Kleines Aventure am Schluss des Urlaubs, und ich gebe zu, ich musste mir vorher ein wenig Mut antrinken. Na ja, am Abend vorher gab es ein großes Guinness und ein kleines Hophouse in einem Trierer Irish Pub, während ich auf dem Handy die Route absteckte, mehr dann auch nicht. Die Kellnerin hat mich die ganze Zeit gesiezt, das weiß ich noch.
Der Ursprungsplan war, die Strecke durch die Eifel an 2 Tagen anzugehen, und mich am ersten irgendwie bis zum Nürburgring durchzuschlagen. Dort gibt es einen Zeltplatz, und das wären etwa 100 km Wegstrecke mit 1.300 Höhenmetern. Ich sah auf meinen bereits gespeicherten Strecken nach: Auch bei meinen ersten Etappen in den und im Westerwald waren es jeweils 1.100 Höhenmeter, wenn auch nur 70 km Strecke. Bisschen weniger, aber das war machbar gewesen. Die Alternative wäre die Bahn bis Koblenz und von da mit dem Rad nach Hause, aber das wäre lame und keine echte Rundreise. Ich beschließe, es zu versuchen.
Morgens um 0630 geht der Wecker, um kurz nach 0800 gebe ich den Chip an der Rezeption am Trierer Campingplatz ab und fahre los. Die ersten 50 km sind tatsächlich fast kerzengerade. Es geht über den Trierer Norden und Schweich an der Mosel entlang und dann über das Salmtal nach Wittlich. Unterwegs stoppe ich einmal für ein kleines Frühstück und kaufe ein paar Snacks im Supermarkt für später.
Als ich im Salmtal ankomme, bin ich aus dem Häuschen, als ich das Stadion des FSV Salmrohr entdecke. Ich bin kein Groundhopper, aber ein kleiner Fußballnostalgiker: Salmrohr ist wohl der kleinste Verein, der jemals in der 2. Bundesliga gekickt hatte, damals in den 80ern, als ich anfing mich für Fußball zu interessieren. Doch das Stadion sieht ziemlich verwaist aus. Am Hintereingang fange ich einen Bauarbeiter ab, der dort gerade zu Werke ist. Nein, da würde derzeit niemand spielen, da gäbe es irgendwie Probleme mit einem Finanzier. Er würde sich ansonsten gar nicht für Fußball interessieren, er kenne keinen einzigen Spieler. Ich kann es kaum glauben und zähle ein paar deutsche Nationalspieler auf. Er winkt ab: nie gehört. Aber er sei Fernfahrer gewesen und wäre 5 Millionen Kilometer gefahren in seinem Leben. Hört, hört! Ich darf kurz auf den Platz und ein Foto schießen:
In Wittlich geht es dann den Berg hinauf, aber ich habe Glück: Komoot leitet mich etliche Kilometer über den fantastisch ausgebauten Maare-Mosel-Radweg. Die Steigerung ist stetig und nur moderat bei 2-3 Prozent. Es geht sogar durch einige Tunnel hindurch. Hinter dem alten Bahnhof Plein sehe ich die Werbung für einen Biergarten um die Ecke. Es ist 1200, es ist heiß, die Hälfte der Strecke habe ich. Ich kehre kurz dort ein und gönne mir ein fantastisches Hanfbier. Hätte er selbst gebraut, sagt nickend der Wirt, in Personalunion auch Braumeister der kleinen Brauerei.
Der Weg danach führt durch kleine Dörfer, Wald, viele Felder. An einem kleinen Ort mache ich Mittagspause, irgendwo nahe Mehren auf einem Friedhof fülle ich meine Trinkflaschen wieder auf. Es ist merklich kühler hier oben und da ich durch die Steigungen schwitze, wird mir bei den Abfahrten ganz schön kalt. Aber bisher ist das alles moderat und gut machbar mit den Steigungen. Irgendwo hier beschließe ich: Ich ziehe das durch mit dem Eintagestrip nach Bonn, wird schon klappen!
Gegen 1600 komme ich in die Nähe des Nürburgrings – und werde ihn nicht in allerbester Erinnerung behalten. Zum ersten schickt mich Komoot über die alte Südschleife, die heute nur noch bei Events als Parkplatz genutzt wird und ansonsten brach liegt. Die Asphaltdecke ist aber formidabel, und das ist tückisch, denn sie verschleiert die auf einmal enorme Steigung. Mein Fahrradcomputer zeigt 6, 8, später auch teils 15 Prozent Steigung an, und das über mehrere Kilometer. Mir läuft die Soße, und als ich die Steigung überwunden habe, hat Komoot nichts Besseres im Sinn, als mich 2 Kilometer über die Bundesstraße zu schicken, die keinen Bürgersteig oder Fahrradweg hat. Das wäre anderswo zu verkraften, aber hier fahren die Jungs mit ihren getuneten Maschinen auch abseits des Rings megasportlich. Ich gebe Gas, dass ich da schnellstmöglich rauskomme und habe Glück, dass ich als einziger Radfahrer unter Mobilisten offenbar besonders auffalle und deswegen nicht übersehen werde.
