Die EM 2020 macht mittlerweile so richtig Spaß. Ich habe hochdramatische, mitreißende Spiele gesehen, etwa das 4:2 von Deutschland gegen Portugal oder heute Abend die beiden Achtelfinalduelle. Da hatte Spanien schon 3:1 geführt, ehe Kroatien kurz vor dem Abpfiff noch ausglich, Spanien aber in der Verlängerung nichts anbrennen ließ und letztlich 5:3 gewann. Gleich anschließend noch einmal fast das gleiche: Die Schweiz hatte Frankreich schon fast im Sack, doch dann drehte der Weltmeister die Partie, führte plötzlich 3:1, ehe die Schweiz nochmal zurück kam, auf 3:3 ausglich und es in die Verlängerung und schließlich ins Elfmeterschießen ging – wo völlig überraschend die Schweiz gewann. Das hochgelobte Italien tat sich schwer gegen Österreich. Die Niederlande sind gar schon ausgeschieden, ebenso Titelverteidiger Portugal, der sich diesmal nicht durchmogeln konnte. Und Deutschland-England morgen? Trotz Favoritenrolle für England bislang völlig offen. Also kurzum: Sportlich gesehen ein fantastisches Turnier!
Und in den Stadien feiern die Fans mittlerweile wie früher. Rom, Amsterdam, Kopenhagen, Sevilla und München halten sich noch zurück mit der Masse an Zuschauern, belassen es bei jedem fünften Platz. London, Budapest und Sankt Petersburg sind da nicht so empfindlich. Hier sind alle oder fast alle Plätze besetzt, hier feiern die Fans Arm und Arm, hier kommt richtig Stimmung auf – hier findet die Delta-Variante paradiesische Zustände vor.
Und das hat Folgen. Da wären nicht nur die hunderten finnischen Fans, die nach Rückkehr aus Sankt Petersburg positiv getestet wurden. Da wäre auch die traurige Zahl von mittlerweile hundert Corona-Toten täglich in Petersburg. Und Teams und Fans reisen munter durch Europa. London lässt morgen gegen Deutschland 45.000 Zuschauer rein – immerhin keine deutschen Fans, das ist vernünftig. Aber der Rest wird sich beinahe auf den Füßen stehen. Und ob Ungarn wirklich kaum neue Fälle registriert?
Die Delta-Variante ist noch einmal deutlich ansteckender, hier reicht oft schon ein flüchtiger Kontakt. Selbst die alte Devise, dass man draußen ziemlich safe ist, gilt so nicht mehr. Was jetzt eigentlich helfen würde, wäre ein harter Lockdown. Das ist den Leuten natürlich nicht mehr zu vermitteln, gerade im Sommer. Aber zumindest alle Vorsicht über Bord zu werfen, wie es gerade an manchen Stationen der Euro passiert, halte ich für völlig unangebracht. Die EM könnte so zum Pandemietreiber werden. Und die UEFA tut herzlich wenig, um das einzudämmen, agiert sogar gerade ein wenig wie ein Staat im Staate. Verlangt Zuschauer in den Stadien, erklärt einfach alles für sicher und schert sich auch nicht darum, was sonst in den teilnehmenden Ländern so für Kontaktbeschränkungen gelten.
Ich will hier nicht zum Spielverderber werden – dafür habe ich gerade auch selbst viel zu viel Spaß an den Spielen. Aber hier geht man in meinen Augen zu sorglos mit dem Thema Corona um. Wenn man später an diese EM zurückdenkt und einem dazu nicht zuerst diese tollen Spiele einfallen, sondern sie als Treiber der vierten Welle in die Geschichte einginge – das wäre sehr, sehr, sehr schade.
Eine Antwort auf „An diese EM wird man noch lange zurückdenken“
Deinen leichten Optimismus kann ich leider nicht teilen.
Die UEFA handelt völlig unverantwortlich und nimmt sich wie immer viel zu wichtig. Komisch allerdings, dass sich die Politik das gefallen lässt!
Die EM ist definitiv DER Pandemie-Treiber schlechthin!
Leider!