Kategorien
Yeah

Der Abend am Meer

Auf dem Weg nach Porto zu Nicky und Juan traf es sich, dass ich das Buch „Die 4-Stunden-Woche“ noch einmal rausgekramt und angelesen habe. Eins der Bücher, die ich noch einmal lesen wollte, bevor ich sie wegminimiere. Doch es kam anders…

Ich las das Buch und ein seltsamer Schauer lief mir über den Rücken. Der Mann hat recht, dachte ich. Mit so vielen Dingen hat er recht. Vor zehn Jahren hatte ich das schon einmal gelesen, das meiste für gut befunden, eine 4-Stunden-Woche aber schlicht für zu radikal erachtet, um es in der Praxis umzusetzen. Ich war dabei, immerhin die 4-Tage-Woche recht erfolgreich umzusetzen. Mittlerweile ist aber auch das beinahe obsolet, oder einfach sehr schwer in der Praxis umzusetzen.

Weil es einfach die vorherrschende Idee ist, weil es einfach schwer ist, sich von dem Gedanken zu lösen, grundsätzlich anders zu sein als die Norm, die nun einmal vorsieht, montags bis freitags nine to five zu arbeiten. Und so dehnt sich meine Arbeit meist auch auf die vollen fünf Tage aus. Dass ich vier schaffe, ist eher die Ausnahme.

Als ich das Buch jetzt noch einmal in die Hand nahm und die ersten hundert Seiten direkt auf dem Flug verschlang, hatte ich teilweise Tränen in den Augen. Wie viel Bullshit wir Tag für Tag tun, weil wir meinen, den Arbeitstag eben ausfüllen zu müssen. Weil wir der Meinung sind, Arbeit müsse anstrengend sein, sonst wäre es keine Arbeit. Weil wir immer noch meinen, je länger wir arbeiten, desto besser wäre unsere Arbeit. Weil wir nicht diejenigen sein wollen, die als Faulpelze gelten, wenn wir weniger arbeiten als andere. Weil wir nicht delegieren können oder wollen, weil wir nur einen Sinn in unseren Leben finden, wenn wir eine Aufgabe haben, die so und so lange dauert. Wie wir uns mit Nebensächlichkeiten und endlosen Meetings herumschlagen, nur damit wir bei Feierabend sagen können: hey, heute habe ich ja viel geschafft.

So viel Dummheit, Tag für Tag, und doch machen wir da mit, weil wir eben denken, dass es so sein muss, dass das Aussteigertum auch dekadent wäre und das ja auch nicht jeder machen kann.

Es muss nicht am Ende wirklich eine 4-Stunden-Woche dabei herauskommen, aber so ein Buch zu lesen, kann ungemein Wirkung erzeugen.

Und wenn es nur das ist, dass ich mir heute zum Ziel gesetzt hatte, eine sehr wichtige E-Mail vorzubereiten, meinen Smartphone-Testbericht zu strukturieren, ein paar unwichtige Aufgaben wegzulassen und alles so geradlinig und schnörkellos anzugehen, dass ich heute um 1600 den Hammer hinlegen und nach Foz ans Meer laufen könnte.

Und mehr noch, ich war so begeistert von der Idee, dass ich das klar kommunizierte und mit dem Plan meine beiden Gastgeber:innen mit meinem Enthusiasmus ansteckte. Nicky war mehr oder weniger sofort dabei, sagte zwar: joa, morgen würde ihr zwar eigentlich besser passen mit einem Meerabend, aber what the heck, sie ist dabei. Juan hatte noch einen wichtigen anderen Termin vorher, aber es kam später nach.

Nicky und ich spazierten dann die gute Stunde ans Meer. Wir kamen an einem koreanischen Markt vorbei und Nicky meinte: „Ach ja, da wollte ich auch noch mit dir rein, während du hier bist. Wir müssen mal gucken, wann wir das am besten…“ Zack, Jürgen schon in den Laden reingelaufen, Nicky hinterher.

Wenig später kamen wir an einem Laden für Enchiladas vorbei. Ich hatte tatsächlich gerade ein wenig Hunger. Kurz Nicky gefragt, ob sie eins probieren würde. Zack, waren wir in dem Laden und haben jeder ein – durchaus leckeres – Enchilada probiert.

Als uns dann eine halbe Stunde später noch ein koreanischer Burgerladen über den Weg lief, in dem wir noch nie waren… you get the picture.

Einfach mal machen, woran man Spaß hat, statt immer nur im „Müssten wir mal“ zu bleiben. Warum ist man nach ein paar Monaten Alltag nur immer so festgefahren?

Als Juan später dazu kam und wir in einer Beachbar in Foz ein paar Drinks nahmen, am Meer saßen, den Sonnenuntergang begutachteten und was aßen, meinte Juan irgendwann: „Ist das nicht einfach schön hier?“. Und ja, das war es. Es wurde, relativ spontan, einer der coolsten Abende überhaupt.

Das könnten wir uns rein finanziell schon nicht jeden Tag leisten, und was für den einen Alltag ist für den anderen Urlaub, dann geht sowas manchmal.

Der Punkt ist: Zu all dem wäre es nicht gekommen, wenn ich das Buch auf dem Hinflug nicht angelesen und mir ein paar Ideen wie „Arbeit dehnt sich immer bis in die dafür zur Verfügung stehende Zeit aus, also setze frühe Deadlines“ nicht als Wiederauffrischung geholt hätte.

Zu all dem hat „Die 4-Stunden-Woche“ schon beigetragen. Ich bin erst auf Seite 120, aber ich kann jetzt schon sagen: Das Buch ist von 2007, aber verdammt gut gealtert. Taugt nur sehr gut dazu, einen zum Umdenken zu bewegen.

4 Antworten auf „Der Abend am Meer“

Schöner Hinweis auf diese Buch, sehr gute Denkanstöße. Gilt allerdings wohl überwiegend für die bullshit Jobs der Schreibtisch Leute, nicht so bei Leuten, die wirklich arbeiten, Pflegepersonal, Ärzte, Polizei, Paketausfahrer und dergleichen.

Pflegepersonal, Ärzte, Polizei, Paketausfahrer und Co. würden sich bestimmt auch über eine 4 Tage Woche freuen 🙂
Es hängt halt davon ab, was als Standard von der Gesellschaft akzeptiert ist und was Arbeitgeber und Arbeitsgesetz festlegen. Warum ausgerechnet eine 5 Tage Woche? Und K.I. kann bestimmt in Zukunft helfen repetitive, monotone Arbeit abzunehmen, um einen zusätzlichen freien Tag zu ermöglichen 😉
Solange können die Schreibtisch Leute ja die Vorreiter sein und mit ihren Träumen von einer schöneren Welt den Weg dahin ebnen.

Die 4-Tage-Woche ist auf jeden Fall möglich, denke ich. Das zeigt sich ja schon in Studien, dass man in 30h das gleiche schafft wie in 40. Bei Ärzten, Pflege, Polizei und Co. kenne ich mich nicht so aus. Aber das würde vermutlich sehr teuer werden. Das Buch dreht sich übrigens um die 4-STUNDEN-Woche, also ist noch ein paar Portionen extremer. 🙂 Es geht darin aber vor allem darum, seine Arbeit einmal völlig zu durchdenken und zu überlegen, was einem im Leben wirklich wichtig ist.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.