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Als ich heute Morgen in die Küche kam

Als ich heute Morgen in die Küche kam, saß ich da schon und las die Zeitung. Auch eine Tasse Tee stand neben mir.

„Ja, wie?!“, rief ich. „Was mache ich denn hier? Ich hab doch bis eben noch geschlafen!“

„Hm-mh“, murmelte das andere Ich, tief in seine Zeitungslektüre verstrickt. „Hast du gewusst, dass fünf von zehn Menschen Frühaufsteher sind? Steht hier.“

„Und das bedeutet?“

„Das bedeutet, dass ich es satt habe, immer bis fast mittags in den Seilen zu hängen. Und deswegen bin ich heute einfach schon mal um 5 Uhr raus.“

„Und die Zeitung?“

„Habe ich mir beim Bäcker gekauft. Sind auch noch Brötchen da. Möchtest du eins?“

„Das mit Körnern sieht nicht schlecht aus. Vielen Dank!“

„Gibt auch Aufschnitt und bisschen Marmelade.“

„Ich mag keine Marmelade, und du, also ich, dann doch eigentlich auch nicht.“

„Eigentlich nicht, nein“, sagte das andere Ich und lugte mich herausfordernd an.

Ich setzte mich erst einmal. Diese ungeahnte Begegnung hatte mich verwirrt, und ich schlief ja auch noch halb. Der Andere hatte einen zweiten Teller und ein Messer da stehen, noch unbenutzt. Ich zog beides zu mir rüber und schnitt erst einmal das Brötchen auf, murmelte dabei leise vor mich hin. Ich2 sagte nichts, aber ob er nun Zeitung las oder nicht – ich merkte seinen lauernden Blick auf mir. Er sah meinem Spiegelbild schon ähnlich, so ist es nicht. Aber dieser Gesichtsausdruck! Viel forscher, freier.

„Ump“, fragte ich mit vollem Mund, „woll daf jetf häufiger paffieren?“

„Dass ich Dinge einfach anders mache als du, dass ich aus dem engen Konstrukt ausbreche, dass du dir selbst angezogen hast, dass ich zum Freigeist werde und ab jetzt häufiger hier sitze? Ja, das soll passieren.“

Dieser Story Opener entstand im Rahmen einer fünfzehnminütigen Schreibübung in einem Seminar für kreatives Schreiben. Beim Transkribieren leicht abgeändert. Die anderen Kursteilnehmerinnen (ja, ausnahmslos Frauen) fanden es ganz gut, sagten höchstens, ich könnte noch mehr mit Ichs arbeiten, mit den Ebenen spielen, und eigentlich wäre das doch auch der ziemliche Horror, sich morgens selbst in der Küche zu treffen und das könnte ein solcher Text alternativ darstellen.

Was meint’s ihr? Und wie könnte es weitergehen?

*

Hrhr…

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Herz der Finsternis

Wenn ich von „Herz der Finsternis“ eins gelernt habe, dann, dass ich des Englischen weit weniger mächtig bin, als ich dachte…

Ich las die Novelle des polnischen (!) Autors Joseph Conrad zunächst auf Englisch, begann anfangs noch die meisten Worte nachzuschlagen, die ich nicht verstand, nur um dann irgendwann zu kapitulieren und einfach weiterzulesen. Der Kindle erlaubt zwar das Übersetzen per Knopfdruck – eine sehr praktische Funktion! Aber wenn man pro Seite eigentlich zehn Wörter nachschlagen müsste, die man nicht oder nur in einem anderen Kontext kennt, dann lässt man es besser irgendwann. Conrad hat offensichtlich mit einem Wörterbuch in der Hand geschrieben und sich bemüht, sich möglichst gewählt auszudrücken. Draped? Fringed? Flash? Crimson? Charms? Superb (in diesem Kontext)? Nee, zu viel…

Anschließend also die deutsche Übersetzung – die ich sehr gut verstand.

Was ich vorher nicht wusste, sich beim Lesen aber schnell andeutete: „Herz der Finsternis“ ist die Romanvorlage für den Filmklassiker „Apocalypse Now“. Der englische Kapitän Charles Marlow erzählt seiner Crew Jahre später von seiner einstigen Reise im Kolonialgebiet den Kongo hinauf, auf der Suche nach einem gewissen Mr. Kurtz.

„Herz der Finsternis“ wird als Kritik am Kolonialismus gesehen. Zwar spielt die Geschichte – wenn auch der Ort nicht näher benannt ist – recht zweifellos im Kongo, wo die damaligen belgischen Kolonialherren unfassbar gehaust haben müssen. Dass die Rahmenhandlung allerdings auf der Themse spielt und Marlow von dort erzählt, lässt die Allgemeingültigkeit der Kritik durchklingen. Europäer, die sich über die vermeintlich Wilden in Afrika oder anderswo auf der Welt erheben – ein Frevel, egal von welcher Nation ausgeübt.

In „Herz der Finsternis“ geht es allerdings auch um die Reise eines Menschen in die Untiefen der Seele, praktisch ins eigene Herz der Finsternis. Marlow trifft schließlich auf Kurtz, der diese Reise schon vor ihm getan hat und teils engelsgleich, teils teuflisch beschrieben wird. Seine Erkenntnis, dass am Tiefpunkt der Seele das Grauen liegt, er selbst mitgeholfen hat, es herbeizuführen und ihm nun keine Zeit mehr bleibt, es wieder gut zu machen, beschreibt die Tragik der Existenz.

