Kategorien
Right

Onkel Maynard

Wenn Onkel Maynard über die Straße geht, dann gucken die Menschen ganz sonderbar. Einige grüßen, andere tun so, als würden sie ihn nicht sehen. Onkel Maynard grüßt immer so, dass er nur mit dem Kopf nickt. Ich finde das ulkig. Es sei denn, er kennt jemanden besser. Dann gibt er auch die Hand. Er lächelt nie, aber ich mag Onkel Maynard, denn er weiß immer, was ich denke, und kann für mich sprechen, weil ich selbst es nicht kann.

Es ist spannend, Onkel Maynard zuzuhören, denn er ist gut darin, Worte zusammenzusetzen: „Diese linken Bazillen wollen unseren Staat zersetzen“, habe ich mal von ihm gehört, oder „Diesem Lump vom Premierminister müsste man das Dasein entziehen“. Ich verstehe nicht immer alles, was Onkel Maynard sagt. Aber ich weiß, dass er gut darin ist zu reden und dass die Leute ihm immer zuhören, wenn er etwas sagt. Manchmal wünsche ich mir, ich könnte das auch.

Wenn Onkel Maynard sich kämmt, dann kämmt er sich so eine durchsichtige Paste in die Haare und legt sich einen ganz strengen Scheitel an. „Es ist wichtig gut auszusehen“, sagt Onkel Maynard. „Nicht so, wie dieses einfältige Pack“, sagt er er dann. „Achte immer darauf, dass deine Sachen sauber sind, der Kragen gut sitzt und deine Haare gekämmt sind, Jojanne. Alles klar?“ Ja, alles klar, Onkel Maynard. Würde ich gerne sagen, aber kann ich ja nicht. Ich nicke dann nur und lächle. Onkel Maynard nickt zurück, aber er lächelt nie.

Onkel Maynard ist in einer Partei, sagt er. Es sei die schnellstwachsende Partei Europas, was immer das heißt. Hin und wieder kommen Freunde von Onkel Maynard vorbei. Sie treffen sich und trinken Bier. Auch die Freunde von Onkel Maynard sehen so aus wie er. Weiße Hemden, Hosenträger, Seitenscheitel. Sie beachten mich kaum, die Freunde von Onkel Maynard, und sie lächeln auch nicht viel.

Neulich war ich mit Onkel Maynard beim Kinderarzt, und wir haben uns Bilder auf so Folien angeschaut. „Da muss man doch was machen können“, hat Onkel Maynard zu dem Arzt gesagt. „Tun Sie was!“. Aber der Arzt hat mit dem Kopf geschüttelt und mich freundlich angelächelt. „Ich wollte es gäbe etwas“, hat der Arzt gesagt“, aber man wird bei dem Mädchen nichts machen können.“ Onkel Maynard ist dann aufsprungen, hat auf den Tisch gehauen und ist hinausgestürmt. Dabei hat er dem Arzt noch zugerufen: „Sie Schwein! Ich werde zusehen, dass Sie Ihren Job verlieren!“ Die Tür hat er hinter sich geknallt. Ganz verstanden habe ich nicht, warum Onkel Maynard so böse zu dem Arzt war, ich fand den eigentlich ganz nett. Der Arzt hat eine Weile erschrocken dagesessen und mich dann angelächelt. „Möchtest du einen Loli? Dein Onkel wartet sicher draußen auf dich, so schlimm ist es nicht.“ Ich habe auch gelächelt und meine Finger ausgestreckt, damit ich den Loli bekomme.

„Du darfst dir von niemandem etwas gefallen lassen, Jojanne, hörst du! Von niemandem!“, hat Onkel Maynard abends gesagt. „Und wenn dich jemand damit aufzieht, vielleicht sogar einer von diesen Zecken, dann haust du ihm eine, verstanden?“. Ich hatte verstanden, und nickte. Aber ich würde niemanden hauen, auch wenn Onkel Maynard das sagte. Ich wollte niemandem wehtun.

Eines Tages klingelte es an der Tür und Onkel Maynard öffnete. Draußen standen zwei Polizisten und eine Frau. Sie redeten miteinander. Onkel Maynard ist sehr wütend geworden und hat gegen den Türrahmen geschlagen, da haben die beiden Polizisten ihn runtergedrückt und ihm die Hände verbunden. Ich wollte schreien, als ich das gesehen habe, aber ich konnte nicht. Also habe ich geweint. Aber Onkel Maynard ist dann trotzdem mit den Polizisten mitgegangen. Zum Abschied hat er mich noch einmal angeguckt und mir zugerufen: „Von niemandem, Jojanne, verstehst du? Von niemandem!“ Ich habe geweint, aber auch genickt, weil ich glaube, dass Onkel Maynard das Mut gemacht hat, in diesem Moment.

Ich wohne jetzt nicht mehr bei Onkel Maynard, ich wohne jetzt in einer Gruppe mit anderen Kindern. Es geht mir eigentlich ganz gut hier, aber manchmal vermisse ich Onkel Maynard. Die meisten anderen Kinder sind nett zu mir. Einige versuchen mich zu ärgern, sie lachen über meine weißen Blusen und meine Hosenträger. „Es ist wichtig gut auszusehen“, hatte Onkel Maynard gesagt. Die anderen Kinder wundern sich, wenn ich nicht antworte, und dann tue ich so, als hätte ich sie nicht gehört. Dann lassen sie mich meist in Ruhe. Es gibt auch eine Leiterin, eine Erwachsene, und ich finde, die ist ganz nett. Sie lächelt sogar manchmal. Onkel Maynard hat nie gelächelt.

4 Antworten auf „Onkel Maynard“

Diesmal hab ich nur ein Fragezeichen im Gesicht. Hab es eben nochmal gelesen, aber ich habe keine Pointe entdeckt. Oder eine Botschaft hinter dem Text? So lässt es mich zu ratlos zurück, das mag ich nicht?

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.