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Westerwelle

Die Bezirksvertretung Bonn beschloss in einer bemerkenswerten Abstimmung, die Viktoriabrücke (die übrigens nach einer Victoria benannt war, auch mal interessant) in Guido-Westerwelle-Brücke umzubenennen.

Das kann man kritisieren, zumal damit die einzige Brücke in Bonn, die nach einer Frau benannt war, jetzt auch nach einem Mann benannt wird (nach der Konrad-Adenauer-Brücke, der Kennedybrücke und der Friedrich-Ebert-Brücke). Fortschrittlich ist das nicht gerade.

Andererseits war Guido Westerwelle ein begnadeter Rhetoriker und der geborene Oppositionspolitiker, der zweifellos viel zu früh an Krebs verstarb.

Die Brücke, die nun seinen Namen tragen soll, führt in die Bonner Weststadt und an ihrem Ende in Richtung Altstadt müssen Radfahrer stets ein paar Bodenwellen passieren. Es versteht sich folglich von selbst, dass wir sie liebevoll „Westerwelle“ nennen werden.

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Israel

Zum Wiederaufflammen der Gewalt in Israel und dem Gaza-Streifen ist alles gesagt, nur noch nicht von jedem.

Ich finde es derweil erstaunlich, wie schnell und eindeutig sich viele Menschen auch hierzulande auf eine der beiden Seiten geschlagen haben. So als hätte es die Spirale der Gewalt in den letzten Jahrzehnten nie gegeben.

Wer jetzt die Idee für eine schnelle Lösung hat, der möge bitte noch einmal ganz genau hinschauen, was u.a. alles in den 1990er-Jahren gerade von einem Jitzak Rabin und einem Jassir Arafat unter enormen Anstrengungen für den Frieden in der Region schon einmal unternommen wurde und wie wenig davon nach Rabins tragischer Ermordung noch bestehen blieb.

Wie würden, ganz nebenbei, wir reagieren, wenn wir so etwas erleben würden wie Israel am 7. Oktober? Würden wir dann einfach sagen: „Ja, ist ja klar, sind wir selber Schuld, dass die sich radikalisiert haben und zu tausenden unser Land überfallen, hunderte ermorden, egal ob Frauen, Kinder, Greise. Jetzt fangen wir dann mal an, die Grenzen wieder zu öffnen und halten neben der rechten auch die linke Wange hin.“

Würden wir? Wirklich?

Ein Teil von mir hofft natürlich trotzdem inständig darauf, dass die geplante Bodenoffensive Israels in den Gaza-Streifen, die nun auch schon einige Tage auf sich warten lässt, ausfällt wegen: lassen wir einfach mal.

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Harry

Hatte heute ein langes Telefonat mit einer Sozialarbeiterin, die Harry wohl schon länger betreut, auch schon vor Jahren, als er schon einmal auf der Straße lebte.

Details darf ich natürlich keine veröffentlichen, aber sagen wir so: Es bemühen sich offenbar weit mehr Menschen um ihn, als es für mich den Anschein hatte. Einiges ist halt komplizierter, als es auf den ersten Blick scheint. Es wird versucht, ihn noch vor dem Winter, der ja mit Riesenschritten naht, in eine Unterkunft zu bekommen. Und vielleicht kann ich wenigstens versuchen, ihm da gut zuzureden; viel mehr kann ich wohl auch nicht tun. Das muss er natürlich selbst auch wollen.

Nach all dem, was ich jetzt gehört habe, ist auf jeden Fall mein Vertrauen in dieses Land ein Stück weit zurückgekehrt. Hier wird doch nicht einfach jemand allein sich und den Elementen überlassen. Immerhin, muss man sagen. Es ist noch Hoffnung da.

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Pubquiz

Interessanter Abend. Ich bin heute Morgen gegen Covid und Grippe geimpft worden und merke seit heute Nachmittag einiges davon. Wollte trotzdem natürlich meine 10.000 Schritte gehen und schlenderte auf dem Rückweg durch die Altstadt an der Pinte vorbei, wo ich Torsten in Mitten einer Gruppe seiner Freunde traf.

Eins führte zum anderen und man überredete ich, noch am Pubquiz teilzunehmen. Einiges konnte ich beisteuern (die Frage nach der Westerwelle-Brücke kam tatsächlich auch), für einige Fehler sorgte ich aber auch – ich dachte, Christian Lindner wäre in Düsseldorf geboren, statt dessen stammt er aus Wuppertal.

