Ich bin gerade auf der Suche nach einem guten gebrauchten Geländewagen, um damit nach Australien zu fahren (ja nun).
Und der Jeep aus dem Angebot sah schon echt nicht schlecht aus. Angerufen, spontanen Termin vereinbart. Vorher noch ein paar Checklisten von ADAC und Co. überflogen. Wichtigste Regeln: Achten Sie auf Rost, defekte Dichtungen, ob der Wagen noch schnell geputzt wurde, um Lackschäden oder Lecks zu kaschieren. Und auch darauf, wie der Händler sich verhält. Verwickelt er Sie in Gespräche, fallen oft Bemerkungen wie: „Das ist bei der Marke so“?
Heute Morgen dann die Fahrt zum Autohaus in die Eifel. Ich komme an und der Jeep steht gerade unter der Waschanlage. Fängt ja gut an (Regel #1). Toll sieht er aber schon aus, der Lack schön schwarz, das Innenleben gut in Schuss, ein paar Kratzer, aber auf den ersten Blick nichts Gravierendes. Ich öffne die Motorhaube: sieht im Großen und Ganzen okay aus.
Der Besitzer des Autohauses kommt und fängt einen zwanglosen Plausch mit mir an über Laufsport, Geländewagen als solche, was ich mit dem Wagen möchte, woher ich komme und das Leben auf dem Land oder in der Stadt. Ist er nur nett, möchte er wissen, ob das Auto zu mir passt oder macht er auf gut Freund (Regel #2)? Kann ich in dem Moment noch nicht abschätzen.
Er drückt mir die Schlüssel in die Hand, lädt mich ein, das Ding ausgiebig probezufahren (sehr nett), will die Motorhaube schließen. „Lassen Sie ruhig noch auf“, sage ich. „Ich würde gerne sehen, wie das mit laufendem Motor aussieht.“ Er ist einverstanden.
Der Motor vibriert, aber ansonsten sieht oben alles nicht schlecht aus. Ich schließe die Haube, fahre los, aus dem kleinen Ort heraus, vielleicht 1km vom Autohaus entfernt auf der Landstraße. Plötzlich leuchtet die Motorkontrolllampe auf und der Wagen bleibt stehen. Ich drehe den Schlüssel, will neu starten. Nichts geht mehr. Ein Blick auf die Anzeige: Es ist der Tank – der ist tatsächlich leer.

Ich steige aus, stelle Warnblinker an, baue Warndreieck auf, rufe im Autohaus an, schildere die Lage, bitte sie, mit einem Kanister vorbeizukommen. Wenig später kommt die gleiche Mitarbeiterin, die auch das Auto gewaschen hat, entschuldigt sich vielmals, füllt mit dem Kanister Benzin nach. Und es kann weitergehen. Einfach nur Pech? Kann schon sein. Will ich ihnen nicht ankreiden, find’s sogar lustig. Aber die Motorkontrollleuchte geht nicht wieder aus. Das wäre normal sagt der Besitzer später (Regel #3?), weil der Tank leer war, geht die Anzeige an, Fehlerspeicher müsste ausgelesen und die Anzeige wieder gelöscht werden. Stimmt das? Ich fragte ChatGPT. ChatGPT sagt, dass das durchaus möglich ist.
Der Rest der Probefahrt verläuft fehlerfrei und macht sogar Spaß. Allrad, tolles Innenraumkonzept, alles darin funktioniert, und ganz nebenbei: tolles Soundsystem! Wäre das Ding vielleicht doch etwas? Ich bin nicht gut im Handeln, frage ChatGPT, ob es ein paar Tipps für mich hat. ChatGPT sagt: Auf Fehler hinweisen, freundlich bleiben, dann geht oft was.
Bei der Rückkehr muss ich kurz warten, bis der Verkäufer wieder Zeit hat. Ich nutze die Wartezeit, um noch einmal um das Auto herumzugehen und genau zu gucken.
Und da sehe ich es: ein völlig durchgerostetes Bauteil unten (Regel #4). Ich kenne mich wenig aus mit Autos, mache ein Foto, lade es bei ChatGPT hoch und frage, welches Teil das ist und ob das ein gravierender Mangel ist, und ChatGPT sagt:

Ich weise den Verkäufer auf das durchgerostete Bauteil hin, zeige ihm das Bild. Er sagt: Ja, das komme schon mal vor bei solchen Fahrzeugen (Regel #3). Da müsse man noch mal genau in Augenschein nehmen, ob das Bauteil ausgetauscht werden müsse (äh, ja, muss es! Regel #4) und ob ich eigentlich einen Kaffee wolle (nett, aber auch Regel #2).
Ich verabschiede mich dann wenig später mit den Worten, ich müsse nochmal drüber nachdenken, ob ich das Ding wirklich kaufen möchte. Was bringt es da jetzt, unhöflich zu sein. Ist nicht meine Art und nett waren sie ja immerhin auch. Also nehme ich auf nette Art und Weise von einem Kauf Abstand.
Ich freue mich trotzdem über den Ausflug. Hab mir trotz Unerfahrenheit nichts aufschwatzen lassen. Kritische Grundhaltung + ein paar Tipps + ChatGPT als Ersatz für einen Mitfahrer oder gar KFZ-Experten, den ich kurzfristig nicht auftreiben konnte waren hier der Schlüssel. Das sind die Anwendungsfälle, in denen ChatGPT wirklich brillieren kann. Jeder hat plötzlich ein paar Experten immer griffbereit am Handy.
„Amerikanische Geländeautos taugen auch nichts“, schreibt Bene mir später. „Kauf dir lieber einen Toyota oder Nissan“.
Ja, ich denke, ChatGPT und ich werden mal in die Richtung gehen.