Kategorien
Yeah

Geld oder Leben


Früh morgens in Prüm habe ich die Wahl: Für knapp 10 Euro mit Bussen und AST nach Kronenburg zurück, was mit Umstiegen über 3 Stunden dauert. Oder mit einem Taxi in 20 Minuten, dafür aber für um die 60 Euro. Hohe Kosten oder wertvolle Lebenszeit. Geld oder Leben.

Ich entscheide mich für das Taxi, ich habe keine Lust, einfach drei Stunden mit ÖPNV für nichts und wieder nichts zu verbraten. Der Taxifahrer klingt sehr freundlich am Telefon, kündigt seine Anfahrt binnen 10 Minuten an, kommt auch pünktlich und ist dann ein ganz junger Kerl.

Und er ist die Art von Mensch, mit der ich mich auf Anhieb verstehe. Muss man sich mit dem Taxifahrer verstehen, muss die Chemie stimmen? ? Na, schon nicht, aber schadet auch nicht. Mit Menschen aus der Eifel habe ich mich eigentlich schon immer gut verstanden.

Er begrüßt mich mit einem „Moin moin“, obwohl er, wie ich vermute und wie er gleich darauf erzählt, aus der Gegend kommt. „Ja, mein ganzes Leben schon.“ Voriges Jahr hat er das Taxiunternehmen übernommen. „Aus Bonn kommst du, hm? Nee, das wäre nichts für mich. Zu groß, zu laut, da bekäme ich keine Luft.“

Er hört die meiste Zeit zu und lässt mich reden, und ich rede tatsächlich, wie mir der Schnabel gewachsen ist. Ich fühle mich neben ihm vollkommen sicher und entspannt, irgendwie löst er das in mir aus. Aber er beantwortet auch in Redelaune alles, was mich so interessiert. Dass wir sofort per du sind, erleichtert die Sache.

Nach fünf Minuten erscheint ein Anruf auf der Bordkonsole. „Bumsbiene“ ruft an. Oha, das wäre jetzt aber ein hartes Klischee, wenn das seine Partnerin wäre… Er nimmt ab – eine Männerstimme meldet sich, jovial: „Naa, alles klar bei dir? Wie lang machst du schon?“ Und dann ein wenig seriöser, die Stimme: „Du, da will einer gleich von E nach F fahren. Ich bin dann mal eine halbe Stunde unterwegs, ja?“

Nach Ende des Gesprächs klärt er auf: „Das war mein Schwiegervater. Er arbeitet mit im Betrieb. Wir haben ein sehr entspanntes Verhältnis.“

Das merkt man.

Vor der Fahrt hatte er den Preis auf „45 bis 50 Euro“ geschätzt, mittlerweile ist das Taxameter bei 66, und wir verpassen die Ausfahrt, weil er gerade noch ein Gespräch annimmt. „Du, wo müssen wir denn eigentlich raus?“, fragt er, als wir Kronenburg schon verpasst haben. „Eigentlich dahinten“, sage ich ruhig. „Oh, das war dann wohl jetzt mein Fehler“, entgegnet er. „Du! Weißt du was? Wir machen jetzt ’nen Fixpreis, 60 Euro. Ich bin ja der Chef. Dann gibt’s auch Chefbehandlung“. Und schaltet das Taxameter aus.

Als wir oben in Kronenburg ankommen und es ans Bezahlen geht, sagt er: „Ach komm, weißt was, weil heute Sonntag ist und wir uns so gut unterhalten haben, meine gute Tat: 50 Euro, und es passt.“

Ich gebe ihm 60 rüber. Er guckt überrascht. „Passt schon“, sage ich. „Eine gute Tat von dir, eine von mir, dann wird das heute ein guter Tag.“

Wir verabschieden uns mit Handschlag, beinahe wie zwei alte Freunde.

Ja, hätte ich solche Freunde dort vor Ort: Ich könnte mir zum ersten Mal überhaupt vorstellen, nicht in einer Großstadt leben zu müssen.

Es geht also nicht nur ums Geld. Alleine für diese wunderbare Begegnung hat es sich gelohnt, zum Taxi zu greifen. Geld und Leben, es ist beides möglich.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.