War eins der Bücher, die ich unbedingt lesen wollte. Zumindest auf Deutsch hat’s mir sehr gefallen. 😉

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Nur zwei Songs

Was für eine wunderbare Band war eigentlich Roxette. Damals hielt man sie für selbstverständlich. Sie hatten diesen Durchbruch mit „The Look“ und dann waren sie ein paar Jahre einfach da. Mit diesem unverkennbaren Stil, ich würde ihn mal Gitarrenpop nennen. Drei, vier Alben lief das richtig gut, dann war die Story auch auserzählt. Was mir heute einfiel und was die Gruppe so bemerkenswert macht: Da sind zeitlose Klassiker darunter, an die man sich aktiv gar nicht mehr erinnert. „Queen of Rain“ fiel mir heute ein. Einfach nochmal reingehört, neu entdeckt. Ein wunderbarer Song, wenn man gerade eh irgendwie melancholisch ist. Aber was erzähle ich euch, das wisst ihr ja alles, die ihr damals schon dabei wart. Hört durchaus noch mal rein, das ist alles ziemlich gut gealtert!

Und dann gibt es Künstler:innen, bei denen es anders herum ist. Deren Songs mich nie so richtig gepackt haben, auch wenn sie handwerklich in Ordnung waren. Einfach nicht mein Geschmack. Bei Natalie Merchant war es so. Konnte ich nie viel mit anfangen, habe ich dann irgendwann nicht weiter verfolgt, die Karriere. Und damit diesen wunderbaren Song verpasst, der bereits 2003 herauskam. Den mir Spotify dann gestern zufällig aufs Ohr geschickt hat. Manchmal funktionieren diese Algorithmen dann doch. Gibt es wohl schon KI-Tools, die das Ganze nochmal so richtig aufbohren und jeden Song nach deinem Geschmack entdecken, den du bisher verpasst hast?

Okay, „Which Side are you on“ ist auch nur ein von ihr interpretierter Folksong, den viele schon einmal gesungen haben, darunter die Dropkick Murphys. Merchants Version gefällt mir aber am besten:

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Eigentlich sollte ich nicht schüchtern sein

Immer wieder denke ich mir: „Eigentlich geht das nicht! Ein Journalist darf eigentlich nicht schüchtern sein.“ Ich bin es aber hin und wieder, warum genau, habe ich noch nicht ganz rausgefunden. Es liegt an der Tagesform. Heute bin ich es.

Dumm nur, dass ich gerade heute Abend etwas aus erster Hand privat „recherchieren“ will. Ich feiere meinen Geburtstag am Wochenende und organisiere dafür ein Pubcrawl. Ob wir da mit einer größeren Gruppe noch überall unterkommen können, möchte ich wissen, und dazu noch ein paar Besonderheiten der jeweiligen Lokalität in Erfahrung bringen, um Fragen für das Quiz zu entwerfen.

Ich nehme tief Luft und marschiere rein.

  • Zum Kellner in Laden 1 bekomme ich auch kaum Augenkontakt hin, vergesse meine Fragen, sage aber dann doch klar und freundlich, was ich möchte. Er antwortet sehr nett, und wir plaudern ein wenig, während er am Tresen zapft. Am Ende sagt er: Ciao und bis Samstag!
  • Der Kellner in Laden 2 ist groß und wirkt abweisend – ist er aber überhaupt nicht, als ich zu ihm an den Tresen komme und ihn anspreche. Er hat einen spanischen Akzent, wirkt selbst etwas schüchtern, kommt schnell ins Plaudern, hat alle Zeit der Welt, sagt, dass seine Kneipe den besten [X] der Stadt hätte, von dem er mir gleich einen einschenkt. Ungefragt schaut er nach Reservierungen und sagt: Da bekämen wir noch die Ecke hinten frei. Dabei wollte ich eigentlich nur wissen, ob wir mit der großen Gruppe ein Kölsch im Stehen trinken könnten.
  • Der Kellner in Laden 3 hat wenig Zeit und kommt auch nicht zu mir rüber an den Tresen, sondern fragt aus drei Metern Entfernung, was ich will. Ich stelle mich gerade hin, schaue in seine Richtung und brülle dann halb durch den ganzen Laden, so dass alle Thekengäste es mitbekommen. Aber die anderen interessieren sich ohnehin nur für das gerade laufende Fußballspiel. Und der Kellner sagt so etwas wie: Kein Problem, irgendwo kriegen wir euch da kurz unter.
  • Die Kellnerin in Laden 4 flirtet mit mir. Zumindest kommt mir das immer so vor, wenn ich mit ihr rede. Dabei ist sie wohl einfach nur ein People Person, der anderen tief in die Augen blickt. Ich blicke zurück. Samstag sei schon recht voll, sagt sie. „Aber wir bekommen euch da schon unter.“ Als es um mögliche Quizfragen geht, weist ihre Freundin auf die hintere Wand: „Da hängt [X]“ – Ach wie cool! Das wird die Killerfrage werden!
  • Der Kellner in Laden 5 wirkt unsicher auf mich. Sagt, er sei eigentlich DJ und helfe hier nur aus. Zufällig legt er am Samstag auf. Ah, die Partyreihe, sage ich, die kenne ich, da wurde mir beim letzten Mal zu viel Pop gespielt. Was!? Könne gar nicht sein, sagt er, er spiele auch Rage. Es gäbe einen neuen Schnaps, den hätte er hier eingeführt, er hat ihn aus [X] mitgebracht, da käme er nämlich selbst her. Ein sehr nettes Gespräch.