Gewonnen haben wir tatsächlich trotzdem. 😅 Und ich glaube, das liegt schlicht an der Spontaneität, der Ungeplantheit des Ganzen und dem Unvermögen der anderen. Man zahlte uns den Gewinn in Flüssigkeit aus – ich verabschiedete mich aber noch vor Genuss des Pitchers:

Christian Lindners Geburtsort habe ich dann noch gegoogelt, und – meine Güte – die ähnlichen Fragen bei Google. 🤣

Die 10.000 Schritte vermeldete die Fitbit dann auch noch, 100 Meter, nachdem ich das Pub verlassen hatte.

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Shirukid

Auf dem Nachhauseweg kam ich noch am Aksoy vorbei. Die jungen Leute hinter mir packten in der Zwischenzeit eine Actioncam aus und sprachen davon, jetzt hier eine Szene drehen zu wollen. Ich fragte: wovon? Sie sagten, sie würden ein Musikvideo drehen. Von wem, fragte ich? Von mir, sagte der supernette Künstler fröhlich.

Ich fragte nach Name, Stilrichtung und ob er berühmt sei. Na ja, geht so, sagte er. Er heiße übrigens Shirokid und ich könnte einen Sticker mitnehmen und mal reinhören, wenn ich wollte. Wollte ich.

Hab tatsächlich schon weit Schlechteres gehört!

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Der alte Mann, der in der Bushaltestelle wohnt

… tut das jetzt seit ungefähr zwei Wochen mehr oder weniger direkt vor meinem Fenster. Das geht gewissermaßen problemlos, weil für die nächsten Jahre keine Busse hier lang fahren, weil die Bornheimer Straße umgebaut wird. Herrlich übrigens, ohne Busse schläft es sich viel ruhiger.

Aber zurück zu dem alten Mann. Der ist offensichtlich obdachlos, entspricht allerdings so gar nicht dem Klischee eines Obdachlosen. Zum Beispiel trägt er Chucks, einen recht hippen Bart und eine modische Brille, wenn er liest. Und das tut er viel, was ich so sehe, auch ziemlich dicke Schinken von Dan Brown und Co.

Nachdem ich ihn zwei Wochen lang umkreist habe, die letzten Nächte aber übel kalt waren, dachte ich heute nach dem Sport: Komm, sprichste ihn einfach mal an und fragst, ob er was braucht.

Er saß da nicht alleine, ein anderer Mann aus der Nachbarschaft sitzt da öfter mit ihm. Der Alte sagte, er sei hier nett aufgenommen worden, die meisten Bonner seien nett. Jeden Morgen brächte ihm einer einen Kaffee von der Bäckerei mit. Warm genug wäre ihm auch. Auf seinem Sack und Pack lag ein Fladenbrot. Wir unterhalten uns noch keine zwei Minuten, da kommt eine Asiatin vorbei und drückt ihm eine Box mit gebratenen Nudeln in die Hand. Na sowas.

Er erzählt noch ein wenig davon, wie er dort gelandet ist und fragt, ob mein E-Bike ein Besseres wäre. Das sähe so aus. 🙂 Meine Hilfe brauch er aktuell nicht, aber: vielen Dank!

Ich glaube, ich werde ihm mal Hummus vorbeibringen, ist kurzfristig das Beste, was ich für ihn tun kann. Wer ist denn schon gerne Fladenbrot ohne alles?

Und, ach ja, einem Redakteur vom Generalanzeiger habe ich auch Bescheid gestoßen.

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Urlaub

Auch noch nicht erlebt: Ich fand im Netz nach etwas Suche ein richtig schickes und noch bezahlbares Trekking-Rad mit 11-Gang-Nabenschaltung. Und noch während ich mich heute Abend auf mein altes Rad schwang, um einmal darüber nachzudenken, ob ich bereit wäre, so viel Geld dafür auszugeben, waren alle verfügbaren Modelle ausverkauft und erst wieder in 6 Wochen lieferbar. ?

