palästina, wie er ihn sieht, stellt Israel darin klar als Aggressor dar und endet mit den Worten „From the River to the Sea: Palastine will be free“.
Worauf er nicht eingeht: Den Terroranschlag der Hamas, oder: was sein Wunsch eines vom Jordan bis zum Mittelmeer freien Palästina dann für Israel und seine Bewohner bedeuten würde, was bekanntlich genau in diesem Gebiet liegt.
Weil er just heute Abend ein AMA (Ask me Anything) in seinen Stories gepostet hat, habe ich ihn genau das dort gefragt. 💁🏻♂️ Ich habe enttäuscht unter seinem Post kommentiert – der sonderbarerweise keine großen Wellen geschlagen hat, trotz seiner 115.000 Follower. Und dann habe ich seinen Beitrag gemeldet, weil ich ihn schlicht nicht in Ordnung fand.
Entfolgen werde ich ihm wohl – leider – auch müssen. Aber erstmal will ich noch seine Antwort abwarten.
Und dann habe ich gestern, am 9. November, am Mahnmal unten am Rhein eine Kerze angezündet. 💁🏻♂️ 85 Jahre nach der Reichsprogromnacht – die die meisten offenbar vergessen haben. Ich war nicht alleine dort, immerhin, aber besonders viele Kerzen brannten dort leider nicht.
Zugang zu seinen eigenen Gefühlen herzustellen, ist eine enorme Herausforderung, gerade wenn man mal gelernt hat, möglichst keine Gefühle zu zeigen.
Warum man das gelernt hat? Sagen wir mal, das Umfeld hat es eine Zeitlang erfordert. 😏 Zeig keine Gefühle, sonst greift man dich genau dafür an oder nutzt dich dafür aus. Diese Zeit ist schon lange, lange vorbei, aber eventuell hat man nicht gelernt, wieder umzustellen. Es gibt tatsächlich immer noch Situationen, in denen man seine Gefühle besser nicht zur Schau stellt oder sie zumindest zügeln muss. Die Welt da draußen kann megabrutal sein.
Zum Glück sind diese Situationen selten. In den meisten sozialen Situationen ist es heute durchaus angebracht, sogar notwendig, seine Gefühle zu zeigen. Differenzieren ist also notwendig. Aber wenn man das all die Jahre nicht gemacht hat, muss man das erst wieder neu lernen. Ich bin dabei.
Und ich schaue zurück: Wie vielen Menschen es wohl genauso geht, wie viele sich verhärtet haben, weil sie es mussten oder meinten es zu müssen, wie viele wie ein Eisblock wirken, weil sie ähnliche Erfahrungen gemacht haben, aber dann nicht mehr zurückschalten konnten, wie viele ihrer Mitmenschen daran verzweifelt sind.
Mensch sein ist echt eine bekloppte Angelegenheit, wenn man es sich mal genau überlegt.
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Nöel
Konzert in Düsseldorf, tolle Vorbands, Noël Gallagher and the High Flying Birds dann pünktlich (zur offiziellen Übertragung im WDR) dann um 2100 Uhr auf der Bühne. Gitarristen, Keyboarder, Schlagzeuger und dazu irgendwie auch noch vier junge Backgroundsängerinnen. Irgendwie überflüssig – eine hätte gereicht – aber schön anzuschauen.
Noël spielt die besten Hits des neuen Albums, seiner Solokarriere insgesamt und gegen Ende zunehmend alte Oasis-Songs. Little by little, Live forever, the Masterplan. Ein wenig Sparring mit dem Publikum, grimmiges Gesicht, ich meine so etwas wie „Fucking Germans“ zu hören und wäre nicht überrascht. Meine Mitstreiter, darunter ein Engländer, aber klären mich auf. Er sagte wohl: „I don’t speak fucking German“. Tolle Video- und Lightshow, anderthalb Stunden Programm, angenehme Atmosphäre, für einen kurzen Moment lächelt er sogar.