Am Ende habe ich rund 30 Fragen gesammelt und zumindest drei echt gute Gespräche geführt, statt mir zu Hause Allerweltsfragen aus dem Internet zu suchen.

Heute gelernt: Die meisten Menschen reißen einem gar nicht den Kopf ab. Und Schüchternheit scheint auch andere zu betreffen. Ist vielleicht einfach so eine Gegenreaktion auf das Zeitalter der Überallundjederzeitkommunikation.

Man stellt sich Journalisten eigentlich immer irgendwie als Rampensäue vor. Aber schreiben die dann die besten Geschichten? Schüchtern sein heißt ja nicht, dass man nicht trotzdem Gespräche beginnen kann. Dann hört man halt mehr zu, lässt den anderen reden und bringt so einiges in Erfahrung. Also das, was als Journalist eh nicht schaden kann. Was heißt schon „eigentlich“.

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Carnevale

War ne tolle Idee zu versuchen, Karneval in diesem Jahr komplett zu überspringen, aber den Ort dabei nicht zu verlassen. Also den Ort, der neben dem größten Karnevel-Kneipen-Hotspot liegt und an dem am Rosenmontag der Zoch vorbeikütt. Selbst als die Karnevalsleeder unten schon dröhnten und die Leute zu hunderten herbeiströmten, dachte ich mir noch: Ich sitze das einfach aus.

Um dann immer unruhiger zu werden, immer öfter aus dem Fenster zu starren, mich zu fragen „Was mache ich hier eigentlich“ und gegen 1600 Uhr schließlich aufzugeben. Dann halt doch. Mal sehen, was passiert.

Ich pingte Felix an, grub im Keller meine Karnevalssammlung aus, legte notdürftig eine Perrücke, Sonnenbrille und einen Bademantel an und machte mich auf den Weg.

Aber auf der Ecke zeigte sich, dass sich die Straße nicht ohne Tanz würde überqueren lassen. An Clowns, Pappnasen und Cowgirls vorbei schunkelte ich mich auf die andere Straßenseite, wo eine Gruppe ein Fünfliterfass Kölsch mit Panzertape an einem Straßenschild angebracht hatte und kräftig daraus zapfte. Man bot mir eins an, aber ich hatte schon ein Wegbier in der Hand.

Durch den löchrigen Zoch zur Truhe geschlängelt, traf ich Felix und zwei seiner Mitstreiter, verkleidet als Magnum, Kellner und Pinguin. Wir kamen mit der Barbie neben uns ins Gespräch. Irgendwer organisierte Kaffeetassen und schenkte uns Sekt aus. Man warf mir eine Tafel Schogetten zu, Haribos, ein Quietscheentchen (habe ich behalten) und eine niedliche Schlange als Kuscheltier (schenkte ich dem kleinen Mädchen neben mir). Auch einen Stoffbeutel warf eine verkleidete Dame uns zu – keine Reaktion. Da hob sie es – zu unserer Entrüstung – wieder auf: „Nää, wenn ihr eusch nit bückt, nimm isch et widde met!“.

Drinnen schaukelten wir uns erst zu „Wir sin all nur Minsche“ warm. Bei „Do bess en Stadt“ auf Einladung unserer Nebensteher schon Arm im Arm in einer Siebenergruppe. Das FC-Kölle-Lied grölten wir wie immer mit alternativen Fußballvereinen mit: „Mir stonn ze dir, WERDER BREMEN“, „EINTRACHT FRANKFURT“ oder „FSV SALMROHR“. Später hielt ich ein überraschend tiefgehendes Gespräch über Berufe, Liebe und das Leben an sisch mit der etwa gleichaltrigen Dame neben mir.

Wenn ein Wildfremder beim passenden Lied gerade vorbeilief, etwa um sich zum Klo durchzuschlängeln, wurde er kurzfristig ermahnt, sich gefälligst kurz einzuhaken und mitschunkeln, so viel Zeit müsse sein. Irgendwann hatten wir fast alle Umstehenden schon etwas genauer kennengelernt und arbeiteten uns zu einem anderen Teil der Kneipe vor. Nach dem vierten Kölsch sprach ich einen lateinamerikanisch aussehenden jungen Mann neben mir an und sagte ihm, er erinnere mich an den Fußballer Claudio Pizarro. „Fast“, sagte der. Sein Cousin sei mit Pizarro zur Schule gegangen.

Gegen 2100 Uhr hatten wir dann auch genug. Wir verabschiedeten uns herzlich von allen Umstehenden, verabredeten uns fürs nächste Jahr erneut an selber Stelle (wohl wissend, dass daraus eher selten etwas wird), genehmigten uns noch etwas zu Essen unterwegs oder zuhause und gingen schlafen.

Und das war Karneval 2024.

Daraus gelernt:

  • Wie so oft: If you can’t beat them, go with them. Meist is‘ dann auch gar nicht so schlimm.
  • Es bricht das Eis. Du kannst mit beinahe jedem einfach drauflos quatschen. Etwas, was im Alltag ja so schwer ist.
  • Es fühlt sich danach wirklich an, als wäre der Winter vorbei. Bisschen gesungen, getanzt, geredet und die Wintergeister damit vertrieben.
  • Ebenfalls wie so oft: Keine Erwartungen, aber die werden übertroffen.
  • Lächeln hilft, Menschen kennenzulernen.
  • Es dauert ein wenig, bis das „Wintereis“ gebrochen ist und man die richtigen Worte findet.
  • Nit denke, schwaate!

