Klingt super, nicht wahr? Zwei Wochen Portugal; tagsüber arbeiten, abends und am Wochenende feiern und Sightseeing. Ich besuche gerade Nicky und Juan in Porto, die hierhin ausgewandert sind. Schon der erste Arbeitstag lief super. Ich beeilte mich, das Wichtigste wegzuarbeiten, am späten Nachmittag wanderten wir ans Meer, genossen den Sonnenuntergang an einer Beach Bar, sinnierten über das Leben, ließen es uns richtig gut gehen.
Schnell schlich sich in dieser ersten Woche eine gesunde Routine ein. Morgens den Tag mit einem Kaffee auf der Couch beginnen, schon einmal eine Runde um den Block drehen, arbeiten, abends Sightseeing und eine sensationell gute Craftbeerbar besuchen. Und am nächsten Tag wieder eine, am übernächsten Tag auch, was essen gehen. Am Samstag erholte ich mich bei einem langen Spaziergang am Douro von einem schönen aber mich völlig überfordernden Freitagabend, bevor es dann am Sonntag nach Lissabon ging.
Wir fuhren erst Sonntag, um zumindest die allergrößten Wochenendtouristenmassen zu umgehen. Dadurch hatten wir nur den halben Sonntag, uns die Stadt anzuschauen. Aber das war eigentlich super. Wir kletterten einen Miradouro hinauf, spazierten durch die Alfama, am Strand entlang und das Barrio Alto, fanden – Überraschung – eine berühmte Craftbeerbar, unterhielten uns prächtig, nahmen noch einen Absacker in einer Kaschemme nahe unserem Hotel mit toller Aussicht auf die Stadt. Wo ein griechischer Student uns um Hilfe bat. Er könne sein Hotel nicht finden, das müsse doch laut Google Maps hier irgendwo sein.
Ich sprang sofort auf. „We’re gonna help you at all costs!“, beschloss ich. Nur einmal im Leben wollten wir etwas Gutes tun. Zwar fanden wir sein Hotel auf Google Maps auch nicht – laut der App standen wir direkt davor, aber da war nichts. Ich öffnete einen Hotspot für ihn, über den er seinen Freund anrufen konnte, der im gleichen Hotel abgestiegen war. Der Grieche bedankte sich freundlichst, sagte, er wüsste nun Bescheid, ging los und versprach wiederzukommen. Was er dann auch tat, und wir ihm noch ein Bier ausgaben. Erst um zwei lag ich im Bett.
Am nächsten Morgen, dem Montag, schaffte ich auf der Arbeit erstaunlich viel weg, beeilte mich wieder, um noch etwas Zeit für Sightseeing zu lassen. Nicky war da schon weniger produktiv, sagte sie. Aber wir zogen noch einmal voll durch durch die Stadt, sahen die berühmte Brücke des 25. April, gingen durchs Künstlerviertel und erhaschten einen wunderbaren Blick auf den Tejo am immerhin schon letzten Abend in Lissabon.
Am nächsten Tag, dem Dienstag, bekam ich gar nichts mehr auf die Reihe. Den für den Tag geplanten Videocall auf der Arbeit musste ich verlegen, weil auch das WLAN nicht so wollte wie ich. Jeder Handgriff dauerte länger als sonst. Ich bekam alles nur zur Hälfte fertig, verlegte die Hauptarbeit auf Rückfahrt im Zug am Nachmittag, wo wir 1. Klasse gebucht hatten (in Portugal gar nicht teuer), weil dort stabiles WLAN sein soll.
War auch, aber der Zug schaukelte dermaßen, dass ich nach anderthalb Stunden seekrank wurde. Ich musste das Arbeiten einstellen, Musik hören und ruhig aus dem Fenster gucken. Auch nach Ankunft erholte ich mich nur sehr langsam. Abends trafen wir dann sogar noch Kathrin und Michael, die mit dem Camper zufällig gerade in der Nähe waren und spontan nach Porto rüberkamen. Es gab ein paar Drinks in Gaia und unten am Douro. Der Plan war, dass wir uns am nächsten Abend wiedertreffen würden.
Am nächsten Tag, dem Mittwochmorgen, war ich dann komplett erschossen. Ich kam kaum aus dem Bett, und die Aussicht auf die sich türmenden Aufgaben machten mich nicht gerade produktiv. Ich kam mit kleinsten Dingen kaum hinterher, brauchte nach dem Call erst einmal einen langen Spaziergang am Fluss entlang, um wieder halbwegs klarzukommen. Aber so einsilbig und emotionslos hatten selbst Nicky und Juan mich wohl selten erlebt. Ich hatte das Gefühl, mein Endorphinspiegel wäre direkt auf null gesunken. Als es abends daran ging, Kathrin und Michael zu treffen, lag ich gerade auf dem Bett, um mich ein bisschen auszuruhen, und ich kam einfach nicht mehr hoch. ? Musste am Ende absagen. Mein Respekt, vor allem an Nicky, die trotzdem noch die Power hatte hinzugehen.