Macht aber wahrscheinlich eh nichts, weil ich mir gerade offenbar etwas eingefangen habe. Scheine krank zu werden. Dabei hat der Urlaub doch noch gar nicht angefangen…

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Rechtschreibung

Sieht man ja oft so geschrieben, sieht für mich falsch aus, aber die Regel musste ich auch erst einmal im Duden suchen (Zusammen- und Getrenntschreibregel D59 (!)):

„Wenn der substantivische Bestandteil aus einer Wortgruppe verkürzt worden ist, schreibt man zusammen. Oft ist der Artikel und/oder eine Präposition weggelassen worden.“

Gilt demnach für Wörter wie „mondbeschienen“ (eigentlich: vom Mond beschienen) und „sagenumwoben“ (eigentlich: von Sagen umwoben) und für mein Verständnis auch für „videoüberwacht“ = per oder von (einer) Video(kamera) überwacht.

Also klein und zusammen. Aber wer beherrscht schon all diese Regeln…

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Live-Kunst

Der Hund ist echt und lag da am Fenster des Ateliers rum. Ob Teil der Ausstellung, konnte ich auf die Schnelle nicht ermitteln. Passte aber irgendwo. ?

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Ich, oder was? ?

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Where do you belong?

Langes Telefonat heute mit Nicky, in dem ich mich connected gefühlt habe. Beste Freundin, deep talk, groß! Ich kam währenddessen zufällig an den chillfeiernden Leuten am Soundbike unterhalb der Beethovenhalle vorbei. Fand es schön, fühlte mich für den kurzen Moment gut dort, auch irgendwie connected, aber ging weiter, weil wir ja spazifonierten (Kunstwort aus Spazierengehen und Telefonieren).

Auf dem Rückweg kam ich wieder dort vorbei. Die offizielle Veranstaltung war beendet, aber einige Leute feierten noch. Unser Telefonat war mittlerweile beendet. Plötzlich fühlte ich mich hier fehl am Platze, gar nicht mehr aufgehoben, disconnected.

Sonderbar.

Und die Frage kam auf, wohin und zu wem ich eigentlich gehöre. Welche Stadt, welche Menschen, welche Circles, Freunde, Familie? Könnte man an einem anderen Ort leben, an dem man niemanden kennt, und sich trotzdem verbunden fühlen? Wie macht ihr das? Zu wem gehört ihr, und woher wisst ihr, wo ihr hingehört?

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Mich ruft nur selten mal jemand an, ich auch niemanden, folglich telefoniere ich äußerst selten und noch viel viel seltener länger als fünf Minuten. Aber wenn ich das dann doch mal tue, ruft in der Zeit garantiert noch jemand an.

Heute in den zwei Stunden, die ich mit Nicky telefoniert habe, haben gleich drei Leute insgesamt viermal versucht, mich anzurufen. Das kann doch kein Zufall sein!

Sobald ich das Smartphone ans Ohr halte oder die AirPods aufsetze, scheint irgendwo im Universum ein Signal an Freunde und Bekannte ausgesendet zu werden: Hey, den Jürgen könntet ihr mal wieder anrufen, jetzt ist ne gute Zeit dafür!

Oder so. ??‍♂️

Ist übrigens alles nicht schlimm. Mal abgesehen davon, dass ich viele andere Dinge lieber tue als zu telefonieren, freue ich mich trotzdem über jeden Freund, der es versucht und mit mir was starten will. Drei Anrufe heute kamen von Freunden, die mit mir ein Bier trinken wollten. ? And in that moment I felt like I belong…

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Antenne Deutschland hat den ersten, von einer KI-moderierten Radiosender gestartet. Der heißt Absolut Radio AI, und das ist genauso schlimm, wie es sich anhört. Also nicht, dass irgendjemand das von Berufs wegen anscheinend geforderte, dauerfröhliche Gesabbel von Radiomoderatoren vermissen würde – aber dann halt irgendwo doch. Zum einen hört man, dass da eine Maschine spricht, zum anderen ist der vermittelte Inhalt gar noch viel, viel seichter, quasi unanhörbar. Aber warte, das sind 1live und WDR2 mittlerweile auch.

Warum müssen im Radio alle immer gut gelaunt sein und alles toll finden, was da draußen so passiert? Gebt mir mal jemanden, der mies gelaunt ist, und ich schalte mal wieder ein. Bis dahin komme ich irgendwie auch ziemlich gut ohne Radio klar. Mehrere Jahre jetzt schon. ?

