Drei Wochen Radreise und folgende Erkenntnisse:
- Klassische Nachtmenschen können im Urlaub offenbar auch früh aufstehen. Im Schnitt kam ich gegen 0630 Uhr hoch. 0630!
- Müde war ich dann eigentlich nur, wenn ich am Morgen kein klares Ziel vor Augen hatte und eben nicht so richtig wusste, wohin mit mir.
- Ich fuhr im Schnitt fast 100 Kilometer am Tag, was einen ziemlichen Kalorienverbrauch bedeuten dürfte. Und trotzdem hatte ich nur wenige Male überhaupt Hunger. Wenn, dann war es meist Appetit. Mein Körper war genauso mit nichts zufrieden, wie wenn ich einen Burger mit Pommes (oder Rösti mit Bratwust) reinschob. Es war schlicht kein Unterschied.
- Bei wenig Nahrungsaufnahme kam ich am nächsten Tag allenfalls langsamer voran, fühlte mich energieärmer. Das kann aber auch schlicht am Mangel von Vitaminen und Spurenelementen gelegen haben, von denen ich mangels Nahrung dann natürlich auch zu wenig aufnahm.
- Wichtig war dennoch 1 Kaffee vor dem Start, durfte aber auch gerne ein schwarzer sein.
- Rank und schlank bin ich übrigens trotzdem nicht geworden. Das scheint alles nichts damit zu tun zu haben.
- Anfangs führte ich Smalltalks mit anderen Radreisenden noch enthusiastischer als am Ende, das stimmt schon. Aber alles in allem habe ich diese kurzen Kontakte und Erfahrungsaustausche sehr genossen. Einsam habe ich mich tatsächlich nur einmal kurzzeitig gefühlt, als ich in einer AirBnB-Wohnung untergekommen war.
- Ich konnte es mir zwar anfangs nicht vorstellen, aber ich überlege jetzt, das E-Bike doch zu behalten. Berge und andere anspruchsvolle Strecken haben ihren Schrecken dadurch verloren. Das Weniger an Anstrengung im Vergleich zum nicht-motorisierten Radfahren dürfte sich damit ausgleichen, dass man doch eher geneigt ist, überhaupt mal eine Spritztour einzulegen und dann gleich etwas weiter zu fahren.
- Schwiitzerdüütsch. Anfangs habe ich kein Wort verstanden, was meist kein Problem war. Die meisten Schweizer schalten sofort auf Schriftsprache um, sobald klar ist dass der Gesprächspartner der norddeutschen Tiefebene entstammt. Zum Schluss häuften sich die Fälle, wo die Schweizer einfach trotzdem weiter Schwiizerdüütsch mit mir sprachen. Sicher auch, weil sie dann merkten, dass ich das meiste verstand. Nehme ich mal als Kompliment.
Noch 300km oder drei Etappen, sagt Google Maps, dann hätte ich den ganzen Rhein abgefahren:
Mal sehen, wie am Wochenende so das Wetter wird. ?
Was Deutschland von der Schweiz lernen könnte:
- Trinkbrunnen überall. Eine wunderbare Infrastruktur für Reisende, aber auch für Einheimische. Mal eben schnell sein Wässerchen wieder auffüllen. Für einen Deutschen ungewohnt: Solche Trinkbrunnen sind in der Schweiz für gewöhnlich von Schmierereien, Fäkalien und Vandalismus verschont.
- Überhaupt erlebt man zumindest als Reisender wenig Vandalismus, Graffiti oder Schmierereien in den meisten Orten. Klar, der Deutschschweizer gilt gemeinhin als etwas konservativer, Graffiti ist eher ein Ausdruck des linken Spektrums. Oder es fehlt den Leuten einfach der in Deutschland offenkundige Hass auf den Staat. Warum zerstören, womit man im Großen und Ganzen zufrieden ist?
- Der Umgang mit Geld. In der Schweiz ist eigentlich alles teurer als in Deutschland, teilweise sogar erheblich. Der Gegenwert ist allerdings auch eigentlich immer höher. Ich gebe zwar 25-30 Franken für ein Abendessen aus, aber ich kann mir dann sicher sein, dass es auch gut ist. Lange Zeit hatten die Schweizer bei den Supermärkten fast nur die Wahl zwischen Migros und Coop (vergleichbar mit Edeka vs. Rewe minus der Billig-Hausmarken), mittlerweile haben auch Aldi und Lidl dort Fuß gefasst. Gut gefiel mir die Mentalität, dass – anders als in Deutschland – nicht alles immer möglichst billig sein muss. Der Deutsche ist dann glücklich, wenn er für 10 Euro ein möglichst großes Essen bekommt, Geschmack erstmal zweitrangig. In der Schweiz schien es für mein Gefühl anders herum zu sein.
