Ich befasse mich derzeit wieder verstärkt mit dem Thema extrovertiert/introvertiert. Darüber, dass ich selbst das Paradebeispiel eines Introvertierten bin, schrieb ich bereits. Bei der Gelegenheit habe ich noch einmal nachgedacht, wer von den Menschen, die ich kenne oder die mir mal über den Weg gelaufen sind, wohl auch ähnlich gestrickt sein könnten. Und jetzt kommt der „Witz“: Ich selbst bin eigentlich auch gar nicht sooo heiß auf andere Introvertierte – zumindest wenn man es auf ihre/unsere eher schlechteren Eigenschaften herunterbricht. Gehen wir das mal durch. Besonders introvertierte Menschen…
- Integrieren sich nicht [weil sie gelernt haben, dass sich Anpassen nur noch unglücklicher macht]
- Wirken oft mies gelaunt [weil sie schnell überfordert sind]
- Gehen nicht gerne auf Partys oder generell aus [weil sie von großen Menschenmassen schnell überfordert sind]
- Sagen eher selten, wie sie sich fühlen [weil sie erst Vertrauen zu einer anderen Person aufbauen müssen]
- Erzählen allgemein eher wenig von sich aus [weil sie sich und das, was sie erleben, oft gar nicht für sooo wichtig halten oder sie gelernt haben, daran gar nicht interessiert sind]
- Müssen meist erst angesprochen werden [neue Kontakte aufzubauen, fällt ihnen schwer]
- Man weiß nie, woran man bei ihnen ist [sie neigen zu weniger Körpersprache und reagieren aus Überforderung heraus manchmal einsilbig]
- Sie reden nicht viel in Meetings [weil sie über Dinge lieber ein wenig nachdenken statt sie sofort rauszuposaunen, sie nicht selten von besonders Extrovertierten untergebuttert werden und sie Meetings oder gar Brainstormings generell nicht sonderlich mögen].
- Sie kosten Energie, denn der Gesprächspartner/ die Gesprächspartnerin muss sich um sie bemühen [da ihnen Zuhören leichter fällt als Reden].
- Von daher benötigen sie auch sehr viel Verständnis.
- Sie lassen sich lieber einladen als dass sie selbst jemanden einladen [das Zuhause ist der sichere Rückzugsort, da kommen nur Leute rein, die als „safe“ deklariert wurden und Verständnis dafür haben, wenn man sie irgendwann wieder wegschickt].
- Sie ziehen sich manchmal einfach zurück, ohne dass man genau wüsste warum [um ihre Batterien wieder aufzuladen, meist hat sie irgendwas oder irgendwer überfordert]
- Oft sieht man sie tagelang nicht [weil sie der Job, Beziehungen oder sonst etwas überfordern und sie dann jetzt nicht auch noch andere Leute treffen können, die wieder Energie kosten]
- Sie sagen oft aus fadenscheinigen Gründen ab [s.o. weil ihre Batterien einfach leer sind und sie jetzt nicht auch noch Menschenmassen um sich herum haben können].
Das alles beschreibt den „Extremfall“ eines/r Introvertierten. Wenn ihr so wollt, habe ich hier auch gerade meine eigenen schlechten Eigenschaften aufgelistet. Nicht jede/r Intovertierte ist derart veranlagt, und es gibt viele Misch- und Zwischenformen zwischen Intro- und Extraversion. Und ich kenne auch mindestens einen Introvertierten, der reden kann wie ein Wasserfall (allerdings ohne dabei anderen auf die Nerven zu gehen, darauf gibt er Acht).
Aber schaue ich mir die Liste der negativen Eigenschaften an, denke ich mir: Puh! Wenn da jetzt so jemand um die Ecke käme, hätte ich eigentlich auch gar nicht so viel Bock darauf, mich mit dem lange zu befassen. Was hätte ich denn davon?
Und das ist eben auch das Dilemma von Introvertierten. Sie wissen um ihre schlechten Eigenschaften, wissen auch, dass das alles für Andere gar nicht mal so spannend ist, können aber nicht raus aus ihrer Haut und Sozialkontakte brauchen sie halt eben doch.
Die meisten meiner Freunde und Bekannten würde ich als „so mittig“ beschreiben. Sie sind anderen Menschen eher zugewandt, sie haben da auch offensichtlich mehr Spaß dran (sonst würden sie mich nicht treffen wollen), sie können meist besser reden als ich (was mir lieb ist, dann muss ich nicht so viel erzählen), sie können aber auch zuhören. Das ist mir besonders wichtig. Wer das nicht kann, den werde ich niemals zu Hause einladen.
Neulich hatte ich mal beruflich mit einem extrem Extrovertierten zu tun und, nun ja, es kam, wie es kommen musste. Wir haben uns eine Weile zur Zusammenarbeit zusammengerauft, aber dann knallte es irgendwann. Trotzdem mochte ich ihn irgendwo. Er war ne echte Type. Hätte ich mit einem Introvertierten zusammenarbeiten müssen – würden wir das wahrscheinlich noch heute. Aber es wäre wahrscheinlich weniger interessant geworden.
Ich finde das alles faszinierend.
Und in der nächsten Woche reden wir mal über die guten Eigenschaften von Introvertierten. Die gibt es nämlich auch.
Eine Antwort auf „Ich komme mit Introvertierten nicht gut klar“
Hallo Jürgen,
gut, dass du das mit den Eigenschaften bzw. den dahinter liegenden Umständen mal so dargelegt hast. Das hilft mir, dich besser zu verstehen☺. Herzliche Grüße, Jens