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Fotos vom Abendspaziergang:

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Die Evolution hat jetzt irgendwie für diese neuen Deckel gesorgt. Und so praktisch und wahrscheinlich umweltfreundlich die auch sein sollen: Ich mag die irgendwie nicht…

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Kate Miller-Heidke: Zero Gravity (2019)

Es gibt nicht viele Eurovision-Songs, die einem nicht nur gefallen, sondern sogar nachträglich im Gedächtnis bleiben. Aber der hier hat mich damals komplett weggeflasht. Beim ersten Mal Hören dachte ich mir: What the hell is that? Beim weiten Mal: Ach… Und dann hat es mich vollkommen aus den Latschen gekippt. Kann nicht genau sagen warum. Aber vielleicht sollten wir mal eine Liste mit ESC-Beiträgen dieses Jahrtausend machen, an die ihr euch noch erinnern könnt, weil es tolle Songs waren oder einfach die Show herrlich war – oder sogar beides.

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Eifelpilgern

Ich wollte eigentlich ganz viel von der Eifel und meine kleine Pilgertour letztes Wochenende erzählen, aber jetzt bin ich hier, zurück in der Stadt, und es fühlt sich an, wie aus einem anderen Zeitalter. Als wäre das nicht ich gewesen, der da drei Tage lang von Bad Münstereifel bis Prüm unterwegs war. Verrückt. Ich muss in Stichpunkten weiterschreiben, etwas anderes kriege ich gerade nicht hin:

  • Es war sehr, sehr schön!
  • Ich mag die Eifel und ihre Menschen
  • Bin ich dort, frage ich mich, warum ich eigentlich nicht immer da bin. Oder zumindest jedes zweite Wochenende da wandern.
  • Gelaufen bin ich 1x 20, 1x 30 und noch einmal 30 km, also 80. Paar Umwege muss man dazurechnen und 5km waren nicht Teil der Strecke, ich wollte mir die Wartezeit für einen Bus sparen.
  • 30km zu wandern, ist nur beim 1. Mal schlimm, bei zweiten dann keine große Sache mehr. Vielleicht lässt sich das skalieren. ?
  • Vor allem Blankenheim und Kronenburg sind verdammt hübsche Orte!
  • Beinahe noch schöner ist aber der Weg dazwischen. Selbst wenn es nur der Löwenzahn ist, der da gelb blüht.
  • Regen und heftige Steigungen gab es zum Glück nur wenig.
  • Wenn ich pilgere, egal ob zu Fuß oder mit Rad, brauche ich viel weniger Schlaf und komme morgens viel leichter raus.
  • Post-Pilger-Syndrom hat mich gleich heute ereilt. Was soll das alles hier, warum kann ich nicht wieder in der Natur sein?

Ich glaube, es ist vor allem die Schlichtheit, die Pilgern so genial macht. Du hast genau 1 Ziel vor Augen. Du musst dich nicht mit tausend Dingen auf der Arbeit oder dem Alltag herumschlagen. „Wem muss ich noch auf seine E-Mail antworten? Was koch ich heute Abend?“ Alles egal. Du musst einzig und allein von Punkt A nach Punkt B kommen, und nichts weiter. Sollte immer so sein. Warum machen wir uns mit allem anderen das Leben so schwer?

Mehr fällt mir dazu nicht ein. Deswegen heute nur noch ein paar Bilder von dem Ganzen:

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Nochmal 20 sein mit dem Wissen von heute?

Cooler Abend gestern mit Christian und Jasmin. Drei Mittvierziger hauen noch einmal (ein bisschen) auf den Putz. Irgendwann stellte Jasmin die Frage, ob wir uns auch manchmal fragten, wie es wäre, nochmal 20 zu sein, aber mit dem Wissen/Mindset von heute.

Ja, fragten wir uns. Und schon das finde ich interessant. Dass sich Menschen im etwa gleichen Alter mitunter genau die gleichen Gedanken machen. Heißt wahrscheinlich auch: Alles, was ich so an vermeintlich bahnbrechenden Erkenntnissen hier ins Blog reinkritzele, haben andere in meinem Alter in Wahrheit auch, bzw. Generationen von Menschen schon vor mir gehabt. Na denn…

Aber nochmal 20 sein und heute schon wissen, wie der Hase läuft, das wär’s doch, oder? Dann würde man das doch komplett ownen.

Je mehr ich darüber nachdenke, desto weniger glaube ich aber, dass das so ist.

Zum einen weiß ich noch lange nicht, wie der Hase läuft. ??‍♂️ Sonst wäre ich vermutlich nicht in dieser sonderbaren Lebenssituation, in der ich bin.