Nach dem Konzert noch ein wenig Brimborium. Die Schlange vor der Garderobe ist massiv, es dauert eine halbe Stunde, bis wir drankommen. Ich unterhalte mich ein wenig mit einem aus Berlin, Johannes sieht einen mittelalten Typen mit Kurzhaarfrisur und Augenklappe – der perfekte Doppelgänger von Olaf Scholz. Ich renne rüber und frage, ob er ein Selfie mit mir machen will. Er sagt: ja klar.
Vor der S-Bahn-Station direkt nebenan geht die Party weiter. Ein Straßenmusikant hat sich hier mit Mikro und E-Gitarre aufgebaut, spielt alte Oasis-Songs: „Don’t look back in Anger“ und „Wonderwall“. Der Pulk der Leute feiert, auch wir stimmen kurz mit ein.
Immer wieder, wenn ich mich frage: „Ach, was soll ich eigentlich auf Konzerten, ist das nicht verschenkte Lebenszeit?“ passieren mir solche Dinge und ich habe mit die besten Zeiten meines Lebens. Halte ich hiermit mal schriftlich für mein Future-Self fest.
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Kölner Bahnhofsvorplatz
Es geht mit S- und Regionalbahn zurück nach Bonn, Johannes und ich haben eine halbe Stunde Aufenthalt im Kölner HBF. Wir treten kurz aus, ich hab einen Mordshunger und hole mir noch was beim Bäcker, danach ist immer noch Zeit übrig. Klare Sache: Einen Blick auf den monumentalen Dom werfen, wo wir schon mal da sind! Oft gesehen, aber immer wieder schön.
Wir stehen auf dem Bahnhofsvorplatz, es ist halb Zwölf in der Nacht. Zwei Mädels kommen auf uns zu, ich würde sie auf etwa 18 schätzen. Sie fragen uns superlieb, wer wir sind, ob wir vielleicht nen Euro haben, sie müssten dringend aufs Klo. Die beiden teilen sich eine Flasche Wein, wirken schon recht angetrunken, wir haben vom Konzert her auch schon drei Bier auf, ein normales „Party“-Gespräch, eigentlich.
Wir fragen, was sie hier noch machen. Sie seien aus ihrer Einrichtung ausgebüxt, sagen sie, hätten es da nicht ausgehalten. „Ich wollte bei meinem Freund sein“, sagt die eine. „Der hat mich geschlagen und ist manchmal gemein zu mir, aber dann auch wieder superlieb und textet mir voll lieb.“
Ich versuche, ihr zu erklären, dass das gar nicht gehe: „Wenn er dich schlägt, musst du von ihm weg.“
Sie nickt: „Ja, aber ich lieb den voll. Ich weiß auch nicht.“
Die andere stimmt ein: „Ich kann auch nicht ohne meinen Freund. Ich denk die ganze Zeit an ihn. Und wenn er weg ist, vermisse ich ihn so, dass ich mich manchmal ritzen will.“
„Was?!“, frage ich. „Bist du bekloppt? Warum sollte man sich denn ritzen?“
„Na ja, wenn der Schmerz so groß ist, dann ist man kurz davon abgelenkt.“ Sie krempelt ihren Unterarm hoch, er ist wirklich voller Schrammen. Keine so tief, dass es lebensgefährlich wäre, aber definitiv selbst zugefügt, so als würde sich jemand… ja, ritzen, um den Schmerz abzulenken.
Ich versuche, ihr zu erklären, dass das gar nicht gut ist.
Sie sagt: „Ja, aber ich vermisse meinen Freund oft so sehr. Dann ritze ich mich. Würde ich jetzt eigentlich auch gerne, aber ich hab nichts dabei…“
Ich frage sie, wie alt sie sei. Sie sagt: siebzehn. Ich versuche noch, ihr zu erklären, dass das keine Liebe ist, dass es Wichtigeres im Leben gibt und es sich nicht lohnt, jemandem hinterherzulaufen. Ich erreiche sie nicht.