Gut, aber der eine Tag hat mir dann auch gereicht.

*

Nawalny stirbt den Märtyrer-Tod. Kann man wohl nicht anders sagen. Er hätte 2021 (noch vor dem Ukraine-Krieg!) nicht nach Russland zurückkehren müssen, man warnte ihn sogar eindringlich davor. Aber er tat es trotzdem, wohl wissend, welches Schicksal ihm blühen würde.

Welches Schicksal ganz nebenbei auch jedem von uns blühen könnte, wenn dieser Despot in Moskau nicht gebremst wird. Militärexperten rechnen damit, dass Putin in fünf Jahren so weit sein könnte, die östlichsten Nato-Staaten anzugreifen. Und schaue ich mir an, wie viel wir hier diskutieren statt zu liefern (Waffen, Munition, um genau zu sein), sehe ich die Gefahr als real an. Zumal sich drüben in Amerika politisch nichts Gutes zusammenbraut.

Wir müssen handeln, schon um unser selbst Willen.

*

Wenig los hier in letzter Zeit. Ich versuche, das mal wieder etwas zu intensivieren. Vor allem möchte ich jetzt jedem Beitrag ein Bild voranstellen. Und sei es von KI erzeugt.

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Eigentlich müsste man mal weg

Wann, ist klar: über Karneval.

Nur wohin…

Fühle mich urlaubsreif. Der Januar war hart. Ich hab vieles Neues angestoßen, was noch nicht unbedingt überall auf fruchtbaren Boden gefallen ist. Eigentlich war es ein guter Monat und ich sollte alles, was ich mache, ab jetzt Monat für Monat um 10x hochskalieren, wie man das in der Instagram-Werbung immer so ausdrückst (manchmal auch 100x). Aber man ist ja irgendwo auch nur ein Mensch mit begrenzten Ressourcen.

Will mich langsam mal wieder ans Bloggen gewöhnen. Komme kaum noch dazu.

*

Zeigler und Köster haben mich durch den Januar gebracht. Einfach ein wunderbarlich zu lauschender Fußballpodcast. Arnd Zeigler kennen viele vielleicht bereits aus Radio und Fernsehen und „Zeiglers wunderbare Welt des Fußballs“. Das eigentliche Highlight des Podcasts ist aber sein kongenialer Partner, 11Freunde-Macher Philipp Köster. Ich höre immer mit einer Mischung aus Neid und kindlicher Begeisterung hin, was der für Sprachbilder in petto hat und zu jedem Ereignis den passenden Vergleich findet. Wer Fußball mag, muss das eigentlich lieben.

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3 Dinge

Christine und ich schicken uns seit einiger Zeit jeden Abend per WhatsApp drei Dinge zu, für die wir an diesem Tag dankbar waren. Und was soll ich sagen: Es klingt esoterisch, aber es funktioniert.

Gerade an Tagen, die nicht so gut liefen, bin ich abends eher geneigt, alles noch einmal durchzugehen, was nicht so toll war und mich hinterher zu ärgern. Die schlechte Laune geht dann nicht selten am nächsten Tag weiter.

Versuche ich an einem solchen Tag drei Dinge zu finden, die gut liefen, dauert es meist ein bisschen, aber nicht selten werden dann vier draus. Ich gehe dann nicht unbedingt besser gelaunt ins Bett, aber die Laune am nächsten Tag ist dann eigentlich immer besser.

Es hilft noch bei einer anderen Sache. Heute Abend zum Beispiel kam es mir beim mich Erinnern an den Tag vor, als hätte ich nur faul auf der Couch gelegen und kaum was gearbeitet. Bis mir plötzlich einfiel: Ach nee, du hast doch deine (längst überfällige 🙄) Umsatzsteuervoranmeldung endlich gemacht, dabei gar nicht so viel rumgeheult wie sonst. Kam dann gleich als vierter Punkt auf die Liste.

Und irgendeinen Insight hatte ich noch dazu. Aber ich komme gerade partout nicht mehr drauf. Vielleicht demnächst als Update.

Update: Ganz kriege ich es nicht mehr zusammen, aber ich glaube, der Insight war, dass beim Nachdenken über drei schöne Dinge der Fokus verrutscht. Es geht weg von Dingen, die sonst den Alltag beherrschen, wie der Arbeit und was dort alles schief läuft, hin zum Miteinander. So freue ich mich, wenn ich etwas Leckeres gegessen habe oder einen schönen Plausch mit Nachbarn oder Freunden. Die Arbeit rückt dann völlig in den Hintergrund.

*

Fühlt sich auch schon wieder so lange her an:

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Wo sind die anderen?

Fahre mit der U-Bahn zur Demo gegen Rechts. Die Bahn ist so voll, dass sie auf halbem Wege Höhe Telekom kollabiert. Der Fahrer gibt auf: „Bitte alle Fahrgäste aussteigen!“ Die Türen lassen sich nicht mehr schließen, es kommt niemand mehr rein noch raus. Böse Worte hört man keine. Viele sind zur Demo unterwegs, einige haben Transparente dabei, kommen mit Wildfremden ins Gespräch. Dass alle aussteigen müssen, sorgt für Heiterkeit.

