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Goodbye Counter, hello Devotion

Ich bin Journalist von Beruf, also muss ich irgendwie damit Geld verdienen. Das macht es schwer, ein damit verwandtes Projekt nur aus Leidenschaft zu pflegen. Und auch beim Start von Junglenotes habe ich mir überlegt, welchen Stat-Counter ich hier einbauen würde. Etwas, das mir anzeigt, wie viele Besucher täglich kommen, welche Beiträge ihr am meisten lest, ob es wächst. Klar, der Traum eines leidenschaftlichen Schreibers ist es, irgendwann mit seiner Leidenschaft Geld zu verdienen, davon vielleicht sogar leben zu können.

Ich muss gestehen, dass der Counter, den ich vergangenes Jahr auf Leidartikel eingebaut habe, mit Schuld daran war, dass ich das Projekt irgendwann aus Frust „erschossen“ habe. Bei jedem Besuch zeigt Jetpack in einer kleinen Grafik mit hübschen Balken im Backend an, wie viele Besucher pro Stunde in den letzten 24 Stunden kamen. Wenn ich mir für einen Text besonders viel Mühe gegeben hatte und niemand ihn las, war das hochgradig frustrierend. Das wollte ich also für Junglenotes auf keinen Fall wiederholen.

Also kam mir der Gedanke, einfach loszulegen und nach einem Jahr erst zu schauen, wie sich das Ganze entwickelt haben würde. Dafür hätte sich Google Analytics geeignet, was ich vor Ewigkeiten mal benutzt habe. Ich loggte mich ein, sah uralte Accounts von mir und ein völlig verändertes, irgendwie überladenes Interface. Die alten Accounts konnte ich nicht einfach löschen, ich musste eine Löschung erst beantragen (WTF). Ein Projekt würde sich in Kampagnen aufteilen. Die Oberfläche war ganz und gar nicht selbst erklärend. Ich musste einige Einstellungen erst googeln, um sie umsetzen zu können. So ein Driss. Aber irgendeinen Tracker musste ich ja benutzen, nicht wahr? Schließlich wollte ich ja wissen, wie sich das Ganze entwickelt.

Musste ich? Wollte ich?

Ich hielt für einen Moment inne und überlegte, was ich eigentlich wollte und was nicht. Ich mag nicht, was in den letzten Jahren aus dem Internet geworden ist. Praktisch jedes Projekt, dass irgendwie aus Leidenschaft ins Leben gerufen wurde, wurde von kommerziellen Projekten verdrängt. Übrig geblieben sind effekthascherischer Clickbait, Gängelei, Hass oder im besten Falle noch getriebene Kreative, die mit ihrer Leidenschaft berühmt geworden sind und sich jetzt dabei aufreiben müssen, ihre Zahlen zu erfüllen. Und die treibenden Kräfte dahinter sind Facebook und Google. Und genau denen sollte ich mich jetzt ausliefern?

Ja, ich habe den Traum, irgendwann von meinem Herzensprojekt leben zu können, in das mir keiner reinredet und in dem ich alles möchte, aber nichts muss. Brauche ich dafür einen Counter?

Als ich ein kleiner Junge war, gerade so über den Tisch gucken konnte, da nahmen mich meine Eltern mal mit ins Kino in einen Asterix-Film. Müßg zu erwähnen, wer danach der größte Asterix-Fan der Welt war. Ich konnte noch nicht viel lesen und kaum was von dem verstehen, was in der Zeitung stand. Aber nachdem ich lange genug gebohrt hatte, verrieten mir meine Eltern, wo das aktuelle Kinoprogramm zu finden war. Drei Zeilen in jeder Ausgabe der Tageszeitung.

Der alte Asterix-Film verschwand aus dem Kinoprogramm und ich schaute jeden Tag, wann der neue käme. Dass das eine Weile dauern könnte, wusste ich damals noch nicht. So ging das ein paar Tage, Wochen, Monate. Und jeden Morgen schlug ich wieder die Zeitung auf. Nichts, kein Asterix. Aber ich guckte weiter, jeden Morgen, inzwischen verstand ich auch viel mehr von dem, was sonst noch in der Zeitung stand. Eines Morgens dann, es dürfte weit über ein Jahr nach dem ersten Tag gewesen sein, stand da, ich weiß es bis heute: „Kino 3: Asterix bei den Briten“. Ich fiel fast vom Küchenstuhl. Mit Beharrlichkeit hatte ich es geschafft, dass ein Film, von dem ich noch gar nicht wusste, dass es ihn überhaupt gab, ins Kino kommt.

Na gut, eigentlich habe ich nur beharrlich auf etwas gewartet, dessen Fügung überhaupt nicht in meiner Macht stand; das habe ich damals natürlich noch nicht gewusst. Aber denke ich heute zurück, gab es nicht oft in meinem Leben Dinge, die ich mit solcher Beharrlichkeit gemacht habe, ohne zu wissen, ob sie jemals erfolgreich werden würden. Genau genommen hat eben diese Beharrlichkeit im Alter immer weiter abgenommen.

Dabei ist Beharrlichkeit genau das, was Leidenschaft befeuert. Bleib hartnäckig, bleib am Ball, hoffe nicht auf schnelle Erfolge, hinterfrage dich nicht all zu oft selbst und mach täglich geilen Scheiß. Dann hast du zumindest die Chance, davon auch irgendwann leben zu können. Und wenn ich auch nicht bei allem im Leben die Möglichkeit dazu habe, hier bei Junglenotes habe ich sie.

Von daher gibt es hier bis auf Weiteres kein Jetpack, kein Google Analytics, keinen Counter, aber Leidenschaft.

10 Antworten auf „Goodbye Counter, hello Devotion“

Krasse Ansage von Dir! Und eine tolle Geschichte! Großen Respekt hab ich vor Deiner Einstellung!
Ich habe übrigens alle Leidartikel Artikel gelesen.?

Gute Entscheidung!

Jetzt sind es ja eh nur die paar üblichen Verdächtigen und so lange brauchst du sie auch nicht tracken.

Wir lesen eh alles was du schreibst ?

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