Zum anderen sind die Dinge heute nicht unbedingt einfacher als damals. Ich hatte zum Beispiel damals schon keine Idee, was ich aus meinem Leben machen soll. Wie sollte das erst heute sein, wo es gefühlt zehnmal so viele Studien- und Ausbildungsmöglichkeiten gibt? Ich hätte genauso keine Ahnung und würde am Ende auf Verdacht irgendwas nehmen, was gut klingt.

Weniger drauf geben, was andere sagen oder von einem denken. Anderen Menschen mal was Nettes sagen, aufmerksam zuhören, weniger verbissen in Dinge gehen, Perfektionismus sein lassen, weniger wollen oder einfach mal Entschuldigung sagen, wenn man was Dummes getan oder gesagt hat. Das sind Erkenntnisse von teils weit später. Sich mit allen Stärken und Schwächen akzeptieren, die man hat oder überhaupt erstmal erkennen, wer man eigentlich ist: vielleicht die schwerste Übung überhaupt im Leben. Stimmt schon, das könnte nicht schaden, alles schon mit 20 zu wissen.

Aber so ist das Leben nun einmal nicht. Man kann auch nicht einfach nochmal 20 sein, es geht schlicht nicht. Nur sich ein wenig vom Mindset der heute 20-jährigen abschauen und mit dem Wissen von heute garnieren. Das wäre gar nicht so dumm. Man muss das Leben der heute 20-Jährigen jetzt nicht mehr leben (das hielte man auch nicht lange durch) und auch nicht die Fehler noch einmal machen, die sie noch begehen werden. Aber mit all dem Wissen, das man jetzt endlich hat, muss auch das Leben als Mittvierziger keinesfalls schlecht sein.

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Ein Kumpel von mir ist 20. Er macht gerade eine duale Berufsausbildung. Und jetzt am Wochenende schenkt er bei einem Festival Bier aus, weil er da leicht Geld verdienen kann und die Ausbildung auch nicht auslastet. Er hat in viele Berufe schon reingeschnuppert, unter anderem in Floristik, aber heute würde er lieber was machen, wo er mehr Geld verdienen kann, sagt er, deswegen macht er was mit Finanzen. Er setzt sich täglich mehrere Erinnerungen, um seine selbst gesteckten Herausforderungen zu erfüllen. Er macht viel Sport, coacht auch Jugendliche, trinkt nicht, ist viel unterwegs, hat einen klaren Plan von den Dingen, die er in den nächsten Jahren erreichen will, ist nett, höflich, hilfsbereit, hat beinahe unbegrenzt Energie – und hat Spaß dabei.

Joa, also auch so kann das Leben eines 20-Jährigen heute aussehen. Finde ich beeindruckend, ich hab mit 20 vielleicht ein Zehntel davon gemacht. Vielleicht ownen uns Mittvierziger einige schon mit 20. ?

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Wiederentdeckt: Jet: „Get born“ (2003). Für mich eins der besten Rock-Alben aller Zeiten.

Aller Zeiten, wirklich, obwohl 2000er? Ja, durchaus. Zum einem gibt es keinerlei Ausfall auf der ganzen Platte, dafür feinsten Rock’n’Roll, beeindruckende Balladen und natürlich den Gassenhauer „Are you gonna be my girl“. Mir gefallen aber auch die Texte. Das ganze Album ist ein einziges Liebeslied an das Leben, nicht nur das Jungsein:

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Hofgarten. Bonn really is a beauty sometimes:

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Lesen erdet

Wenn Schluss ist, spielt das innere Team Theater. Alles nicht so schlimm, sagt eine innere Stimme, jetzt bist du wieder frei, eine andere. Ein wenig Panik stieg heute in mir auf bei dem Gedanken daran, alleine zu sein, zu keinem Kreis dazuzugehören, oder anders gesagt: niemanden zu haben, der sich für mich interessiert. Warum genau das mit solche Angst bereitet, konnte ich leider ad-hoc nicht herausfinden.

Schmerz zuzulassen ist wichtig und richtig. Aber heute habe ich also auch die Grenzen dieser Idee kennengelernt. Was ist, wenn dann nicht Trauer aufsteigt, sondern Angst, und kein Mittel da ist, um sie wieder abzustellen?

Ich ging mein Telefonbuch durch und suchte nach Namen, die ich im Notfall anrufen könnte, wenn ich nicht mehr weiter wüsste. Ich fand zum Glück einige.

