Ob ich mich selbst als solchen sehe oder nicht, ist beinahe einerlei: Ich bin ein Sprachprofi, weil ich mich täglich mit Sprache befasse, insbesondere der deutschen. Und jetzt, wo ich diese Sprache seit über 40 Jahren benutze und viel darüber gelernt habe, muss ich sagen: Ich mag sie. Man kann viel mit ihr anstellen, wunderbar treffende Formulierungen finden und einiges schöner ausdrücken als in allen anderen Sprachen. Was sich in der Grammatik der deutschen Sprache aber auch widerspiegelt, ist die Regelungswut, mit der sie aufgebaut ist. Frag mal einen Einwander oder eine Einwanderin, die Deutsch lernen, was die über die Grammatik sagen. Platt gesagt: Wir haben über 30 verschiedene Fälle, in denen der Engländer einfach „the“ sagen kann.
Es gibt allerdings selbst für Muttersprachler und Sprachprofis immer wieder Ungenauigkeiten, Fallstricke, Regeln, die bei genauerer Betrachtung überflüssige Relikte sind. Und einige davon könnte man relativ einfach abschaffen und den Menschen damit das Leben erleichtern. Ich möchte mal einige Vorschläge der Dinge ins Feld werfen, die ich an der deutschen Sprache gerne ändern oder abschaffen würde.
1. Das Großschreiben von Hauptwörtern
Das Großschreiben von Substantiven (Hauptwörtern) ist etwas, was die deutsche Sprache relativ exklusiv hat. Man findet es nicht im Spanischen, nicht im Französischen, nicht im Niederländischen, nicht im Englischen. Es gibt dort Ausnahmen, wie natürlich Eigennamen, Ortsnamen, im Spanischen oder Englischen auch Monatsnamen und natürlich Satzanfänge. Das war es aber für gewöhnlich auch schon. Herrlich einfach!
Im Deutschen brechen wir uns einen ab mit der Groß- und Kleinschreibung. Es ist nicht besonders kompliziert bei klar erkennbaren Hauptwörtern wie Gegenständen (Auto, Fahrrad, Türklinke). Aber Zweifelsfälle gibt es dennoch zuhauf:
Wenn ich deutsch [groß oder klein?] spreche, etwas im Großen und Ganzen [groß oder klein?] über kurz oder lang [groß oder klein] meine, den einen [groß oder klein?] mit einschließe, den anderen [groß oder klein] aber nicht. Schreibe ich „hundert“ groß oder klein? Kann ich dir das eine [groß oder klein?] sagen, aber nicht das Andere [groß oder klein]? Im Folgenden [groß oder klein?] nämlich halte ich dich auf dem Laufenden [groß oder klein?].
mein punkt ist: die großschreibung von hauptwörtern hat keinerlei vorteile. der text wird dadurch nicht verständlicher, das lesen nicht einfacher. in diesem absatz schreibe ich gerade – du wirst es gemerkt haben – alles klein. und obwohl das für dich ungewohnt aussieht, wirst du alles problemlos verstehen. ein dickes argument dafür, die großschreibung von hauptwörtern abzuschaffen.
2. Das ß
Eigentlich hat die Rechtschreibreform die Regel ganz gut hinbekommen und jahrzehntelange Zweifelsfälle beendet:
- Nach einem kurz gesprochenen Vokal schreibst du ss, z.B. Fluss.
- Nach einem lang gesprochenen oder Doppelvokal schreibst du ß, zum Beispiel fließen oder Fußball.
Das war anno 1996 im Grunde schon die halbe Abschaffung des ß. Die große Frage ist: Warum nicht ganz weg damit, wenn man es mit ss sowohl schriftlich als auch phonetisch doch gleichwertig ersetzen kann?
In der Schweiz klappt das seit den 1930er-Jahren ziemlich gut. Ja, es gibt einzelne Zweifelsfälle wie Busse: Sehe ich Busse über die Straße fahren ohne tue ich gerade Busse, indem ich eine Woche lang nichts esse? Es erschließt sich meist aus dem Kontext.
Nicky, die ja seit einigen Monaten meine Kollegin ist, hat sich das ß bereits abgewöhnt. Das ist ein wenig nervig, weil ich das dann in ihren Texten wieder zurückändern muss (lasse ich dich bald selbst machen, freu dich drauf! 😉 ). Und jedes Mal frage ich mich dabei: Warum eigentlich noch? Wozu braucht es das ß noch?
Ich prophezeie, dass das ß in wenigen Jahrzehnten sowieso abgeschafft wird, weil es das Schreiben nicht einfacher macht und das Erlernen der Sprache auch nicht. Vor allem aber, weil man es ganz einfach abschaffen kann: Man benutzt es einfach nicht mehr und kaum jemandem wird es auffallen.
Ich geb es ehrlich zu: Ich bin sogar ein kleiner Fan des ß. Es ist eine ganz niedliche Eigenart der deutschen Sprache, ähnlich wie die Tilde im Spanischen („señor“), das Trema im Französischen oder Niederländischen („geïnteresserd“) oder den Accent circonflexe im Französischen („ragoût“) – der aber auch nur historische Gründe hat und für die korrekte Aussprache nicht notwendig ist.
Ähnlich wie das ß. Ist ganz hübsch, aber brauchen tut es das nicht mehr. Für eine niedliche Eigenart blieben uns im Deutschen ja noch die Umlaute.
3. „Person!“
Ich möchte einiges abschaffen; das hier würde ich gerne neu einführen. Und zwar die Möglichkeit, fremde Menschen auf der Straße mit einer Anrede anzusprechen, wie es auch die Briten, Niederländer, Franzosen, Italiener, Spanier können:
Italienisch | Signor, Signora |
Spanisch | Señor, Señora |
Französisch | Monsieur, Madame |
Niederländisch | Meneer, Mevrouw |
Englisch | Sir, Madam |
Deutsch | ?, ? |
Im Prinzip haben wir im Deutschen „Herr“ und „Frau“ dafür. Klingt aber komisch, sagt man nicht, ruft man schon gar nicht. „Herr, Sie haben Ihre Tasche dort vergessen!“, „Frau, Frau! Bitte warten Sie.“ Klingt komisch, fast wie eine Belästigung.
Aber was nehmen wir stattdessen? Wir behelfen uns mit Verlegenheitskonstruktionen wie „Tschuldigung!“, etwas höflicher: „Verzeihen Sie…“ oder „Guten Tag! Könnten Sie…“. Richtig praktisch ist das alles nicht und – steile These – es könnte sogar dafür sorgen, dass wir im Alltag noch mehr für uns bleiben als sowieso schon. Es hält den einen oder anderen davon ab, jemand Fremden einfach anzusprechen.
Eine Lösung habe ich dafür leider nicht. Ich kann hier nur den Wunsch äußern, dass man da etwas einführt.
Und das war’s auch erstmal schon. Diese drei Dinge würde ich an der deutschen Sprache gerne ändern. Es gäbe noch viel mehr, wenn man erstmal anfinge, aber dafür bin ich dann doch wieder nicht Sprachprofi genug.
Was würdet ihr gerne an der deutschen Sprache ändern?