„Wir fahren noch nach Mönchengladbach“, sagte die eine dann.
„Was? Jetzt noch?“, fragen wir. Ja, da wäre eine Freundin gerade aus der Geschlossenen ausgebüxt, die holen sie jetzt noch ab.
„Und dann? Wo kommt ihr heute denn unter?“
Ich frage bewusst die andere, die mir etwas zugänglicher erscheint. Sie sagt: Bei ihrer Mutter. Ist es da okay, frage ich. Sie nickt: Ja, da ist es okay.
Die andere, die sich geritzt hat, ext die Flasche und torkelt danach gen Eingang. Zwei junge Typen kommen vorbei, es ist schwer zu sagen, ob sie sich kennen. Johannes gibt ihnen den einen Euro fürs Klo. Die Mädels verabschieden sich superlieb, gehen mit den Typen in die Wartehalle und sind auch kurz darauf verschwunden, bevor wir noch irgendwas unternehmen könnte. Na ja, was auch?
Aber WTF just happened?
Als wir in der Bahn sitzen, sagt Johannes: „Ich glaube, die beiden haben uns verarscht. Die haben uns irgendwas erzählt und brauchten in Wahrheit Kohle für irgendwelche Drogen oder so“.
„So eine Geschichte erfinden, um einen Euro fürs Klo zu schnorren? Und die Schrammen von der einen waren wirklich echt!“
Wir werden es nicht mehr herausfinden. Es könnte tatsächlich so etwas wie eine dieser Loverboy-Geschichten sein. Vielleicht haben sie uns auch wirklich nur verarscht. Ganz ehrlich, es wäre mir lieber.
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Deutschlandticket
Einmal nach Düsseldorf und zurück sind im Nahverkehr über 30 Euro, also fast 2/3 dessen, was ein Deutschlandticket kostet. Ich möchte mir also vor der Fahrt eins kaufen.
In der neu gestalteten DB-Navigator-App finde ich dazu erst einmal nichts. Im Hauptmenü kein Hinweis darauf; gehe ich bei der gesuchten Verbindung auf „Tickets“ taucht es hier auch nicht auf. Ich suche: Irgendwo unter Tickets im dritten Untermenü schließlich finde ich es: das Deutschlandticket. Will es direkt kaufen und buchen.
Echt jetzt? Das weiß die App doch schon aus meinem Account, ich bin eingeloggt.
Na gut, ich fülle alles aus.
„Ticket nur im Abo erhältlich. Bitte geben Sie die IBAN für das SEPA-Lastschriftmandat ein“.
Serieus? Die habt ihr doch schon durch die App. Habe ich längst als bevorzugte Zahlungsart ausgewählt…
Copy/Paste geht nicht. Ich krame mein Portemonnaie heraus, zücke meine Bankkarte und tippe die IBAN von Hand ab.
„Herzlichen Glückwunsch, Deutschland-Ticket gekauft. Wenn Sie das Ticket nutzen wollen, können Sie es im Hauptmenü mit einem + hinzufügen und nutzen“.
Echt jetzt? Das passiert nicht automatisch? Ich muss das wirklich von Hand hinzufügen, damit ich es nutzen kann? Meine Güte.
Gut fünf Minuten hat es also „nur“ gedauert, bis ich das Deutschlandticket mit der Bahn-App gekauft und dort hinzugefügt habe.
War ja ganz einfach…
Das Bürokratiemonster – gerade erst um ein paar Monate von Bund und Ländern verlängert – wirkt, als hätte es alles mit der Deutschen Bahn nicht das Geringste zu tun. Warum nur?
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Telefontermin
Ich schrieb in meinem letzten Blogbeitrag darüber, dass man das Telefon auch ganz gerne abschaffen dürfe, weil es für die Terminabsprache ungeeignet sei, bessere Lösungen aber oft noch fehlen.