Also zu Fuß weiter zum Marktplatz. Ein Demonstrant vor mir hat die Deutschlandflagge dabei und ein Transparent darunter, auf dem steht: „Das ist die Fahne der deutschen Demokratie. Lasst sie euch nicht wegnehmen von den Rechten.“ Ich beeile mich, um noch zu meinen Bekannten auf dem Marktplatz zu kommen, entschuldige mich, wenn ich an anderen vorbeieile. Sie lächeln, ich lächle.

Schon kurz vor dem Marktplatz kommen mir erste Demonstranten entgegen, die vor der Überfüllung kapituliert haben, eine Frau mit einem Kinderwagen wird von dem Umstehenden klaglos durchgelassen. Jeder zeigt sich hier von seiner besten, freundlichsten Seite. Man will klare Kante für etwas zeigen. Die Stimmung ist toll, die Demo friedlich, freundlich.

Man hat das Gefühl, dass das die Ausnahme geworden ist. Nett zueinander sein, Verständnis zeigen, Andersartigkeit zelebrieren, Wokeness. Es fühlt sich an, als wäre das eine Mode aus einer lange vergangenen Zeit. Aber wenn dem so ist: Warum eigentlich? Was ist passiert? Wenn so viele dann doch gegen Rechts sind, wer sind dann die anderen, wo kommen sie her und wo sind sie?

Im Wahljahr 2024 werden wir die Fahnen noch eine Weile hochhalten müssen. Leicht wird es nicht werden, aber der Anfang ist gemacht.

*

Dünnes kulturelles Eis hier. Pur war eine Band, die man in den frühen 90ern mit 13 mal gehört hatte und ihre Texte voll deep fand. Sie sangen für Frieden, das schon, aber das auch auf eine so triefige Art und Weise. „Lass mich los, kapp die Nabelschnur“, „Hochprozentig Liebesrausch, den schlaf ich mit dir aus“, „Spürst du den Seiltänzertraum“. Geh mir wech mit deinen Funkelperlenaugen!

Ich weiß nicht, warum mir gestern der Song „Indianer“ plötzlich wieder einfiel. Simple Geschichte darüber, warum man wahre Freundschaft, Ehrlichkeit, Vertrauen, Füreinander einstehen, Versprechen und auch Ehre nur so schwer ins Erwachsenenalter mit rübernehmen kann. Gar nicht einmal soooo schlecht gealtert. So, und jetzt für immer wieder zu mit dem Kapitel.

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Sex, Threads und LSD

Mein Osteopath ist einer… Bei der ersten Sitzung hat er noch einiges an Blockaden und Verspannungen an meinem Körper gelöst, bei der zweiten mehr gehorcht und gespürt und heute, bei der dritten – haben wir uns eigentlich nur noch unterhalten. Über Drogen und Sex.

Sei Frau und er genössen das langsame Älterwerden und das Leben auf dem Land. Auch dass sie zugenommen hätten, wäre kein so großes Problem. Er habe einen Bauch bekommen, seine Frau einen dicken Hintern. „Eine Sexstellung können wir jetzt leider nicht mehr machen.“

Dude! 🙈 Bisschen viel Information, aber lachen muss ich trotzdem, und ich kann mir schon denken, welche Position das sein dürfte.

Dass ich auf seinen Tipp hin LSD gegoogelt hätte, sage ich noch. Das gäbe es ja wirklich legal. Ja, und gar nicht teuer, sagt er. „Willst du welches haben? Ich will meins loswerden.“ Er geht kurz nach nebenan und bringt dann auch Iboga mit. Könne er mir aber nicht wirklich empfehlen, wäre nur entspannend, wenn man liege, stehst du auf, fühlt es sich wie ein Kater an. Wollte er mir nur mal zeigen.

Ein LSD-Derivat ist derzeit legal erhältlich.

Dann whatsappt er mir noch den Link zu einem Shop, in dem es auch noch manch andere Psychopharmaka legal zu kaufen gibt und verschreibt verkauft mir 10 Mikropellets 1T-LSD deutlich unter Ladenpreis. Wann und ob ich die nehme, weiß ich noch nicht. Aber interessieren würd’s mich schon.

Und als Osteopath… Wie gesagt: Prima Kerl, Ich hätte ihn gerne als Kumpel, jemanden, den ich zum Geburtstag einladen würde. Der wäre der spannendste Gast auf der Party. Wenn ich das nächste Mal einen schlimmen Nacken habe, gehe ich aber doch lieber wieder zum Orthopäden, denn am Ende war der es, der mich „geheilt“ hat, nicht der Osteopath.

*

Threads

Threads ist heute mit ein paar Monaten Verspätung in Deutschland gestartet. Probiere ich mal aus, dachte ich. Ließ sich via Instagram starten, ich konnte alle meine Kontakte darüber mitnehmen und hatte dadurch auch schon einige Follower, als ich dort aufschlug.

Und nach fünf Minuten war ich wieder weg. Klar, Sven war da. Aber ansonsten die gleichen Nasen dort, die ich auf Twitter damals schon nicht mehr lesen mochte, die gleichen Selbstdarsteller, die mich von Facebook davongetrieben haben. Leute, die sich dort beschweren, dass LinkedIn gerade down sei…

Threads wirkt wie Twitter anno 2013, und auch wenn das bedeutet, dass noch wenig Hass da ist: spannender ist es dadurch nicht.