Kurz nach 1700 erreiche ich Adenau – ein hübsches Städtchen, in dem auch gerade ein kleines Fest stattfindet. Die 100 km habe ich mittlerweile geschafft, und ab jetzt soll es viele Kilometer nur bergab gehen. Ich rufe am Zeltplatz an: bis 2100 hätte die Rezeption auf, sagt der Mann. Es ist da 1730, und das Navi zeigt noch 3:20h an. „Ich komme“, sage ich ihm. Das werde ich jetzt schaffen!
Die Strecke von Adenau bis Altenahr ist nicht nur beinahe eben, sie ist auch wunderwunderschön. Ich war an der Ahr selten mal weiter gekommen als (von Bonn aus gesehen) Altenahr, aber hier bietet sich dem Auge noch einmal richtig etwas, von ruhigen Flussauen über toll erhaltene Fachwerkhäuser bis hin zu Bergkapellen. Dazu ist der Radweg hier bis auf einige Flutschäden richtig gut ausgebaut.
Hinter Altenahr aber ist der Spaß vorbei, denn Komoot schickt ich den Berg hinauf. Und zwar erst im Ort und danach – verdammt, schon wieder – kilometerweit über die seitenstreifenfreie Bundesstraße. Auf der es jetzt natürlich auch noch bergauf geht. Ich versuche, den doch zahlreichen Autos und mir selbst einen Gefallen zu tun, indem ich in der immerhin halbwegs gut ausgebauten Gosse nach oben hechte. Spaß macht es trotzdem keinen, und obwohl keiner hupt, weiß ich natürlich, dass ich den Autofahrern hier gehörig auf die Nerven gehe. Aber anders geht es den Berg hier nicht hoch.
Nassgeschwitzt aber immerhin unversehrt komme ich in Hilberath an, und werde mit diesem magischen Ausblick versöhnt:
Ab jetzt geht es bis auf einige Kleinigkeiten nur noch bergab, hinter Berkum sogar 10 Kilometer bei formidablem Gefälle in einem hinunter Richtung Mehlem. Bonn-Mehlem natürlich. Ich hab’s geschafft und freue mich wie ein kleines Kind, als ich das Ortsschild passiere.
Jetzt nur noch weiter bis Rolandswerth, wo ich auf dem Campingplatz unterkommen möchte. Die 15 km bis nach Hause hätte ich zwar jetzt auch noch geschafft, aber ich würde viel lieber noch eine Nacht campen und morgens mit Siebengebirgsblick aufwachen. Um kurz nach 2030 erreiche ich die Rezeption und werde draufgelassen. Ich baue das Zelt auf, mache mich frisch und bekomme dann sogar noch sehr netten Besuch.
Etwas über 150 km zeigt der Fahrradcomputer an, etwa 1.600 Höhenmeter (meine Smartwatch sagt sogar: fast 2.000). Gut 12 Stunden war ich also unterwegs; im Hellen gestartet, noch im Hellen angekommen. Und der Witz ist: Ich bin noch nicht einmal besonders kaputt von der ganzen Reise. Sooo schlimm war’s nämlich am Ende gar nicht. Hart, aber weniger hart als befürchtet. Und doch bin ich da jetzt schon ein wenig stolz drauf: Einmal ohne Motor durch die ganze Eifel an nur einem Tag – muss mir erstmal einer nachmachen. 🙂
4 Antworten auf „Trier-Bonn an 1 Tag“
Verrückt der Typ! 😉
Bisschen. 😉
Coole Tagestour.. Auf dem Campingplatz Siebengebirgsblick habe ich im Sommer 2018 das bittere 0-2 gegen Südkorea miterleben müssen.
Bei unser 4 Daagse Vorbereitung (2×50) habe ich den Campingplatz erst vor Kurzem wieder passiert,
Meine Fussballzeit hat erst 88 begonnen. EM 88 Halbfinale: Van Basten, Kohler, Koeman Skandal mit Thons Trikot
http://www.lessentiel.lu/de/story/diese-widerwaertigen-deutschen-847066524535
Deshalb kenne ich Salmrohr nur vom Namen her….
Danke! Was hast du denn 2018 da auf dem Campingplatz gemacht? Und haben wir deswegen verloren? 😉