Weil ich mich aber immer noch nicht lange ablenken oder den Schmerz betäuben wollte, begann ich schließlich zu lesen. Wolfgang Herrndorfs seinerzeit postum als Buch veröffentlichtes, aber weiterhin online verfügbares Blog „Arbeit und Struktur„. Es ging mir nicht direkt gut damit, aber sofort deutlich besser.

Für einen Journalisten lese ich sehr selten Prosa. Dabei macht mir das bei guten Romanen sehr oft sogar richtig Spaß und ich lerne viel guten Stil davon. Und doch muss ich mich immer wieder ein Stück weit dazu zwingen, mir ins Gedächtnis rufen, dass Lesen mich erdet. Anders als Schreiben oder Spazieren/Wandern, was ich jeden Tag von selbst einfach mache. Schade eigentlich.

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It’s here!

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Erstmal wieder auf den Damm kommen

Drei Wochen ohne Sport. Ich hasse es. Bin nicht dafür gemacht, aber alle paar Jahre ereilt es mich. Eine Bronchitis, die meist nicht von alleine abklingt, sondern erst nach ein paar Wochen mit einem Kortisoninhalator. Es ist ätzend. Und ganz nebenbei habe ich schon 2 kg wieder zugenommen.

Immerhin: Ich weiß jetzt, was ich gut machen kann, wenn ich so platt danieder liege: Ein gutes Indie-Game spielen. Firewatch ist spannend, sollte schnell durch sein – und ich bin jetzt wirklich gespannt, was da noch kommt und wie es ausgeht.

Deutschland-Spiele sind auch nicht mehr das, was sie mal waren. Früher ging die Welt unter, wenn Schland verloren hatte. Heute ertappe ich mich in der 81. Minute bei dem Gedanken: „Wäre doch eigentlich ganz witzig, wenn sie jetzt verlieren würden. Dann überschlagen sich Medien und Experten in den nächsten Wochen mit Schwarzmalerei.“

Deutschland hat dann tatsächlich mit 0:1 verloren. Nur fürchte ich fast, dass das auch andere längst mit einem Achselzucken aufnehmen. War halt nur die Nations League, die Erwartungen sind eh niedrig nach dem Desaster 2018. Außerdem sind die Zeiten längst vorbei, in der sich Patriotismus in Deutschland alleine über den Sport äußern konnte. Alles nicht mehr so furchtbar wichtig heute.

Vielleicht auch schlicht nur, weil es gerade Wichtigeres auf der Welt gibt. Lachhafte Scheinreferenden in der Ostukraine, die Teilmobilmachung von „Wehrkräftigen“, für die sogar 60-Jährige nachts aus dem Tiefschlaf geklingelt werden. Irrsinn ohne Ende!

Die Netflix-Dokuserie „Chef’s Table: Pizza“ ist nicht nur sehr schön gemacht. Sie hat auch dafür gesorgt, dass ich heute – ohne Hunger zu haben – durch die halbe Stadt gelaufen bin, um mir eine (am Ende gar nicht sooo gute) Pizza bei der vermeintlich besten Pizzeria Bonns zu kaufen:

Nur nicht anders herum! ☝?

Nicky Blitz: Blast Off (2017). Für solche Songs würde ich echt gerne noch mal tanzen lernen. Was tanzt man dazu?!

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Wochenendtrips

Bin immer noch nicht völlig kuriert und in der Lage, klare Gedanken zu fassen. Deswegen hier eine völlig zusammenhanglose Liste:

  • Ich bin dabei, eine Bucketlist für Bonn zu erstellen.
  • Man soll Ziele haben im Leben, aber das Ziel muss ja nicht zwingend schon feststehen.
  • Ziel kann ja auch sein, erst herauszufinden, wohin es gehen soll.
  • Den Herbst könnte man deswegen eigentlich mal für ein paar Wochenendtrips nutzen. Das wäre ein moderater Anfang.
  • Mein Gefühl sagt mir: Belgrad, Griechenland, Kroatien, UK, Irland.
  • Einziges Hindernis wäre mein neu gefasster Vorsatz, jetzt 3x die Woche TT zu trainieren/spielen, um zu alter Form zurückzufinden. Und das würde bedeuten: auch am Wochenende.
  • Aber ich könnte als Kompromiss ja mal ganz klassisch die Herbstferien nutzen.

Gibt aber noch ein ganz anderes Problem: Wie reist man eigentlich im Jahr 2022 ökologisch und gleichzeitig preiswert? Hab mal nach Bahn-Verbindungen nach London geschaut: Ganz schön teuer! Fliegen? Kaum noch zu rechtfertigen, eigentlich, wenn es nicht auch Alternativen gibt. Wie macht ihr das?