Es gab wohl auch andere Gründe, warum ich damals gegangen bin: Die Welt hat sich weitergedreht. Die zweite Generation Social Media ist visuell (Storys, Bilder, Reels, TikToks) und irgendwie auch sauberer, selbst wenn da auch nicht alles perfekt ist. Zu den Facebooks, Twitters, Xs, Blueskys, Mastodons oder eben auch Threads muss ich nicht zurück.

*

Podcast: SchwarzRotGold: Mesut Özil zu Gast bei Freunden

Khesrau Behroz ist der beste Podcaster Deutschlands – zumindest, wenn es um Porträts geht. In seiner Reihe „Cui Bono“ hat er sich nach Ken Jebsen und dem Drachenlord diesmal Mesut Özil vorgenommen. Man könnte sagen: Aufstieg und tiefer Fall des Fußballers Mesut Özil. Heute habe ich die letzte Folge der 8-teiligen Serie gehört.

Bild: Undone, RTL+

Und auch wenn ich die Reihe mit dem Drachenlord deutlich besser, weil tiefer, fand, bleibe ich hier sehr nachdenklich zurück. Vor allem, weil ich gar nicht mehr so sehr auf dem Schirm hatte, wie groß der immer irgendwie selbstunsicher, schüchtern wirkende Özil tatsächlich war. Wie sehr er sich für den Nachwuchs eingesetzt, wie vielen jungen Leuten er das Studium finanziert hat. Und wie Deutschland ihn dann hat fallen lassen, wegen eines umstrittenen Fotos. Man muss es nach dem Hören dieses Podcasts so hart sagen: Özil wurde von einem rassistischen Deutschland dafür abgestraft, dass er türkische Wurzeln hat. Mit keinem „weißen“ deutschen Fußballer wäre man so hart ins Gericht gegangen.

In Deutschland kann man mittlerweile fast bedenkenlos Rassist oder Antisemit sein. Es macht mich traurig. Einmal für dieses Volk, von dem ich immer dachte, wir wären trotz aller Verschrobenheit besser als das. Zum anderen aber auch für Özil, den Weltmeister von 2014 und begnadeten Fußballer. Dass man ihn für die Fotos mit Erdogan derart geschlachtet hat, hat er nicht verdient.

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To feel the news is not enough

Greta Thunberg hat sich in den vergangenen Wochen mehrfach nicht nur pro-pälestinensisch geäußert (was okay wäre), sondern auch anti-semitisch, was nicht okay ist. Ja, dieses „kleine Mädchen mit den Zöpfen“, die für die Umwelt kämpft. Und weil ich in letzter Zeit viel im Auto unterwegs war und mal wieder ein paar Podcasts gehört habe, war auch eine Folge „Feel the News“ darunter, wo Maike und Sascha Lobo bereits den Absturz von Greta thematisierten.

Ich höre mittlerweile nur noch 1x am Tag die News, morgens im Bad beim Zähneputzen auf dem Sprachlautsprecher. Hin und wieder surfe ich noch bei tagesschau.de vorbei. Spiegel Online besuche ich nur noch sporadisch, das gibt’s nur noch Meinung und News gegen Geld. Beim Bonner Generalanzeiger habe ich nur die Lokalnachrichten im Feed, der Rest sind größtenteils Medien- oder Techniknews.

Und ich merke: Das ist offenbar zu wenig. Die Sache mit Gretas Antisemitismus – wenn man ihn so nennen will – hätte ich so gar nicht mitbekommen. Und ich vermute: Die meisten von euch auch nicht. Das ist eben nichts, was in den Abendnachrichten Schlagzeilen macht. Deswegen kommt ein Abgesang in meinen Augen auch zu früh. Die halbe Welt kennt Greta, aber nur die wenigsten werden ihre jüngsten Äußerungen mitbekommen haben, in denen sie Israel, nicht aber die Hamas kritisiert.

Sie ist übrigens nicht die einzige, die sich derart äußert. Offenbar hat auch Amnesty International ein Antisemitismusproblem. Die Organisation nennt Israel ein Apartheidregime. In einem Video im Dossier „Israel’s System of Apartheid“ werden Juden dargestellt, wie sie eine palästinensische Familie aus einem Haus vertreiben. Zwar verurteilt Amnesty auch die Terroranschläge der Hamas vom 7. Oktober, aber Isreal wirft die Organisation im gleichen Dokument vor, ganze palästinensische Familien im Gaza-Streifen auszurotten. Was mindestens außer Acht lässt, dass der Gaza-Streifen von der Hamas regiert wird, dass jährlich von dort hunderte Raketen Richtung Israel abgeschossen wurden und dass die Hamas keinerlei Interesse daran hat, die Situation der eigenen Bevölkerung zu verbessern. Amnesty scheint sich aber relativ klar auf eine Seite geschlagen zu haben.

Ich spende seit Jahren per Dauerauftrag für Amnesty. Ich wusste das nicht. Ich werde das jetzt mal überdenken.

Ich weiß aber jetzt schon, dass ich da offenbar was ändern muss. Ja, es geht mir besser, wenn ich wenig Nachrichten höre, lese oder gucke. Ja, sogar als Journalist. Aber ich bekomme zu vieles nicht mit, was mich am Ende doch betrifft.

Ich habe es mir zu einfach gemacht.

*

Harry

Ist nicht mehr da unten.

