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Putin trockenlegen

Ein Embargo von Öl- und Gaslieferungen könnte den Krieg in der Ukraine stoppen, rechnen die beiden russischen (!) Ökonomen Sergej Gurijew und Oleg Itskhoki im „Spiegel“ vor:

„… [D]a wir keine deutschen Staatsbürger sind, können wir die deutsche Regierung nicht dazu auffordern, Entscheidungen zu treffen, die erhebliche Kosten für die deutsche Bevölkerung mit sich bringen. Wir sind uns als Ökonomen jedoch sicher, dass ein europäisches Embargo gegen russisches Öl und Gas der schnellste Weg ist, um Putins Krieg in Europa zu stoppen.“

Ich bin mir da zwar nicht ganz so sicher, dass das reicht, den Krieg auch zu beenden, aber ich bin auch kein Ökonom. Vor allem aber denke ich mir: Wenn die Sache wirklich so einfach ist, dann: machen! Machen, machen, machen!

Es kann doch nicht sein, dass die Topmeldung in den Nachrichten heute schon wieder unsere hohen Energie- und Benzinpreise sind und nicht die Bombardierung ukrainischer Städte durch die russische Armee. Dass unser grüner (!) Wirtschaftsminister gerade durch Golfstaaten mit zweifelhaftem Ruf tingelt, um dafür zu sorgen, dass uns unser Erdgas nicht ausgeht. Wie tief wollen wir für unsere Bequemlichkeit denn noch sinken?

Wenn wir gerade die Chance haben, das Blutvergießen in der Ukraine zu beenden und einen dritten Weltkrieg mit bescheidenen Mitteln zu verhindern, dann sollten wir sie gefälligst auch nutzen1 Wie Ex-Bundespräsident Gauck neulich noch sagte: „Wir können auch einmal frieren für die Freiheit“.

Ist uns unsere Bequemlichkeit wirklich wichtiger als Menschenleben?