Inventing Anna: Ist die perfekte Krankheitsserie. Kurzweilig, sehr leicht zu verstehen, unterhaltsam. Hat Schwächen, deswegen kommt sie wohl auch bei Kritikern nicht supergut weg. Wie sie in der vorletzten Folge Deutschland porträtieren, ist schlicht peinlich, weil zu 90% falsch. Wieso kriegen die Amis das auch im Jahr 2022 nicht hin, mal ein ganz normales Bild vom Ausland zu zeigen? Und immer die gleiche Leier: Aufstrebende Journalistin wittert den großen Scoop, geht zu ihrem CvD; CvD sagt: „nein du machst den Kaninchenzuchtverein, bringt mehr Auflage“, aufstrebende Journalistin muss ihren Scoop also hiemlich… jadijada.

Find’s aber ziemlich klasse, wie sie die narzisstische Persönlichkeitsstörung der Protagonistin darstellen. Denn das ist aus meiner Sicht gar nicht so falsch. Denn die meint, sie habe nur das Beste verdient, ist arrogant, verletzend, hat immer wieder Tobsuchtsanfälle (nebenbei: gut gespielt schon wieder von Julia Garner, gerade noch in Ozark gesehen), zieht trotzdem alle in ihren Bann, lässt ihre Mitstreiter:innen sogar zeitweise richtig aufblühen, lässt aber auch alle nach ihrer Pfeife tanzen, keiner kann sich so wirklich von ihr distanzieren oder glauben, dass sie eine Betrügerin ist.

Stellt man sie dafür zur Rede, ist sie nicht zu packen: „Ja gut, du regst dich jetzt auf, weil du die 60.000, die eigentlich ich bezahlen sollte, mit deiner Firmenkreditkarte vorstrecken musstest, weil sie meine gesperrt haben, und das Hotel schon mit seinen Schlägern hinter uns stand. Dann habe ich sie dir 3 Monate lang nicht zurückgezahlt, deine flehenden Anrufe und Nachrichten alle ignoriert, du hast deinen Job deswegen verloren und jetzt eine Klage am Hals. JA, SORRYIE! Ich hätte nicht gedacht, dass du deswegen jetzt so eine Bitch bist und mir gefällt im Übrigen dein Ton nicht.“

Also insgesamt: schon sehenswert!

Young Chinese Dogs: Sweet Little Lies (2013):

Leider verpasst…

Die Webseite dazu ist groß! Die argumentieren völlig schlüssig, warum jeder seinen Arbeitgeber beklauen muss, zumindest 1x im Jahr.

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Lernen

Ich lerne sehr viel im Moment. Über mich selbst, von Anderen. Ich weiß, dass es noch ein weiter Weg bis dahin ist, wo ich gerne sein würde, aber ich weiß auch, dass in einem Jahr alles anders sein wird. Besser, hoffentlich. Zumindest die Dinge, die ich beeinflussen kann.

Gemerkt, dass ich völlig verlernt habe, mit Frauen zu reden. Ich kann das auf eine geschäftige Art und Weise, aber nicht auf eine – sagen wir – romantisierende, flirtende Art.

Wer das dafür kann, ist mein Nachbar von oben. Das habe ich heute Abend gemerkt, als wir uns im Garten getroffen haben, unsere neuen Nachbarinnen dazu kamen und ihm praktisch nicht mehr von der Seite weichen wollten. Dabei hat er eigentlich nicht mehr gemacht, als die offenbar richtigen Sachen zur richtigen Zeit zu sagen. Sehr interessant und definitiv lernwürdig!

Ein Buch zu schreiben, ist doch noch einmal ein ganz anderes Kaliber als Bloggen oder journalistische Texte zu verfassen. Vor allem meine ersten beiden Kapitel lasen sich in der Buchvorlage viel zu langweilig. Musste ich noch einmal anders strukturieren, verdichten, Dinge ergänzen, andere weglassen, die Spannung steigern, Rätsel nicht sofort auflösen. Dürfte jetzt besser sein, aber das ganze Manuskript will jetzt noch einmal umgeschrieben werden. Wird viel Arbeit, macht aber Spaß. Das Lesen später hoffentlich auch.

