Wenn ich von „Herz der Finsternis“ eins gelernt habe, dann, dass ich des Englischen weit weniger mächtig bin, als ich dachte…
Ich las die Novelle des polnischen (!) Autors Joseph Conrad zunächst auf Englisch, begann anfangs noch die meisten Worte nachzuschlagen, die ich nicht verstand, nur um dann irgendwann zu kapitulieren und einfach weiterzulesen. Der Kindle erlaubt zwar das Übersetzen per Knopfdruck – eine sehr praktische Funktion! Aber wenn man pro Seite eigentlich zehn Wörter nachschlagen müsste, die man nicht oder nur in einem anderen Kontext kennt, dann lässt man es besser irgendwann. Conrad hat offensichtlich mit einem Wörterbuch in der Hand geschrieben und sich bemüht, sich möglichst gewählt auszudrücken. Draped? Fringed? Flash? Crimson? Charms? Superb (in diesem Kontext)? Nee, zu viel…
Anschließend also die deutsche Übersetzung – die ich sehr gut verstand.
Was ich vorher nicht wusste, sich beim Lesen aber schnell andeutete: „Herz der Finsternis“ ist die Romanvorlage für den Filmklassiker „Apocalypse Now“. Der englische Kapitän Charles Marlow erzählt seiner Crew Jahre später von seiner einstigen Reise im Kolonialgebiet den Kongo hinauf, auf der Suche nach einem gewissen Mr. Kurtz.
„Herz der Finsternis“ wird als Kritik am Kolonialismus gesehen. Zwar spielt die Geschichte – wenn auch der Ort nicht näher benannt ist – recht zweifellos im Kongo, wo die damaligen belgischen Kolonialherren unfassbar gehaust haben müssen. Dass die Rahmenhandlung allerdings auf der Themse spielt und Marlow von dort erzählt, lässt die Allgemeingültigkeit der Kritik durchklingen. Europäer, die sich über die vermeintlich Wilden in Afrika oder anderswo auf der Welt erheben – ein Frevel, egal von welcher Nation ausgeübt.
In „Herz der Finsternis“ geht es allerdings auch um die Reise eines Menschen in die Untiefen der Seele, praktisch ins eigene Herz der Finsternis. Marlow trifft schließlich auf Kurtz, der diese Reise schon vor ihm getan hat und teils engelsgleich, teils teuflisch beschrieben wird. Seine Erkenntnis, dass am Tiefpunkt der Seele das Grauen liegt, er selbst mitgeholfen hat, es herbeizuführen und ihm nun keine Zeit mehr bleibt, es wieder gut zu machen, beschreibt die Tragik der Existenz.
War eins der Bücher, die ich unbedingt lesen wollte. Zumindest auf Deutsch hat’s mir sehr gefallen. 😉