Kategorien
Sigh

Business-Kasper im Anzug

Ich hatte mich eine Woche lang in Barcelona (Spanien) und Porto (Portugal) herumgetrieben. Am Gate vor dem Rückflug nach Düsseldorf fiel mir zum ersten Mal seit dem Abflug ein offensichtlich deutscher Typ mit geschniegelten Haaren, Hornbrille und Anzug auf. Genau so einer hatte mich vor dem Ablug in Köln noch im Starbucks belästigt. Saß direkt neben mir, hatte Over-Ear-Kopfhörer auf und telefonierte lautstark mit einem Mitarbeiter, um über irgendwelche Geschäftsabschlüsse zu diskutieren.

Ich steckte mir irgendwann Ohropax rein, um mir den Kasperkram nicht mehr anhören zu müssen. Werde ich das nächste Mal nicht tun, da werde ich ihn drauf hinweisen, er möge bitte woanders oder leiser telefonieren. Mir egal, um welche vermeintlichen Millionensummen es dabei geht. Er hat andere damit in Ruhe zu lassen.

Worauf ich aber eigentlich hinaus will: In Barcelona und Porto ist mir niemand aufgefallen, der auf Business-Kasper gemacht hätte. Hier ging es den Leuten offensichtlich darum, sich gemäß ihres persönlichen und nicht beruflichen Stils zu kleiden und zu stylen. Und das tun die Leute dort in meinen Augen ziemlich gut und bei allem guten Aussehen auch: irgendwie auf entspannte Art.

Dieses Zurschaustellen, wie wichtig man bei der Arbeit ist, scheint ein deutsches Phänomen zu sein. Komisches Land.

Die deutsche Nationalmannschaft spielt derzeit nicht gut, verlor vergangene Woche zum ersten Mal überhaupt ein WM-Qualifikationsspiel in der Ferne, mit 0:2 in der Slowakei. Und was machen die „Fans“? Haben nichts Besseres zu tun, als drei der Spieler rassistisch zu beleidigen.

Wer sowas macht, hat einen Sieg seiner Mannschaft nicht verdient, geschweige denn die Weltmeisterschaft. Punkt.

Es war Basketball-Star Dennis Schröder, der neulich sagte: Egal wie gut er spiele, egal wie erfolgreich er in seiner Karriere noch würde: Er würde alleine aufgrund seiner Hautfarbe in Deutschland niemals die gleiche Liebe abbekommen wie seinerzeit Dirk Nowitzki.

Nowitzki ist natürlich eine Legende und zweifellos der bislang beste deutsche Basketballspieler aller Zeiten. Aber Schröder? Für einen deutschen Spieler bisher äußerst erfolgreich in der NBA. Er war die treibende Kraft in der deutschen Nationalmannschaft, als die 2023 sensationell und zum ersten und wahrscheinlich einzigen Mal Weltmeister geworden war. Als man im Halbfinale sogar die USA rausgekickt hatte. Und er ist einer, der den Mund aufmacht, das Trading-System der NBA etwa öffentlich kritisiert.

Menschen mit nicht-weißer Hautfarbe in Deutschland: Wenn sie erfolgreich sind: unsere Helden! Wenn sie mal einen schlechten Tag haben oder mit einem schlechten Team zusammen verlieren: dann werden sie wegen ihrer Hautfarbe diskriminiert, nicht wegen ihrer Leistung kritisiert.

Und wieder: komisches Land.

Ja, gibt es anderswo auch, leider. Aber irgendwie dachte ich lange, wir könnten besser als das sein. Können wir nicht.

3 Antworten auf „Business-Kasper im Anzug“

Moin Jürgen!
Diese Kasper sind multinational, und sind vielfach auf den „normalen“ Linienflügen anzutreffen.
Die Unterschiede zw. DE-, UK-, bzw. FR-Kasper sind marginal, es kann also evtl. an den Geschäftsmodellen liegen, wo solche Typen gefördert werden.
Lohnt nicht sich zu ärgern – und mit einem Streit gewinnst du da nichts, (Selbstbewusst und nicht auf den Mund gefallen sind die ja), außer sich den Tag nachhaltig zu verderben.
Meine Strategie ist, sichtbar schmunzelnd mit dem Kopf schütteln und Abstand nehmen, dass löst ehrliche Unverständnis und meist eine Absenkung der Lautstärke aus.

Schöne Grüße,
Boris

Hi Boris, schön mal wieder was von dir zu hören. 🙂 Hoffe, es geht dir gut! Tut es?

Dein Ansatz gefällt mir, so spart man sich Ärger. Aber ich glaube, mit: „Entschuldigen Sie, würde es Ihnen wohl etwas ausmachen, etwas leiser oder woanders zu telefonieren?“ breche ich auch noch nicht gleich einen Streit vom Zaun. Er weiß dann sogar, was das Problem ist und kann entsprechend darauf reagieren. Wenn er dann „nö“ sagt, dann kann er einen Streit haben. Aber ich glaube, das würden die wenigsten tun.

Ja, ist sicher einige Monate her 🙂
Jou, mir geht es gut, erstaunlicherweise, wenn man sich das Weltgeschehen so anschaut. Aber glücklicherweise läuft die Arbeit auf Hochtouren, wie bei allen die in/mit Nahrungsmittelindustrie tätig sind. Aber es wird nicht einfacher da die EU (nicht das Konzept, sondern der sich von den Ländern und der Bevölkerung entkoppelnde Bürokratie-Apparat) uns immer mehr Probleme schafft die mit der Realität nichts zu tun haben. Aber wie gesagt, es läuft… 🙂
Nur die allgemeine Kriegshysterie macht mir zunehmend Sorgen, aber was kann man machen, außer zur Demo zu fahren?
Bzgl. der gezielten Ansprache der Störer magst du Recht haben, ist mir persönlich aber zu viel „Aufwand“ – ich als „zartbesaiteter“ beschäftige mich danach innerlich noch halben Tag damit.

Schreibe einen Kommentar zu Boris Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.