Gestern Abend musste ich kurz an eine Szene aus dem Film „13 Days“ denken. Auf dem Höhepunkt der Kubakrise 1962 will die US-Armee einen Aufklärungsflug über Kuba durchführen, um zu ermitteln, ob die Sowjetunion dort Langstreckenraketen mit atomaren Sprengköpfen stationiert hat. Sollte da auch nur ein einziger Schuss auf die Maschine abgefeuert werden, wäre das der Vorwand für die Hardliner, um in Kuba einzumarschieren und damit unter Umständen den Dritten Weltkrieg auszulösen. Präsidentenberater Kenny O’Donnell (gespielt von Kevin Costner) lässt sich daraufhin vor dem Abflug mit dem Piloten verbinden: „Was immer da oben passiert, Commander, Sie werden nicht abgeschossen werden!“ – „Na ja, wir werden unser Bestes tun, Sir!“ – „Sie haben mich nicht verstanden, Commander, Sie werden nicht abgeschossen werden, es wird nicht auf Sie gefeuert worden sein, es wird keine Rakete auf Sie gerichten worden sein. Verstehen Sie, Commander?“
Gestern Nacht höre ich die Abendnachrichten auf dem Smart Speaker im Bad und bei n-tv heißt es über die in Polen eingeschlagene Rakete en passant: „… würde der Nato-Bündnisfall greifen, was den Dritten Weltkrieg zur Folge hätte.“ Und dann weiter mit dem Wetter.
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Könnte ich ausrasten. Denn das ist zum einen eine Falschinformation, zum anderen gilt es, in solch einem Fall, besonnen zu halten und zu deeskalieren. Zwar gälte im Falle eines vorsätzlichen Angriffs auf einen Nato-Staat nach Artikel 5 des Nato-Vertrags das Beistandsgebot. Die Nato-Staaten haben sich dann untereinander abzustimmen, ob und wie sie reagieren wollen. Sie haben dann ausdrücklich die Erlaubnis, das mit Waffengewalt zu tun, sie müssen es aber keinesfalls. Also selbst wenn die Rakete vorsätzlich abgeschossen worden wäre, könnte man das cool abhandeln und müsste nicht zurückschlagen. Und ein Dritter Weltkrieg müsste – Gott sei Dank – schonmal gar nicht zwingend Folge eines solchen Irrläufers sein.
Wir können von Glück sagen, dass die Beteiligten und Betroffenen jetzt besonnen reagiert haben und von einer fehlgeleiteten, ukrainischen Boden-Luft-Rakete sprechen. Aber ganz ehrlich: Selbst wenn sie das nicht war, lohnt es sich nicht, die Situation deswegen eskalieren zu lassen. Polen ist nicht von Russland beschossen worden, weil es schlicht das Vernünftigste ist. Den Gefallen, da jetzt irgendwie zurückzuschießen, sollte man Russland auch nicht tun.
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Typ hinter mir an der Kasse murmelt unaufhörlich leise vor sich hin. Ah, der telefoniert, denke ich, es klingt so. Bis ich mich umdrehe und sehe, dass er gar kein Headset trägt und auch kein Handy am Ohr hat. Er brabbelt einfach nur vor sich hin, leise allerdings und völlig unaufdringlich, beinahe angenehm…
Ich sagte es schon einmal: Dass man heute nicht mehr auf den ersten Blick erkennen kann, wer freihändig telefoniert und wer mit sich selbst redet, sagt viel über diese Gesellschaft aus.
Dann wiederum: Wer hat nicht schonmal mit jemandem telefoniert und hinterher das Gefühl gehabt, gar nicht wirklich zu Wort gekommen zu sein? Derjenige hat sich einfach leergequatscht. Der Unterschied zwischen jemandem, der vor sich hin brabbelt und jemandem, der das am Telefon tut, ist also schlicht das Telefon. Ist das dann wirklich besser?
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Elon Musk schmeißt erst die Hälfte der Twitter-Belegschaft raus, verkündet dann das Ende der Home-Office-Option, was wiederum für Hunderte Mitarbeiter das Aus bedeutet, zusätzlich haben etliche leitende Angestellte das Unternehmen verlassen. Und von dem, was jetzt noch übrig ist, verlangt Musk totales Commitment, 80-Stunden-Wochen oder noch mehr. Also alles, was gegen die Vernunft und den wissenschaftlichen Rat spricht, der flexible Arbeitsorte, Work-Life-Balance, 4-Tage- und 30-Stunden-Wochen längst empfiehlt.
Und das alles komplett ohne Not. Twitter war jetzt nicht der Star unter den Silicon-Valley-Startups oder das finanzstärkste, aber es hat trotz der – in der Tat – hohen Mitarbeiterzahl von 7.000 irgendwie funktioniert. Und das jetzt als reichster Mann der Welt einfach vor die Wand zu fahren… 5.000 Menschen, die sich völlig ohne Not jetzt einen neuen Job suchen müssen. Was für ein kompletter Irrsinn!
Donald Trumps erneute Kandidatur, der letztlich doch knappe Sieg der Republikaner bei den Kongresswahlen und das Riesenbaby Musk mit dem Rotstift in der Hand. Nein, Amerika ist noch lange nicht über dem Berg…
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Morgen geht’s nach Berlin – was unpraktisch ist, da die Strecke zwischen Hannover und Berlin heute Morgen wegen einer Kollision zweier Güterzüge gesperrt ist und meine gebuchte Bahn deswegen ausfällt. Alternativen muss ich mir selbst suchen. Ich habe jetzt eine Fahrt über Frankfurt gefunden und auf Verdacht einen Sitzplatz gebucht. Das wird nicht smooth gehen, das wäre ein Wunder. Wird also ein spannender Tag morgen. Ich hoffe, ich habe wenigstens Internet.
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Witchcraft: An Alternative to Freedom (2012):
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