Gestern klingelt dann mein iPhone, ich gehe dran, aber wie so oft drückt das iPhone den Anrufer stattdessen weg. Wenig später eine Voicemail: „Tag Herr Vielmeier, Sie wollten einen Termin für eine professionelle Zahnreinigung bei uns. Hier ist er: kommenden Dienstag um 1145 Uhr. Sie brauchen nur noch zurückzurufen, falls Sie an dem Termin nicht können. Wiederhören.“
Geniale Lösung des Problems. 🙂 Ich war so überrascht, dass ich vor lauter Freude direkt zurückrief, um den Termin zu bestätigen – was ich nicht musste, aber auf Nummer sicher gehend trotzdem wollte.
Mein Nacken bringt mich derzeit um den Schlaf, ist dauerverzogen und das mittlerweile seit Wochen. Ich bin jetzt so weit, dass ich dafür sogar zum Arzt gehen würde. Und, weil mir das immer wieder passiert, soll es jetzt mal ein Osteopath sein.
Bei Osteopathen scheint es ein Ding zu sein, dass nur der Anrufbeantworter läuft, man sein Anliegen, seinen Namen und seine Nummer aufs Band spricht und der Osteopath später persönlich zurückruft. Habe ich so bei zwei Praxen gemacht und gedacht: hey, mal nicht zu diplomatisch sein. Sag, dass es dir übel geht, du Schmerzen hast und möglichst schnell drankommen möchtest. Ist ja auch die Wahrheit.
Osteopath 1 hat sich bis heute nicht gemeldet, Osteopath 2 immerhin rief binnen einer Stunde schon zurück, war sehr verständnisvoll, bot mir einen Termin kommende Woche an und riet mir außerdem, mir von meinem Hausarzt ein Privatrezept für ihn ausstellen zu lassen. Dann würde meine Kasse einen Teil davon bezahlen. Aber ganz wichtig: Müsse ein Privatrezept sein, auf dem bis zu drei Behandlungen vermerkt wären.
Kompliziert, aber ich merkte mir das, eigentlich bin ich zu schüchtern, um um mein Recht zu kämpfen, rief aber dann doch bei meinem Hausarzt an, sagte erst, ich wolle vorbeikommen – „nee, bei ’nem verzogenen Nacken können wir nichts machen, der Doktor ist Internist“ – und fragte dann, ob ich mir ein oben beschriebenes Rezept abholen dürfe. Durfte ich. Bekam ich dann auch später.
Ich kann mittlerweile telefonieren. Ich tue es immer noch nicht gerne, eine latente Angst schwingt immer noch mit, aber es geht irgendwie, wenn es muss. Und das war ganz sicher nicht immer so. Als Jugendlicher sehr schüchtern, mit einem Sprachfehler „ausgestattet“, Selbstbewusstsein sowieso keins, zeitweise depressiv und ganz nebenbei keinerlei Telefonvokabelskills im Repertoire (was sagt man da eigentlich so, wie geht so ein Telefonat?). Und dann sagt die Gegenseite was wie: „Rufen Sie doch kurz durch!“ oder meldet sich genervt mit: „Was wollen Sie?“
Woran ich bei der Arztaktion dachte: Was ist mit all den Menschen, die – anders als ich – heute immer noch schüchtern, depressiv oder ohne Selbstbewusstsein sind? Die einen Sprachfehler haben oder einfach Angst vor dem Telefonieren? Laut einer Studie von JIM aus dem Jahr 2018 haben um die 30 Prozent der Jugendlichen zwischen 12 und 19 Jahren Angst davor, Tendenz eher steigend. Bei Erwachsenen gibt es leider keine Studien dazu, aber ich bin mir sicher, dass viele diese Angst aus der Jugend mitnehmen oder sogar noch vergrößern.
