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Corona Pros & Cons

Krise, welche Krise? Heute auf dem Frankenbadplatz vor meinem Haus war Stimmung wie immer. Straßenmusiker spielten die Rolling Stones, der Caféwagen war wie immer da, die Kinder tobten, die Leute saßen in Gruppen zusammen und tranken Bier. Es war ein wunderschöner, sonniger Tag, die Stimmung ansteckend. Alles wie immer, könnte man fast meinen. Man muss nur das Beste draus machen.

Und mittlerweile kann ich der Corona-Geschichte sogar Positives abgewinnen. Seit klar ist, dass wir uns einschränken müssen, spüre ich einen beinahe ungekannten Zusammenhalt in meinem Haus. Die WhatsApp-Gruppe ist aktiv, eine Nachbarin aus dem Nebenhaus, die ich gar nicht kannte, hängt einen Zettel auf, in dem sie anbietet, für eingeschränkte Personen einkaufen zu gehen. So viele Gespräche mit Nachbarn (aus sicherer Entfernung) wie in den letzten Tagen habe ich schon lange nicht mehr geführt. Wir bieten uns gegenseitig Hilfe an. Corona schweißt zusammen.

„Ist dir was aufgefallen?“, meinte mein Nachbar im Treppenhaus dann noch: „Plötzlich redet keiner mehr von einer Flüchtlingskrise.“ Oder überhaupt von irgendwas anderem. An einer Straßenecke fällt mir die Werbung eines Internetproviders auf: „Endlich WLAN in jeder Ecke deiner Wohnung“. Vor zwei Wochen noch hätte mich das brennend interessiert. Heute reicht es mir, in meinem Arbeitszimmer WLAN zu haben und die Leitung mit zwei Nachbarn teilen zu können, ohne große Einbußen zu haben.

Ich denke viel an meine Ex-Freundin. Erst vor zwei Wochen haben wir beschlossen es zu beenden, weil es irgendwie schwierig geworden war. Heute würde ich mir wünschen, sie wäre hier. Die Prioritäten haben sich komplett verschoben, alles andere wirkt so klein. Wie so oft merken wir wohl erst in Zeiten der Krise, was wirklich wichtig ist.

Gegen Abend ist die goldene Stimmung dann aber auch schnell vorbei. Mit den schnell fallenden Temperaturen verschwinden die Leute. Ich gehe noch einmal zum Supermarkt etwas einkaufen, auf dem Weg dahin begegne ich nur einem kleinen Mädchen, ihrem Hund und ihrer Mutter. Wir gehen alle auf Distanz. Eine Frau wandert langsam durch die Straßen, das Licht an ihrem Smartphone dauerhaft eingeschaltet. Es wirkt bizarr. Die Straßen sind deutlich leerer als sonst, die Restaurants, die noch geöffnet haben, natürlich auch. Dafür umso mehr Polizeipatrouillen. Ich sehe in der kurzen Zeit 5 Streifenwagen durch das Viertel fahren. Es herrscht eine fast gespenstische Stimmung und noch ist nicht einmal eine Ausgangssperre beschlossen.

Im Edeka das gleiche Bild wie im Penny heute Nachmittag. Einzelne Lebensmittel und Bedarfsgegenstände sind überall ausverkauft. Seife gibt es so gut wie keine mehr, Klopapier ist völlig aus. Selbst Waschmittel finde ich kaum noch. Eine Frau an der Kasse neben mir beklagt sich, dass es in keinem Supermarkt mehr Mehl gäbe. Auch Pasta wird knapp. Toilettenpapier-Memes fluten die sozialen Netzwerke, Desinfektionsmittel gibt es schon seit Tagen nicht mehr.

Das sei nur ein logistisches Problem, sagen Politiker und die Handelsketten. Es herrsche kein Notstand. Nun ja, aber offenbar doch, sonst gäbe es ja was. Notstand kann auch durch Hamsterkäufe verursacht werden. Und was ist eigentlich, wenn im Sommer Erntehelfer fehlen, weil jedes Land in Europa gerade seine Grenzen willkürlich dicht macht und Arbeitskräfte fehlen? Da herrscht ein völliges Gegeneinander, kein Miteinander.

Mittlerweile hat die Zahl der Infizierten in Deutschland 7.000 überschritten. Von gestern auf heute ist Zahl enorm geklettert. Das ist dieses exponentielle Wachstum, von dem man viel gelesen hat, aber es nicht wahrhaben wollte. In wenigen Tagen werden wir hier italienische Verhältnisse haben, die Maßnahmen werden verstärkt werden müssen. Das wird den Leuten nicht gefallen. Und schlechte Stimmung ist ebenso ansteckend wie gute.

Noch bin ich frohen Mutes. Es könnte schlimmer sein. Das Wetter könnte schlecht sein, man hat mir eine Jobgarantie ausgesprochen (die natürlich auch nur solange gilt, wie mein Hauptauftraggeber noch Umsätze macht). Aber ob wir wirklich, wie erhofft, Ende April mit allem durch sein werden, Staatshilfen uns gerettet haben und wir weiter machen können wie bisher: das ist eben die große Frage.

Aber vielleicht müssen wir auch gar nicht weitermachen wie bisher. Vielleicht haben wir dann endlich das Miteinander neu gelernt.

2 Antworten auf „Corona Pros & Cons“

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