Erinnert mich alles ein wenig an meine Abschlussarbeit damals. Das bis hierhin Gelernte anwenden. Das dürfte dann auch ganz gut werden. Aber es ist nichts, was das Genre neu erfindet. Das wird dann erst die nächste Stufe werden. Wieder einmal viel zu lernen.

Clever!

Nimm doch deinen E-Scooter gleich mit in den Penny:

Oder anders formuliert: Man kann sich oft viel mehr herausnehmen, als man gemeinhin annimmt.

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Don’t flee, own the place first!

Weggehen, um etwas Neues zu sehen, ist gut. Aber fluchtartig den Ort zu verlassen, an dem man 20 Jahre gewohnt hat, das fühlt sich auch wieder nicht richtig an. Mich hält nicht mehr viel hier, aber ich will auch nicht gehen mit dem Gefühl, mich zu sehr zurückgehalten, nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft, mir den Ort nicht zu eigen gemacht zu haben. Ich möchte gehen und sagen können: Jawoll! Hier hast du gewirkt, hier hast du richtig gelebt, das hier war deine Stadt.

Das Gefühl ist mir ein bisschen abhanden gekommen in den letzten Jahren.

Was müsste ich dafür noch tun?

  • Zunächst einmal meinen ganzen Shizzle auch wirklich zu Ende bringen. Minimieren to the max, Papierkram, Vergangenheitsbewältigung, Finanzielles. Ich will hier nicht eher weg, als bis das geklärt ist. Ich will aber auch keine fünf Jahre mehr dafür brauchen. Also los jetzt!
  • Ich will echte Freundschaften schließen mit den Leuten, die ich gerne getroffen habe. Vielleicht muss ich dafür noch lernen, wie das eigentlich genau geht, Freundschaften zu schließen ohne mich als Introvertierter komplett dabei zu verausgaben (bin ich nicht gut drin).
  • Oder überhaupt zu lernen, mit Menschen zu sprechen, ohne dabei zu verkrampfen. Wäre ja auch ein ganz hilfreicher Skill auf einer Weltreise.
  • Ich möchte noch wissen, wie sich das anfühlt, Teil einer Gruppe zu sein, statt immer nur Einzelkämpfer.
  • Die Nachbarin, die ich immer schon süß fand, fragen, ob sie mich heiraten will. 🙂 Natürlich wird sie nein sagen, aber dann habe ich es wenigstens probiert und sie wird mich nicht vergessen.
  • Mir selbst vergeben. Ich glaube, nur ich weiß, was das genau bedeutet und alles umfasst.
  • Ukulele-Unterricht nehmen
  • Tanzen lernen? Wäre eigentlich auch noch schön, weil ich das seit 30 Jahren immer schon wollte. Aber vielleicht will ich es in Wahrheit auch gar nicht dringend genug.
  • Die Lokalitäten in der Nähe ownen. Heißt: Im Nyx nochmal Rabatz machen, ein paar Kneipenabende im Pawlow, Flynn’s, der Wache. Das hier ist meine Hood!

Bin gerade im Anflug von Aktionismus noch einmal durch meine Wohnung gesprintet, um final alles wegzuschmeißen, was ich nicht mehr brauche. Ergebnis:

  • Küche: 1 Schnellkochtopfset (in 10 Jahren 1x gebraucht), eine Saftpresse, der kürzlich gekaufte Teebereiter (geht auch mit Stempelkanne)
  • Badezimmer: –
  • Flur: –
  • Wohnzimmer: – (allenfalls noch die Kommode, aber ganz überflüssig ist die auch nicht)
  • Schlafzimmer: meine Altlasten im Kleiderschrank: alte Bücher, Helfe, Zeugs, und das in rauen Mengen.

Mit anderen Worten: Ich bin eigentlich fertig mit dem Wegschmeißen bis auf das Zeug in meinem Kleiderschrank. Also heißt es jetzt: Lesen, lesen, lesen!

Meine rechte Handfläche zwei Wochen nach einer dreiwöchigen Radreise:

Häutet sich also. Interessant wird das aber erst im Vergleich zu meiner linken Handfläche, die im Vergleich dazu aussieht, als käme ich frisch von der Maniküre:

Warum, fragt man sich? Klar, die rechte Hand muss was mehr leisten. Sie bedient die wichtigere Hinterradbremse, die Gangschaltung und die reichlich benutzte Klingel (weg da, ihr Flaschen!). ☝?

Aber sonst? I don’t have the slightest.

Erwin Wurm Art in Bonn. I like:

The Bronx: Two birds (2017):