Psychologen suchen nach Ursachen und Lösungen für die Telefonphobie. Mal eben am Telefon eine Pizza bestellen oder einen Arzttermin ausmachen – das dürfe einem doch keine Angst machen.
Ich hätte eine Lösung dafür: Das Telefon wegdigitalisieren! Dinge wie Arzttermine ausmachen, Pizza bestellen oder den Friseur nach einer Spülung fragen, sollten standardmäßig online erledigt werden können. Auch weil Telefonieren in solchen Fällen aufhält, Zeit kostet, für beide Seiten ein Umweg ist. Während der Corona-Pandemie, als man Erkrankungen des eigenen Kinds in der Kita an das Gesundheitsamt telefonisch durchgeben sollte und nicht durchkam, konnte das sogar Menschenleben kosten.
Also weg damit! Wir können das Telefon an sich ja behalten – für manch eine Kommunikation wie mit Freunden, die man lange nicht gesprochen hat etwa, für Eltern, die einem zum Geburtstag gratulieren wollen oder für Informanten mit brisanten Insiderinformationen über eine sichere Leitung. Aber standardmäßig ginge es doch einfacher, Terminabsprachen oder Nachfragen digital online zu erledigen.
Würde vielen Menschen die Teilnahme am täglichen Leben wieder ermöglichen. 💁🏻♂️
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Tischtennis-YouTuber Adam Bobrow hat den berühmtesten Tech-Vlogger Marques Brownlee zum Duell herausgefordert. Und das ist nicht nur amüsant geworden, sondern sehr lehrreich für alle, die denken, Tischtennis sei einfach nur: gerade den Ball übers Netz zu lupfen. Nee, nämlich nicht, das bekommt auch Brownlee zu spüren:
Der Place ist ganz nebenbei dope. Er nimmt dich standardmäßig auf Video auf, und wenn du einen guten Schlag gemacht hast, drückst du auf einen Knopf, das System extrahiert die letzten 30 Sekunden der Aufnahme, in denen dein Monsterschlag vorkam und mailt ihn dir als Link per E-Mail. How cool ist that?
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Lese gerade noch einmal „Learning to See Creatively“ von Bryan Peterson. Und rückblickend war das wohl das Buch, das meine Fotoskills am weitesten nach vorne gebracht hat. Es inspiriert mich gerade noch einmal neu zu solchen Bildern (übrigens aufgenommen mit dem iPhone):
Bin überrascht, wie viel aus dem Buch ich längst verinnerlicht habe. Das zweite Lesen liest sich wie eine Wiederholung. Wer möchte – ich werde es nach dem Lesen aussortieren.
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Hab kein Halloween gefeiert, dieses Jahr. Die Nachbarn ein paar Straßen weiter aber offenbar schon. SEHR COOLE Deko!
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Die Bayern sind im DFB-Pokal gegen Drittligist Saarbrücken ausgeschieden. 🙂 Freuen tut mich das selbstverständlich nur, weil das auch die Meisterschaft endlich mal wieder spannend machen könnte. Die anderen dürften sehen können, dass die Bayern derzeit eben doch schlagbar sind.
Mir heute erst mal wieder aufgefallen, wie sehr ich diese Zeitumstellung im Herbst eigentlich genieße:
1 Stunde geschenkt für jeden
Endlich mal ausschlafen und zwar so richtig
Am Abend darauf auch super einschlafen, weil man dann eher müde ist, weil es ja „eigentlich schon später“ ist.
Ich hab den Tag der Zeitumstellung tatsächlich herbeigesehnt, weil ich seit Wochen irgendwie ein Schlafdefizit mit mir rumschleppe und das jetzt endlich mal kuriert werden könnte.
Ja, die Zeitumstellung an sich nervt eigentlich. Man weiß nie, in welche Richtung sie geht, zahlreiche, gerade öffentliche Uhren gehen danach tagelang falsch oder weniger intelligente Uhren (wie bei mir am Backofen oder im Auto) müssen dann doch von Hand umgestellt werden. Und klar, im Frühling klaut man uns dann wieder eine Stunde.