- Das setzt sich auch in anderen Bereichen fort. Mir fielen zum Beispiel in der Schweiz gerade sehr viele modisch gekleidete Männer auf. Trendige Frisuren, elegante aber nicht angeberische Kleidung und sogar Tattoos, die irgendwie in das jeweilige Konzept passten. Und das sage ich, der Tattoos gemeinhein nichts abgewinnen kann. Deutsche gehen nach dem Motto vor: Alle haben ein Tattoo, also muss ich auch eins haben. Tattoostudio, zeig mal Katalog, was wird gerade viel genommen? Bunte Blumenvase mit Totenkopf drauf? Okay, dann nehm ich so eins, aber möglichst groß, damit es jeder sieht. Wo ist am meisten Platz? Die Wade ist noch frei, dann los…
Bei 95% aller Tattoos, die ich an Deutschen so sehe, bin ich peinlich berührt. Du wolltest halt unbedingt eins haben und in 5 Jahren wird das ungefähr noch so cool sein wie heute ein Arschgeweih. In der Schweiz sah ich sehr oft, dass Tattoos der einen oder anderen Person richtig gut standen und im Gesamtkonzept des jeweiligen Stils aufgingen. Fand ich überraschend ansehnlich.
Vielleicht werde ich doch noch zum Radnarr. Seit ich wieder hier bin, fahre ich täglich Rad, was auch sehr gut gegen die Hitze ist. Direkt vor der Haustür is‘ nämlich auch ganz hübsch:
Und es gibt überrascht guckende Bäume:
Mehr als 1 Jahr vor der nächsten Bundestagswahl und damit viel zu früh nominiert die SPD einen lieben, netten Onkel zum Kanzlerkandidaten. Das erinnert mich irgendwie an etwas von vor ein paar Jahren, weiß nicht mehr genau was, aber es hat bestimmt gut funktioniert…
Problem ist aber hauptsächlich, dass die SPD noch immer nicht verinnerlicht hat, was vor drei Jahren schon der Fall war: Dass sie bloß noch eine etwas zu groß geratene Splitterpartei ist, die eine eigene Opposition gleich eingebaut hat und sich ständig selbst sabotiert. Die hat das Recht einen Kanzlerkandidaten zu stellen und darf es auch versuchen, wird aber mit der Taktik niemals gewinnen. In Bayern reibt sich gerade ein gewisser Landesfürst die Hände.
Demokratie nervt. Wie die Sau. Ja, alles andere bereits Existierende ist mindestens genauso schlecht, sagte schon Winston Churchill. Aber dann wird es langsam mal Zeit, etwas Besseres zu erfinden. Jemand ne Idee?
8 Antworten auf „.70: Urlaubsgedanken“
Sehr schöne Analyse der Deutschen und Schweizer, kann ich so bestätigen und finde den Schweizer Weg deutlich besser!
Und gute Fahrt an die Holländische Küste, dass muss noch sein!
Danke! Mal sehen, was noch geht. 😉
Das mit dem Frühaufstehen würde ich weniger dem Urlauber an sich zuschreiben, sondern mehr dem Zeltschläfer. Wenn es um sechs hell und heiss und stickig und laut ist, dann steh selbst ich auf.
Den fehlenden Hunger (und den fehlenden Kiloverlust trotz riesigem Kaloriendefizit) kenn ich vom pilgern auch. Der Körper scheint da einfach in einen anderen Modus zu wechseln.
Die Beobachtung mit dem Schweizer Umgang mit Geld finde ich großartig, würde Deutschland auch durchaus gut tun. Ein 9€ Schnitzel, das den Teller überragt, braucht kein Mensch.
Ich würde dem Baum gerne einen Joint ankleben.
Und das mit der Alternativen Staatsform haben wir doch auch schon geklärt: Juan und Britta übernehmen die Weltherrschaft. Dann muss sich keiner mehr mit unnötigen Fragen befassen und alle sind glücklich.
Morgens um 6 ist es im Zelt noch nicht heiß und stickig. Da ist es kalt und nass. Aber hast schon recht. Man passt sich den Gegebenheiten an. Macht vor allem nach Sonnenuntergang auf einem Campingplatz nicht mehr all zu viel Sinn, noch den Larry zu machen. Gehst also eher früh schlafen. Ich bin meist auch deswegen so früh hoch, um vor den anderen im Waschraum zu sein (lange Warteschlangen, Corona…).
Juan und Britta in einer bilateralen, nicht-parlamentarischen Autokratie, eh? Wer stürzt sie, wenn sie das mit der gerechten Verteilung von unten nach oben nicht hinbekommen. 😉
Ja, hier kann der Joghurt nicht günstig genug sein, sonst fährt man aber SUV ;-D
P.S.: Die Hintergrundfarbe ist nicht schön…
Why? 🙂
Ich bin mir nicht sicher, „blendet“ irgendwie… ?
Bisschen Charakter muss sein…