War ne tolle Idee zu versuchen, Karneval in diesem Jahr komplett zu überspringen, aber den Ort dabei nicht zu verlassen. Also den Ort, der neben dem größten Karnevel-Kneipen-Hotspot liegt und an dem am Rosenmontag der Zoch vorbeikütt. Selbst als die Karnevalsleeder unten schon dröhnten und die Leute zu hunderten herbeiströmten, dachte ich mir noch: Ich sitze das einfach aus.
Um dann immer unruhiger zu werden, immer öfter aus dem Fenster zu starren, mich zu fragen „Was mache ich hier eigentlich“ und gegen 1600 Uhr schließlich aufzugeben. Dann halt doch. Mal sehen, was passiert.
Ich pingte Felix an, grub im Keller meine Karnevalssammlung aus, legte notdürftig eine Perrücke, Sonnenbrille und einen Bademantel an und machte mich auf den Weg.
Aber auf der Ecke zeigte sich, dass sich die Straße nicht ohne Tanz würde überqueren lassen. An Clowns, Pappnasen und Cowgirls vorbei schunkelte ich mich auf die andere Straßenseite, wo eine Gruppe ein Fünfliterfass Kölsch mit Panzertape an einem Straßenschild angebracht hatte und kräftig daraus zapfte. Man bot mir eins an, aber ich hatte schon ein Wegbier in der Hand.
Durch den löchrigen Zoch zur Truhe geschlängelt, traf ich Felix und zwei seiner Mitstreiter, verkleidet als Magnum, Kellner und Pinguin. Wir kamen mit der Barbie neben uns ins Gespräch. Irgendwer organisierte Kaffeetassen und schenkte uns Sekt aus. Man warf mir eine Tafel Schogetten zu, Haribos, ein Quietscheentchen (habe ich behalten) und eine niedliche Schlange als Kuscheltier (schenkte ich dem kleinen Mädchen neben mir). Auch einen Stoffbeutel warf eine verkleidete Dame uns zu – keine Reaktion. Da hob sie es – zu unserer Entrüstung – wieder auf: „Nää, wenn ihr eusch nit bückt, nimm isch et widde met!“.
Drinnen schaukelten wir uns erst zu „Wir sin all nur Minsche“ warm. Bei „Do bess en Stadt“ auf Einladung unserer Nebensteher schon Arm im Arm in einer Siebenergruppe. Das FC-Kölle-Lied grölten wir wie immer mit alternativen Fußballvereinen mit: „Mir stonn ze dir, WERDER BREMEN“, „EINTRACHT FRANKFURT“ oder „FSV SALMROHR“. Später hielt ich ein überraschend tiefgehendes Gespräch über Berufe, Liebe und das Leben an sisch mit der etwa gleichaltrigen Dame neben mir.
Wenn ein Wildfremder beim passenden Lied gerade vorbeilief, etwa um sich zum Klo durchzuschlängeln, wurde er kurzfristig ermahnt, sich gefälligst kurz einzuhaken und mitschunkeln, so viel Zeit müsse sein. Irgendwann hatten wir fast alle Umstehenden schon etwas genauer kennengelernt und arbeiteten uns zu einem anderen Teil der Kneipe vor. Nach dem vierten Kölsch sprach ich einen lateinamerikanisch aussehenden jungen Mann neben mir an und sagte ihm, er erinnere mich an den Fußballer Claudio Pizarro. „Fast“, sagte der. Sein Cousin sei mit Pizarro zur Schule gegangen.
Gegen 2100 Uhr hatten wir dann auch genug. Wir verabschiedeten uns herzlich von allen Umstehenden, verabredeten uns fürs nächste Jahr erneut an selber Stelle (wohl wissend, dass daraus eher selten etwas wird), genehmigten uns noch etwas zu Essen unterwegs oder zuhause und gingen schlafen.
Und das war Karneval 2024.
Daraus gelernt:
- Wie so oft: If you can’t beat them, go with them. Meist is‘ dann auch gar nicht so schlimm.
- Es bricht das Eis. Du kannst mit beinahe jedem einfach drauflos quatschen. Etwas, was im Alltag ja so schwer ist.
- Es fühlt sich danach wirklich an, als wäre der Winter vorbei. Bisschen gesungen, getanzt, geredet und die Wintergeister damit vertrieben.
- Ebenfalls wie so oft: Keine Erwartungen, aber die werden übertroffen.
- Lächeln hilft, Menschen kennenzulernen.
- Es dauert ein wenig, bis das „Wintereis“ gebrochen ist und man die richtigen Worte findet.
- Nit denke, schwaate!
Gut, aber der eine Tag hat mir dann auch gereicht.
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Nawalny stirbt den Märtyrer-Tod. Kann man wohl nicht anders sagen. Er hätte 2021 (noch vor dem Ukraine-Krieg!) nicht nach Russland zurückkehren müssen, man warnte ihn sogar eindringlich davor. Aber er tat es trotzdem, wohl wissend, welches Schicksal ihm blühen würde.
Welches Schicksal ganz nebenbei auch jedem von uns blühen könnte, wenn dieser Despot in Moskau nicht gebremst wird. Militärexperten rechnen damit, dass Putin in fünf Jahren so weit sein könnte, die östlichsten Nato-Staaten anzugreifen. Und schaue ich mir an, wie viel wir hier diskutieren statt zu liefern (Waffen, Munition, um genau zu sein), sehe ich die Gefahr als real an. Zumal sich drüben in Amerika politisch nichts Gutes zusammenbraut.
Wir müssen handeln, schon um unser selbst Willen.
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Wenig los hier in letzter Zeit. Ich versuche, das mal wieder etwas zu intensivieren. Vor allem möchte ich jetzt jedem Beitrag ein Bild voranstellen. Und sei es von KI erzeugt.
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