Aber um die Stunde jetzt bin ich mega dankbar.
A propos 1 Stunde. Wochenlang mit dem Schlafdefizit, mit dem Herbst und auch so einigen anderen Wehwehchen kämpfend habe ich mich auf der Arbeit zuletzt nur so durchgeschleppt. Bis ich irgendwann gemerkt habe: So geht das nicht mehr, du kommst zu nichts, wenn du dir nicht wenigstens 1 Stunde am Tag für die Kernarbeit wirklich reservierst.
Kernarbeit, das ist die Arbeit neben dem Planen, Kommunizieren, Lesen, Fortbilden und Organisieren. Also die Zeit, die bleibt, um die eigentliche Arbeit zu erledigen. Bei mir waren zuletzt einige dringende Testberichte auf der Agenda. Ich habe mich da jetzt zuletzt so organisiert, dass ich in dieser 1 Stunde alles andere ausgeblendet und mich alleine dem Schreiben des jeweiligen Testberichts gewidmet habe.
1 Stunde am Tag klingt wenig, meistens wurden es auch mehr, aber sich alleine mal die Zeit dafür zu nehmen und in dem ganzen Chaos wenigstens mal eine Stunde zu reservieren. Glaubt mir: das ist viel.
Getestet habe ich übrigens unter anderem das Fairphone 5:
The point is: Lerne, eine Stunde schätzen zu lernen. Seit der Zeitumstellung am Samstag fällt mir das deutlich leichter.
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König von Scheißegalien
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An der Ahr
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Schönes Licht heute in Bonn
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Fatboy Slim: Build it up, tear it down (1997)
Aus irgendeinem Grund wiederentdeckt. Kann ich wunderbar bei arbeiten.
Niederländisch für: „Politik“, und das trifft es ziemlich gut.
Ich äußere mich hier selten politisch, denn eigentlich soll das hier ein optimistisches Blog sein. Machen mir meine Landsleute derzeit aber schwer, seeeehr schwer…
Sarah Wagenknecht will eine neue Partei gründen. Sagt mir gerne, wenn ich mich irre, aber das bedeutet doch genau genommen:
Die Linke hat fertig.
Und das in meinen Augen nicht ganz zu Unrecht. Wer es in Zeiten dieser schreienden sozialen Probleme nicht schafft, die Pläne von der marxistisch-leninistischen Weltrevolution einmal hintan zu stellen und mit einer verlässlichen Mannschaft und einem gutem Programm über Jahre hinweg nicht schafft, wenigstens zehn Prozent der Wähler:innen abzuholen, den hat die Welt aber auch nicht gebraucht.
Wann, warum und durch wen bitte ist eigentlich das Thema Migration plötzlich wieder auf Platz 1 der drängendsten Themen gerückt? Als hätten wir mit zu hohen Lebenshaltungskosten, einem wahnwitzigen Wohnungsmangel, dem Wegbrechen der Mittelschicht und nicht zuletzt dem Klimawandel nicht viel drängendere Probleme.
Wobei mir bis heute nicht klar ist, worin genau sich die Kritik an den aktuellen Regierungsparteien eigentlich festmacht und was davon irgendeine andere Regierungskoalition in den letzten 40 Jahren hinbekommen hätte oder in Zukunft besser machen würde.
Jetzt wo die Altkommunistin Wagenknecht also zu links für die Linkspartei ist und trotzdem am rechten Rand Wähler abfischen will, können wir dann vielleicht einfach mal aufhören, das politische Spektrum von links nach rechts zu lesen und es einfach neu einteilen in „Gutmenschen mit zu wenig Durchsetzungsvermögen“ und „Populisten, die vorgeben, hart durchgreifen zu können, um ein vermeintliches ‚Migrationsproblem‘ zu lösen, den Karren dadurch aber auch nicht weiter aus dem Morast ziehen.“
Antisemitismus ist in Deutschland wieder populär. Juden fühlen sich hier nicht mehr sicher, bekommen täglich Drohungen in den sozialen Netzwerken.