5 Antworten auf „Putin trockenlegen“

Moin Jürgen, ich gebe mal mein Senf dazu, und es wird ein Roman: Die Rufe nach komplettem Stopp der Energie aus RU sind angesichts des Krieges verständlich und emotionsgetrieben, aber polemisch. Es geht eben nicht nur um beheizte und beleuchtete Wohnungen, es geht um Industrie und generelles Gleichgewicht, Gaskraftwerke werden benötigt um Lastspitzen auszugleichen, wir sind in das EU-Netz eingebunden, Ausfälle im weit entfernten Spanien werden auch hier Auswirkungen haben, Energie wird in gewaltigen Mengen für Lebensmittelproduktion benötigt, aber auch andere, auf den ersten Blick unbeachtete Branchen, wie Baustoffe und Papier. Es ist klar das von denen vieles nicht Lebenswichtig ist, aber, auf den zweiten Blick sind viele weitere Verflechtungen mit anderen Branchen gegeben. Wenn nicht in DE, dann global, am Ende geht es dann um Arbeitsplätze, und nach den Milliarden-Hilfen bzgl. Corona sind die Haushalte in der EU nicht mehr Kerngesund, was dann zu sozialen Folgen führen kann, und spätestens dann wären wir bei dem Thema „Jeder für sich“, wo Folgen für Demokratien und die EU geben könnte. Natürlich ist das alles sehr hypothetisch und unwirklich, aber dass ein grüner Minister derzeit händeringend mit anderen Schurken verhandelt, zeigt dass es nicht nur um „kühlere“ Wohnung, Tempolimit und Fernurlaub geht. Deshalb fließt derzeit Gas in maximalen Mengen durch Ukraine und die schalten es selbst nicht ab. Was ich damit sagen will, lasst uns wichtiges tun, spenden, helfen, betreuen, meinetwegen Waffen senden, und auch an die Zeit „danach“ denken. Denn je mehr Staaten (meist nicht so abhängige) und einzelne Bürger ein Embargo fordern, desto mehr Druck bekommt die Politik es wirklich zu tun, was, solange wir weltweit SO abhängig sind, meiner Meinung auf Dauer mehr Schaden als Nutzen haben wird. Die meisten Energielieferungen sind an langjährige Verträge gebunden, über die wir lange Zeit günstig Bezug hatten. Denn die Wahrheit ist auch, wir hätten die Bezugsquellen schon immer verteilen können, aber es ist immer das Geld, was am Ende die Entscheidungen trifft. Sollten wir die Abnahmen stoppen, werden Strafzahlungen fällig, wo die wohl wieder hinfließen? Klar, wir könnten die Zahlungen verweigern, aber macht uns das verlässlich in Augen der anderen Despoten mit denen wir jetzt dealen wollen? Die werden sich dann über noch höhere Preise versichern, was wieder zu Folgen bei uns führen wird. Das ewige globale Spiel. Die Wirtschaften sind so stark verknüpft, dass es nur Wahnsinn wäre alles zu kappen, man schaue mal wo Holz, Titan, Industriesapphire, Industriegase, Uran zum größten Teil herkommen. Auch andere sinnvolle Verbindungen werden derzeit schon gekappt, mein Schwager kann seiner Familie nach Ru kein Geld mehr überweisen, zwei kleine Kinder sind betroffen. Füllmaschinen für Nahrungsmittel können bald nicht mehr geliefert werden, wen trifft es dann am Ende? Wenn jemand glaubt, dass das gemeine Volk dann den Putin stürzt, kennt die Russen nicht. Es wird Verwerfungen geben, es wird Not herrschen, aber schon jetzt formiert sich der Gedanke „Mein Land ist im Unrecht, aber es ist mein Land“ (Zitat eines unbekannten). Um abzuschließen, ich glaube nicht, dass der Putin durch Energieembargo unmittelbar zu stoppen ist, bevor er angefangen hat, hat er sich vorbereitet, auch wenn nicht alles planbar ist, bis die Wirkung zu spüren ist, ist es zu spät und die Wirkung wird verheerend für alle sein. Alles oben Gesagte soll nicht ausblenden oder negieren, dass es Krieg in Ukraine gibt, einen schrecklichen, unnötigen, nicht zu verstehenden Krieg.

Diesmal hat Boris sehr gut geschrieben, Danke!
Und ja, jetzt schon explodieren die Beschaffungspreise für so ziemlich alles!
Das wird eher in einer Hyperinflation für uns enden, als zu einem Kriegsende führen, glaube ich…
Und ich bin eigentlich eher Optimist… ?

Kein Problem. Was ich mich halt frage, ist: bricht hier wirklich alles zusammen, wenn wir den Import aus Russland stoppen? Aktuell bezögen wir 55 Prozent unseres Erdgases und Öls aus Russland, hieß es gestern im Radio. Im Sommer sollen es nur noch 40 Prozent sein. Wäre das nicht mittelfristig zu schultern, wenn wir uns halt mal ein bisschen einschränken, und andere Länder, aus denen wir Gas und Öl exportieren, kurzfristig den Export hochfahren? Es gibt Stimmen, die sagen: Ja, das bekämen wir schon hin, wir müssten uns halt nur mal etwas einschränken: https://www.zeit.de/wirtschaft/2022-03/importstopp-gas-russland-ukraine-energie

Und dass im Krieg andere Maßstäbe gelten als im Frieden, sollte ja eigentlich so oder so klar sein. Verträge hin oder her. So bleibt am Ende irgendwie doch das Geschmäckle, dass wir uns nicht einschränken können und in der Ukraine deswegen Menschen ihr Leben lassen müssen für unsere Bequemlichkeit. Das gesetzt den Fall, dass Putin einen möglichen Exportstopp in den Westen in seine „Planungen“ nicht „eingepreist“ hat. Und das könnte ich mir sogar vorstellen, so schlecht, wie das ganze Unterfangen geplant zu sein scheint.

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