Es war vergangene Woche Dienstag, da sah ich ihn mehrmals vom Fenster aus, und er machte gar keinen guten Eindruck, lag fast den ganzen Tag unter seiner Decke und schien zu schlafen. Abends ging ich rüber, er wirkte schwach, zitterte ein wenig, war nur halb mit einer dünnen Decke zugedeckt. Ob ihm warm genug wäre, fragte ich. Ja, wäre es, beteuerte er. Eine weitere Decke lag direkt neben ihm. Ich schlug vor, dass er sie auch noch über lege. Er wollte nicht.

Ob es ihn sonst denn noch gut gehe, fragte ich. Die Antwort fiel differenzierter aus. Körperlich ja, seelisch nicht so richtig, sagte er. Ich mache mir ein wenig Sorgen, sagte ich. Er winkte ab. Wir redeten ein bisschen über dies und jenes, er sagte, er würde gerne noch einmal dieses eine Lied von „Unheilig“ hören. Ich wusste schon, welches er meinte. Ich hatte mein Handy dabei und machte den Song via Spotify einfach an und wir lauschten gemeinsam.

„Du hast mir gezeigt, wie wertvoll das Leben ist“, sang der Tüppes (besonders viel halte ich nicht von dem Song, aber ein bisschen was hat der schon). Harry hatte Tränen in den Augen.

Sehen wir uns morgen, fragte ich zum Abschied. Ja, beteuerte er. Ich machte mir echte Sorgen. Würde er nicht bald in eine Unterkunft kommen, dann hätte ich ernste Bedenken, dass er den Winter nicht überlebt. Was dauerte denn da bloß so lange?

Ich nahm mir vor, am nächsten Tag bei der Caritas anzurufen, schaffte es aber zeitlich nicht. Harry sich da aber schon ein wenig berappelt. Sein bester Freund war lange zu Besuch, ich fragte nach, wie der Stand wäre – sein Freund antwortete die meiste Zeit, aber es ging ihm wohl besser. Auch eine Frau, die ich nicht kannte, kam später vorbei und blieb lange.

Am nächsten Morgen, dem Donnerstag vergangener Woche, sah ich morgens aus dem Fenster und wollte meinen Augen nicht trauen. Harry war nicht da – dafür das Ordnungsamt mit einer Putzkolonne der Stadt im Schlepptau. Fünf Männer in Ganzkörperanzügen. Sie räumten seinen Platz! Schmissen seine Habseligkeiten samt und sonders in den Müllwagen, während die beiden Ordnungshüter Spalier standen.

Ich ging runter und sprach mit einem der Beamten. Ich ahnte zwar Schlimmes und hatte ein wenig Wut im Bauch, aber fragte trotzdem freundlich, was denn mit dem alten Mann wäre, der hier „gewohnt“ habe. Der habe eine Unterkunft bekommen, sagte der Ordnungshüter freundlich. „Er zieht gerade da ein“. Ich fragte: „Wissen Sie wohin?“. Er sagte: „Nein, leider nicht.“

Mein Anruf bei der Caritas bestätigte das. Die zuständige Mitarbeiterin, mit der ich schon einmal telefoniert hatte – offenbar die Frau, die ihn tags zuvor lange besucht hatte – hatte das veranlasst und Harry am gleichen Morgen umquartiert. Ob sie mir sagen könne wohin, fragte ich. Nein, leider nicht. Ob sie Harry fragen könne, ob ich mich bei ihm melden könne. Würde sie ihn fragen.

Das war es dann also. Harry wurde – hoffentlich – winterfest einquartiert. Jetzt ist die Bushaltestelle nur noch eine Bushaltestelle.

Und ich sag es ganz ehrlich: Mir fehlt mein Kumpel, und die guten Gespräche, die wir hatten. Es war eine Routine für mich geworden, fast jeden Tag einmal da vorbeizugehen und zu fragen, wie es ihm geht. Er war immer freundlich zu mir, sagte oft, dass er sich immer freue, mich zu sehen, „mein Freund“.

Schaue ich jetzt runter zur Bushaltestelle, ist da eine gähnende Leere. Ich bin ein wenig traurig, vor allem, weil ich bis heute nicht weiß, wo er eigentlich genau ist. Gemeldet hat sich noch niemand bei mir. Gestern traf ich seinen besten und zweitbesten Kumpel vor genau der Bushaltestelle. Ihnen hat er auch noch nichts gesagt. Ich hoffe, das ändert sich bald.

Jetzt nach einer Woche überwiegt allerdings die Freude. Immerhin vier Monate hatte er dort gelebt, auch davor war er schon seit einigen Monaten obdachlos, wie er mir mal erzählt hatte. Dass seine vielen Helfer im Hintergrund jetzt endlich eine Bleibe für ihn gefunden haben, ist ein glücklicher Ausgang der Geschichte.

Wo immer du auch bist: Ich wünsche dir alles Gute, mein Freund!

*

116117

„Die Leute wissen offenbar nicht, dass sie sich auch auf der 116117 einen Facharzttermin geben lassen können“ – schnappte ich neulich irgendwo im Radio auf.

Ach, tatsächlich?! Diese komische Nummer, von der man mal gehört hatte, aber gar nicht wirklich weiß, wofür die eigentlich ist.

Nachdem ich beschlossen hatte, dass sich jetzt doch mal ein Orthopäde meinen Nacken anschauen muss, mit dem ich jetzt seit fast zwei Monaten Geschichte habe, wollte ich das mal ausprobieren.

Es brauchte acht Anrufe dafür.