Ich will einfach nicht glauben, dass wir nicht besser sind als das, dass wir nichts gelernt haben. Aber genau danach sieht es gerade aus: Die letzten 75 Jahre (mehr sind es gar nicht) haben offenbar alle nur so getan, als wären sie weltoffen, sozial und bescheiden. Aber jetzt, wo das Dritte Reich langsam in Vergessenheit gerät, zeigt der Deutsche sein wahres Gesicht: fortschrittsfeindlich, xenophob, veränderungsresistent, kaltherzig, sich anderen überlegen fühlend und zu allem Überfluss jetzt offenbar auch wieder antisemitisch.
Ich kotze.
Ja, „Beleid“ trifft es ziemlich gut.
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Noch einmal gelesen: „Hinter dem Horizont rechts“:
Christopher Many ist vielleicht nicht der geborene Autor, aber er ist der geborene Weltreisende. Ein schöner Erfahrungsbericht, wie er mit dem Motorrad über Land von Europa nach Australien gefahren ist und die Welt richtig kennengelernt hat.
Werde ich mal dem öffentlichen Bücherschrank übergeben. Vielleicht erreicht man damit ja doch noch jemanden.
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Ich soll/will hier mehr von dem geilen Scheiß berichten, den ich auch beruflich so mache. Weil es mich auch selbst motiviert, mehr davon zu machen und darin besser zu werden. Alors, mein jüngstes Videofazit für das Trendblog über die Fitbit Charge 6:
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Fairphone 5 (Symbolbild)
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Macht auch ganz anständige Fotos:
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Spam
Das ist schon beinahe lustig. Wer denkt sich so etwas aus und glaubt, dass Markus Lanz der deutsche Elon Musk wäre? 😂
Die Bezirksvertretung Bonn beschloss in einer bemerkenswerten Abstimmung, die Viktoriabrücke (die übrigens nach einer Victoria benannt war, auch mal interessant) in Guido-Westerwelle-Brücke umzubenennen.
Das kann man kritisieren, zumal damit die einzige Brücke in Bonn, die nach einer Frau benannt war, jetzt auch nach einem Mann benannt wird (nach der Konrad-Adenauer-Brücke, der Kennedybrücke und der Friedrich-Ebert-Brücke). Fortschrittlich ist das nicht gerade.
Andererseits war Guido Westerwelle ein begnadeter Rhetoriker und der geborene Oppositionspolitiker, der zweifellos viel zu früh an Krebs verstarb.
Die Brücke, die nun seinen Namen tragen soll, führt in die Bonner Weststadt und an ihrem Ende in Richtung Altstadt müssen Radfahrer stets ein paar Bodenwellen passieren. Es versteht sich folglich von selbst, dass wir sie liebevoll „Westerwelle“ nennen werden.
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Israel
Zum Wiederaufflammen der Gewalt in Israel und dem Gaza-Streifen ist alles gesagt, nur noch nicht von jedem.
Ich finde es derweil erstaunlich, wie schnell und eindeutig sich viele Menschen auch hierzulande auf eine der beiden Seiten geschlagen haben. So als hätte es die Spirale der Gewalt in den letzten Jahrzehnten nie gegeben.
Wer jetzt die Idee für eine schnelle Lösung hat, der möge bitte noch einmal ganz genau hinschauen, was u.a. alles in den 1990er-Jahren gerade von einem Jitzak Rabin und einem Jassir Arafat unter enormen Anstrengungen für den Frieden in der Region schon einmal unternommen wurde und wie wenig davon nach Rabins tragischer Ermordung noch bestehen blieb.