Heute beschlossen wir, einfach mal nur zu arbeiten und gar niemanden zu sehen, außer gerade noch uns selbst. Den anderen beiden ging es genauso wie mir, eindeutiger Social Overflow. Ich bekam die wichtigsten Sachen noch weggearbeitet oder zumindest auf kommende Woche verlegt. Mein Future-Self wird sich freuen…
Und jetzt ist mein Akku in etwa wieder zur Hälfte aufgeladen, aber ich habe starke Stimmungsschwankungen. Ein Spaziergang vorhin endete im Touristenviertel, und die vielen Menschen waren mir eigentlich schon wieder eine Nummer zu viel. Schnell weg da…
Und morgen ist dann São João, das Fest des Jahres in Porto. Die ganze Stadt soll im Ausnahmezustand sein, überall liegt der Geruch von gegrillten Sardinen in der Luft, man haut sich gegenseitig mit Plastikhämmern auf den Kopf, was jedes Mal ein lautes Quietschgeräusch verursacht, und wie man hört, wird sogar der sonst eher zurückhaltende Portuenser an diesem Tag laut und geht aus sich heraus und feiert die ganze Nacht durch. Es muss der Wahnsinn werden, und ich weiß jetzt schon, dass es mich komplett überfordern wird. ?
Dann haben wir den Samstag zum Ausruhen, Sonntag ist dann schon der letzte Abend und Montag ganz ganz früh, viel zu früh, geht es dann zurück ins heiße Deutschland.
Workation – my ass. ? Es gilt als DAS Ding, als die Befreiung, als große Chance, gerade für digitale Nomaden, die Welt zu bereisen, Arbeit und Urlaub zu verbinden. Aber eins von beiden leidet dann doch, oder am Ende du selbst. Ich feiere das Konzept, aber entweder bin ich da langsam zu alt für, oder es ist längst nicht so toll, wie es im Katalog steht. Ich hab zumindest die richtige Work-Travel-Balance dafür noch nicht gefunden…
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Irgendwie ist meine Handynummer auf diversen Spamlisten gelandet, und jetzt bekomme ich andauernd sonderbare Nachrichten, entweder von Bitcoin-Tradern oder von – angeblich – jungen Frauen, die „aus Versehen“ eine Nachricht an meine Adresse geschickt haben. Etwa sowas:

Ich bin kein Papa und hab demzufolge keinen Sohn und keine Tochter.
Nach dem dritten Bier neulich meinte Juan mal: Antworte doch mal drauf! Und am ersten Abend in Lissabon tat ich das tatsächlich mal. Spoiler: eine Antwort kam dann nicht mehr, aber ich war erstaunt, wie die Worte aus mir herausflossen, ich verschiedene Ansätze kombinierte, die sich ich in 25 Jahren Junkmail gesammelt hatten, und gnadenlos zurückspamte:

Wird zu nichts führen, aber hat Spaß gemacht zu schreiben. 🙂
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Und, ach ja, Lissabon. Vor genau zehn Jahren war ich zum ersten und bis jetzt einzigen Mal dort und kürte die Stadt damals – neben Florenz – zur schönsten Stadt der Welt. Ich wollte noch einmal hin, um zu sehen, ob ich das heute auch noch so sehen würde.
Und ja, trotz allem: wunderschön! „Trotz allem“ bedeutet: Trotz der Menschenmassen, trotz der Hektik, auch wenn die Lissaboner nicht ganz so zuvorkommend sind wie die Portuenser, auch wenn Tourihotspots teilweise schon ganz schön runtergerockt aussehen mittlerweile, man in die historischen Straßenbahnen nur noch per Touriticket einsteigen kann (Massenabfertigung, die Schlange davor ist hundert Meter lang), und eben an jeder Straßenecke einer mit ner Klampfe steht und amerikanischen Touristinnen mit „No woman, no cry“ die Herzen bricht, wonach sie in zwielichtigen Restaurant Tapas und Paella inhalieren, weil Portugal und Spanien ja dasselbe sind. ?
Aber doch, die helle Architektur, die Miradouros, die verwinkelten Gässchen, der Blick auf den Fluss, die Brücken, die Aufzüge, der Charme. Immer noch eine verdammt tolle Stadt! Ob die schönste der Welt – ich bin mit Superlativen mittlerweile vorsichtig. Schon deswegen, weil ich ja noch kaum was von der Welt gesehen habe. Aber ein paar schöne Bilder bekommt ihr trotzdem:










