Am ersten Tag der Ausgangssperre gehe ich um fünf von Zehn spazieren und treffe einen Freund auf dem Fahrrad, der gerade nach Hause hastet. Ein Auto brettert geschätzt mit 80 über den Ring, die Straßenbahn wenig später ist kaum langsamer. Um Punkt zehn ist Schicht im Schacht. Nur noch vereinzelt treffe ich ein paar andere Spaziergänger. Nachts schlafe ich so gut wie schon lange nicht mehr. Es ist himmlische Ruhe.
Jetzt, ein paar Wochen später, spielen gerade noch ein paar Jungs Basketball auf dem Frankenbadplatz vor meiner Wohnung. Es ist 22:20 Uhr. Die Tage sehe ich den gleichen Freund, der damals um kurz vor zehn nach Hause gehuscht ist, um 22:30 Uhr noch in einer Gruppe von Freunden an einem beliebten Treffpunkt stehen. Ein paar andere Kleingruppen vorbei, alle mit einem Auge auf das Ende der Straße gerichtet, wohin eigentlich zu jeder Zeit das Ordnungsamt hätte abbiegen können und jeder dann schnell hätte so tun müssen, als wäre er nur alleine unterwegs.
Es ist eine witzige Zeit, ich werde sie tatsächlich vermissen. Genauso wie ich auch diese Zeit ohne FOMO vermissen werde. Niemand kann etwas verpassen, weil einfach nichts passieren kann. Ist noch schwer zu sagen, ob wir nach Corona alle von FOMO befreit sein werden oder ob das Gefühl einfach nur pausiert.
Ich finde die Ausgangssperre nicht sonderlich einschränkend. Ich muss meine Tage etwas umplanen, dann geht das schon. Vor allem hat sie mir noch einmal in Erinnerung gerufen, was Freiheit eigentlich ist: Die Möglichkeit, jederzeit das tun und lassen zu können, was ich will, selbst wenn ich es dann letztendlich gar nicht tue. Komischerweise war FOMO für mich oft ein Stück weit Bremse dieser Freiheit: Kannst du eigentlich guten Gewissens den Samstagabend lesend und fernsehend zu Hause verbringen, während deine Freunde voll coole Sachen irgendwo anders machen?
Früher bin ich deswegen öfter noch spontan raus oder hab vorsorglich schon ein paar Tage früher etwas mit Freunden organisiert. Und mich hinterher manchmal ein wenig geärgert. Der gemütliche Abend auf der Couch wäre mir im Nachhinein lieber gewesen.
Gestern bin ich spontan in die Vulkaneifel gefahren. Eigentlich keine große Sache. Ich wollte erst wandern, dann wurde es etwas zu spät. Aber ich fahre auch gerne Auto, und schon das versprach eine willkommene Abwechslung zu werden. Und so fuhr ich eine Stunde Richtung Süden, kam am Nürburgring vorbei und lief um die Ulmener Maar und den Jungfernweiher. Es war nichts mehr als ein Abendspaziergang mal woanders. Und es war toll.
Moral von der Geschicht? Man nimmt sich seine Freiheit sowieso irgendwann, und vielleicht tut es ganz gut, mal eine Zeitlang auf sie verzichten zu müssen. Damit man dann weiß, was man an ihr hat.
—
2 Antworten auf „Curfew and freedom“
??
Musste erstmal nachschauen was FOMO bedeutet.
Da leide ich wohl nicht drunter… ?