Anruf 1

„Wenn wir Ihnen einen Termin vermitteln sollen, brauchen Sie eine Überweisung vom Hausarzt. Sonst können wir Ihnen nicht helfen.“

„Okay, kann ich besorgen. Wenn wir jetzt einfach davon ausgehen, dass ich die schon hätte, können wir dann…“

„Nein, ich würde Sie bitten, sich erst einmal die Überweisung zu besorgen und sich dann noch einmal hier zu melden.“

„Na gut“.

Anruf 2 beim Hausarzt. Rezept gehe klar, könne ich morgen abholen.

Anruf 3 bei der 116117:

„Oh, Sie wollen zur Terminvergabe. Da sind Sie bei mir jetzt leider falsch. Ich kann nur nach Adressen für Ärzte suchen, bin noch nicht weiter eingearbeitet und an einer anderen Stelle aktiv. Da müssen Sie noch einmal…“

„Können Sie mich durchstellen?“

„Nein, leider nicht. Sie müssen zum Regionalverband durchgeleitet werden. Das kann ich von hier aus nicht. Aber wählen Sie direkt die 116117 3, dann kommen Sie durch“

„Die Nummer ist dann 1161173 oder meinen Sie, dass ich 116117 anrufe und dann die 3 wähle?“

„Ja, Sie wählen die 116117 3.“

„Ah, okay“.

Anruf 4: 1161173 – „Nummer nicht vergeben“

Anruf 5: 116117 – ich wähle die 3 – ich höre nichts mehr, wähle noch einmal die 3 – nichts passiert. Ich lege auf.

Anruf 6: Zweiter Versuch. 116117 – 3. Es tutet, ich lande in der Warteschleife. Es gibt keine Ansage, wann oder ob überhaupt sich noch etwas täte. Nach vier Minuten lege ich auf.

Anruf 7: 116117 – diesmal wähle ich die 1, wie beim ersten Mal. Es geht auch jemand dran, wieder ein Mann.

„Haben Sie eine Überweisung mit einem Dringlichkeitscode?“

„Einen was?“

„Sie brauchen von Ihrem Hausarzt eine Überweisung mit Dringlichkeitscode. Sonst dürfen wir von der 116117 Ihnen da leider nicht helfen.“

„Da habe ich nicht gewusst, dass ich das brauche“. (Hatte mir der Typ beim ersten Anruf auch nicht gesagt. 🤬)

Ich beschließe, es einen day to callen, mir am nächsten Tag beim Hausarzt noch einen Dringlichkeitscode geben zu lassen, wenn ich das Rezept abhole und es dann noch einmal zu versuchen.

Heute Morgen also latschte ich zum Arzt, sage der Sprechstundenhilfe, was ich will und dass die 116117 einen Dringlichkeitscode von mir wolle. Sie lächelt, das hätte sie schonmal gehört. Auf dem Tresen liegen Visitenkarten für die 116117 aus, wie passend. Sie kramt in einer Schublade, holt eine Seite mit Stickern raus und klebt einen davon auf meine Überweisung. „Bitteschön, der Code!“ – „Dankeschön.“

Anruf 8 bei der 116117 – 3. Diesmal geht jemand dran, eine junge Frau.

„Haben Sie eine Überweisung mit Dringlichkeitscode?“

„Ja.“

„Lesen Sie mir den Code dann bitte einmal vor. Und dann brauche ich noch Namen, Adresse und Geburtsdatum.“

Bekommt sie.

„Gut, dann schaue ich mal… der nächste freie Termin wäre… morgen früh.“ 😳 „Wollen Sie den nehmen?“

Wollte ich!

Erst danach gibt sie mir Namen und Adresse des Arztes durch und noch den Hinweis, dass ich morgen vorab noch einmal dort anrufen solle. Es ist leider der Orthopäde, bei dem ich vor Jahren schon einmal war und der mir damals – um ehrlich zu sein – einen vom toten Sheriff erzählt hatte. Aber in der Not frisst der Teufel Fliegen. Ich nehme an.

In der Zwischenzeit aber bekomme ich eine Mail. Marius hatte mir gestern seinen Orthopäden empfohlen. Bei der Webrecherche stellt sich raus, dass die Praxis Online-Termine vergibt. Ich buche pro forma direkt einen (absagen kann man ja später immer). „Nächster freier Termin: 2.1. um 9:45 Uhr“. Na gut, besser als nichts. „Wollen Sie über frei werdende frühere Termine per Mail informiert werden?“

Und ob!

Heute dann die Mail: „Es ist ein früherer Termin frei geworden. Nächster möglicher Termin: morgen früh um 8.45, 9:30, 10:15 oder 11:20. Welchen wollen Sie?“ 😳

Also habe ich jetzt binnen 24 Stunden gleich zwei Termine bei einem Orthopäden für einen Termin am nächsten Tag bekommen. Etwas, worauf ich beim letzten Mal drei Monate (!) warten musste.

Für das deutsche Gesundheitssystem besteht Hoffnung! Aber ganz ohne bisschen Umständlich geht nicht, da kommt Deutschland nicht ohne aus.

(Später erfahre ich, dass die 116117 auch eine Website hat, auf der man sich selbst einen freien Facharzttermin geben kann. Ja sowas…)

*

The Shamen: Ebeneezer Goode (1992)

Musste ich vorhin irgendwie dran denken. Ist gut gealtert. Ich mag diese dreckige Lache: