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Sigh

Letzte Konsequenz

Vielleicht war 2018 mit dem Vorrunden-Aus die endgültige Zäsur. Aber auch andere Dinge ändern sich in diesem Land, ja sogar weltweit. Dass die Nationalmannschaft eigentlich bei beinahe jeder Weltmeisterschaft mindestens ins Halbfinale kommt und man bitter enttäuscht ist, wenn sie da schon verliert. Dass die Straßen wie ausgestorben sind, wenn Deutschland spielt. Und dass der Tag gelaufen ist, wenn die Nation verliert. Alles jetzt nicht mehr der Fall, und das Leben geht trotzdem weiter.

Jetzt ist nur auch in sofern etwas anders, als dass die Terminierung der WM kein echtes Public Viewing mehr ermöglicht. Das Interesse ist gering. Nicht einmal 10 Millionen Zuschauer hatte die Auftakt-Blamage gegen Japan im linearen TV. Die erste Winter-WM, einstiges Kanonenfutter wie Japan oder Saudi-Arabien (2002 noch 0:8 gegen Deutschland, Dienstag dann 2:1 gegen Argentinien), das keins mehr ist. Es gibt wirklich kaum noch Außenseiter bei einer WM, beinahe jedes Team, das es zur Endrunde schafft, hat dort plötzlich auch eine Chance. Auch das hat sich verändert.

Die größte Veränderung aber – in meinen Augen – fand 2014 und 2015 statt. 2014 noch alles in Ordnung, vielleicht sogar besser als jemals zuvor. Nicht nur war die Nationalmannschaft hungrig, auch in diesem Land bewegte sich endlich einmal etwas. Die Wirtschaft entdeckte die Startup-Kultur, jeder konnte YouTube-Star werden, junge Leute hatten endlich etwas zu sagen. Das Land hieß Flüchtlinge weitestgehend willkommen.

Dann kam 2015 und wir machten wieder einen Schritt zurück. Merkels Willkommenspolitik wurde massiv kritisiert, die Rechten wurden stärker, die Diskussion um nationale Symbole wurde befeuert, Social Media wurde zum Höllenritt. Die dann doch erschreckend einflussreichen Rechten wollten Patriotismus, wenn nicht sogar Nationalismus auch in Deutschland. Und sie haben bis zu einem gewissen Grad Erfolg damit gehabt. Deutschland, ein Land, auf das man stolz sein kann? Whatever, dachte auch ich mir. Ich brauche diesen Nationalstolz zwar nicht, aber wenn ihr euch besser damit fühlt – andere Länder haben das ja auch, dann seid meinetwegen stolz auf diese Nation, wofür genau auch immer.

Das Ganze hat allerdings einen Preis – meinem spirituellen Laienverständnis nach. Mit dem aufkommenden Nationalismus Patriotismus in anderen Bereichen brach die Notwendigkeit weg, den Patriotismus auf den Sport zu beschränken und in letzter Konsequenz auszuleben. Die deutsche Seele ist jetzt nicht mehr getroffen und bis ins Mark erschüttert, wenn die Mannschaft mal verliert. Wir sollen ja jetzt auch andere Dinge haben, an denen wir uns hochziehen können – keine Ahnung, die Autoindustrie vielleicht oder international gefeierte Netflix-Serien deutscher Produktion.

Die Nationalmannschaft spielt denn allerdings dementsprechend heute auch nicht mehr mit dieser letzten Konsequenz. Ein Schlotterbeck (ohne ihm die jetzt die Alleinschuld geben zu wollen, das kam in diesem Land ja auch noch nie gut an) verteidigt gegen einen Takuma Asano vor dem 1:2 nicht mit letzter oder überhaupt irgendeiner Konsequenz. Die Spieler sagen hinterher vor den Mikros sowas wie: „Ja, heute, das war schon enttäuschend, müssen wir beim nächsten Mal besser machen.“ Auch der Trainer kommt mit ähnlichen Worten weg, muss sich nicht mehr vor der ganzen Nation entschuldigen oder vor dem Kanzler zu Kreuze kriechen.

Es ist längst nicht mehr so, dass Deutschland eine von nur sechs, sieben großen Nationen wäre, die Fußball spielen können. Das können 20, 30 andere Teams mittlerweile genauso gut. Von daher wäre das Ticket fürs Halbfinale auch unter anderen Voraussetzungen längst nicht mehr sicher gebucht. Aber diese letzte Konsequenz, das Mitfiebern der ganzen Nation vor Spielen der Nationalmannschaft, als sie noch nicht „#diemannschaft“ hieß, das beherrschende Gesprächsthema und natürlich auch die Erfolge – sprich: den Sportpatriotismus, der diesem Land gut getan hat, den hätte ich schon gerne zurück.

Den Nationalismus könnt ihr euch derweil sonst wohin stecken. Der macht uns nicht wieder zu einer großen Sportnation, der hilft genau genommen bei gar nichts.

Passend dazu: Investor Lars Windhorst hat Hertha BSC Berlin mit seinem Engagement an den Rand des Ruins getrieben. Nun zieht er nach viel Druck gegen seine Person einen Schlussstrich, verkauft seine Anteile und – jetzt wird alles besser? Na ja…

Quelle: Kicker.de

Klingt eher so, als würde der Ausverkauf des Fußballs noch weiter voranschreiten…

Störende Klimaaktivisten bis zu 2 Monate in „Präventivhaft“ stecken… Das klingt nach den tiefsten 80ern und genauso, als würde man das Benutzen eines Feueralarms unter Strafe stellen – obwohl es brennt. Das Katapultmagazin bringt es auf den Punkt:

Dass die Jungs und Mädels aber heute den ganzen Flughafen BER für ein paar Stunden lahmgelegt haben, geht dann aber auch etwas weit. Trotzdem, die Frage bleibt die Richtige: Was tun wir wie schnell gegen die menschengemachte Erderwärmung? Es kann nur unmittelbarere, aber keine wichtigeren Themen geben.

Der Twitter-Account von Podcaster Lex Friedman wurde gesperrt, nachdem er „Fuck @elonmusk and fuck @realDonaldTrump“ getwittert hatte. Etwa zur selben Zeit, als Elon Musk die verbliebenen Twitter-User darüber hat abstimmen lassen, ob gesperrte Accounts wieder freigegeben werden sollten (die überwiegende Mehrheit ist dafür). So viel zu „free speech“…

Rebellierende iPhone-Arbeiter bei Foxconn, die dort in einer Blase gehalten wurden, abgeschirmt von Wohnung und Familie. Lange nicht mehr etwas so Verstörendes gesehen. Die Leute in Weiß sind übrigens Polizisten/Sicherheitspersonal, die mit Gewalt vorgehen:

Quelle: TheVerge/Stephen McDonell

Im Video sieht man das Vorgehen der „Sicherheitskräfte“. Ich glaube, das macht wenig Unterschied, für wen die da etwas produzieren. China übertreibt es komplett mit der Zero-Covid-Strategie. Wie lange denn noch?

Bonn. Das Mediterrano (ggü. Döner Haus) ist jetzt The Quiet Man. Hol mich der Teufel!

Ganz hübsch am Rhein heute:

Ohne Worte:

Da helfen nur noch die Beatles: Back in the USSR (1968):

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