Wie würden, ganz nebenbei, wir reagieren, wenn wir so etwas erleben würden wie Israel am 7. Oktober? Würden wir dann einfach sagen: „Ja, ist ja klar, sind wir selber Schuld, dass die sich radikalisiert haben und zu tausenden unser Land überfallen, hunderte ermorden, egal ob Frauen, Kinder, Greise. Jetzt fangen wir dann mal an, die Grenzen wieder zu öffnen und halten neben der rechten auch die linke Wange hin.“
Würden wir? Wirklich?
Ein Teil von mir hofft natürlich trotzdem inständig darauf, dass die geplante Bodenoffensive Israels in den Gaza-Streifen, die nun auch schon einige Tage auf sich warten lässt, ausfällt wegen: lassen wir einfach mal.
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Harry
Hatte heute ein langes Telefonat mit einer Sozialarbeiterin, die Harry wohl schon länger betreut, auch schon vor Jahren, als er schon einmal auf der Straße lebte.
Details darf ich natürlich keine veröffentlichen, aber sagen wir so: Es bemühen sich offenbar weit mehr Menschen um ihn, als es für mich den Anschein hatte. Einiges ist halt komplizierter, als es auf den ersten Blick scheint. Es wird versucht, ihn noch vor dem Winter, der ja mit Riesenschritten naht, in eine Unterkunft zu bekommen. Und vielleicht kann ich wenigstens versuchen, ihm da gut zuzureden; viel mehr kann ich wohl auch nicht tun. Das muss er natürlich selbst auch wollen.
Nach all dem, was ich jetzt gehört habe, ist auf jeden Fall mein Vertrauen in dieses Land ein Stück weit zurückgekehrt. Hier wird doch nicht einfach jemand allein sich und den Elementen überlassen. Immerhin, muss man sagen. Es ist noch Hoffnung da.
*
Pubquiz
Interessanter Abend. Ich bin heute Morgen gegen Covid und Grippe geimpft worden und merke seit heute Nachmittag einiges davon. Wollte trotzdem natürlich meine 10.000 Schritte gehen und schlenderte auf dem Rückweg durch die Altstadt an der Pinte vorbei, wo ich Torsten in Mitten einer Gruppe seiner Freunde traf.
Eins führte zum anderen und man überredete ich, noch am Pubquiz teilzunehmen. Einiges konnte ich beisteuern (die Frage nach der Westerwelle-Brücke kam tatsächlich auch), für einige Fehler sorgte ich aber auch – ich dachte, Christian Lindner wäre in Düsseldorf geboren, statt dessen stammt er aus Wuppertal.
Gewonnen haben wir tatsächlich trotzdem. 😅 Und ich glaube, das liegt schlicht an der Spontaneität, der Ungeplantheit des Ganzen und dem Unvermögen der anderen. Man zahlte uns den Gewinn in Flüssigkeit aus – ich verabschiedete mich aber noch vor Genuss des Pitchers:
Christian Lindners Geburtsort habe ich dann noch gegoogelt, und – meine Güte – die ähnlichen Fragen bei Google. 🤣
Die 10.000 Schritte vermeldete die Fitbit dann auch noch, 100 Meter, nachdem ich das Pub verlassen hatte.
*
Shirukid
Auf dem Nachhauseweg kam ich noch am Aksoy vorbei. Die jungen Leute hinter mir packten in der Zwischenzeit eine Actioncam aus und sprachen davon, jetzt hier eine Szene drehen zu wollen. Ich fragte: wovon? Sie sagten, sie würden ein Musikvideo drehen. Von wem, fragte ich? Von mir, sagte der supernette Künstler fröhlich.
Ich fragte nach Name, Stilrichtung und ob er berühmt sei. Na ja, geht so, sagte er. Er heiße übrigens Shirokid und ich könnte einen Sticker mitnehmen und mal reinhören, wenn ich wollte. Wollte ich.
Hab tatsächlich schon weit Schlechteres gehört!
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