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Argh

96: Ach, schleicht’s euch!

„Halt still, nicht lachen. Nicht lachen! Okay, j …etzt. *klick*“

Oder auch: Welchen Wechsel, Frau Dörner? Von Grün zu Grün? Die Grünen sind seit 11 Jahren im Bonner Rat an der Macht, ab 2009 zusammen mit der CDU, seit 2014 zusammen mit CDU und FDP. Liest man sich eine alte Pressemeldung über die Zustimmung der Grünen zum Koalitionsvertrag 2014 durch, so wird es nochmal interessanter. Darin heißt es:

„Der Masterplans (sic!) Klimaschutz, den wir in der Koalition mit der CDU initiiert haben wird nun auch in der Jamaika-Koalition unverändert umgesetzt“, sagte Frau [Brigitta] Poppe.“

Masterplan Klimaschutz? Was genau habt ihr davon umgesetzt? Ist es nicht genau das vermeintliche Fehlen eines solchen, den ihr dem OB gerade vorwerft, mit dessen Partei ihr zusammen an der Macht wart?

Oder auch:

„Die GRÜNEN, so ist es im Vertrag festgehalten sind auch in Zukunft ohne Wenn und Aber gegen das Festspielhaus…“

Heißt, ihr habt die Misere um die Renovierung der Beethovenhalle mitverantwortet, die am Ende wohl fast 200 Millionen Euro schwer werden wird.

Ja, und du, lieber OB bist nix besser…

Kommst ausgerechnet jetzt mit „Verantwortung und Sicherheit“, also dem Motto: Ich stehe mit dem Rücken zur Wand, deswegen beschwöre ich nochmal schnell die Angst herauf und geb den starken Mann, denn das kann die Dörner ja von Haus aus nicht sein.

Dabei sind Bonn und die Region laut Polizeilicher Kriminalstatistik 2019 sicherer geworden. Die Polizei sorgt am Rheinufer schon vermehrt für Zucht und Ordnung, wo die Jugendlichen gerade nach sechs Monaten Corona-Beschränkungen durchdrehen. Wenn die Cops nicht gerade meinen unbescholtenen Kumpel für nichts und wieder nichts zum Drogentest mit auf die Wache nehmen. Aus Langeweile?

Und „Verantwortung“? Jetzt, wo keiner mehr Angst hat vor Corona noch einmal daran erinnern, wie toll du die Krise gemeistert hast? Motto: Kommt schon, so schlecht war ich gar nicht!

Argh!

Geht mir weg! Alle beide! Und noch einmal die Bitte: Können wir bitte etwas Besseres erfinden als Demokratie und Föderalismus? Es nervt höllisch, und es wird nicht besser.

Dann lieber noch ein paar Fotos von der schönen Abendsonne:

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95: Election Day

Linksgrünversiffter Stadtteil galore. 🙂 <3

Nachdem ich mir die Debatten und Positionen der Kandidaten in den letzten Tagen noch einmal genau angeschaut habe, muss ich es noch einmal sagen: Democracy is a bitch. Ich mag den Dude, den wir da hatten. Als er vor fünf Jahren antrat und sich in Interviews präsentierte, da war ich angenehm überrascht. Wirkte klug, kompetent, in sich ruhend und brachte Spezialwissen in der Verwaltung mit. Konnte eigentlich nichts mehr schief gehen. Sahen auch die Bonner so und gaben ihm knapp über 50%. (Womit sie auch die SPD abstraften, die sich in den Amtszeiten davor wirklich nicht mit Ruhm bekleckert hatte).

Fünf Jahre später steht derselbe Mann in der Kritik für all das, was er nicht gemacht hat. Dafür dass Visionen fehlten, nichts wirklich vorangehe, Ziele nicht erreicht wurden, eine Millionensumme an einen Investor vertendelt. Und jetzt steht er da, schon nicht mehr ganz so sehr in sich selbst ruhend und sagt: Nun ja, ich würde ja gerne. Aber nicht alles ist so einfach möglich, vieles wurde im Rat blockiert, einiges hängt von Landes- oder Bundesgeldern ab oder wir warten noch auf Rückmeldungen vom Landkreis, der uns umschließt, um mit dem was zusammen zu erarbeiten.

Und du denkst dir: Der Mann hat eigentlich die Chance verdient, das zu Ende zu bringen, was er auf den Weg gebracht hat. Er musste die Versäumnisse seiner Vorgänger aufräumen, viele Früchte erst sähen, die er jetzt noch nicht ernten konnten. Paar Dinge gehen aber auch auf seine Kappe, ganz klar. Gleichzeitig steht da eine Gegenkandidatin mit Visionen, die der Amtsinhaber kaum noch hat, weil er weiß, dass er die eh nicht durchgesetzt bekäme. Wählst du statt dessen sie, sind die Bemühungen des Amtsinhabers dahin und sie wird ein paar Jahre brauchen, sich erst einmal in das komplexe Geschehen einzuarbeiten, kann bis dahin schon viele Fehler machen, und um ihre Visionen umzusetzen, wird sie kaum Gelegenheit haben.

Wem also jetzt die Stimme geben?

Sagen wir’s so, die Ergebnisse liegen ja jetzt vor: Der Amtsinhaber fiel auf ca. 35 Prozent zurück, die Herausforderin kommt auf etwa 27. Es wird zur Stichwahl zwischen den beiden kommen und es könnte wirklich eng werden. Also was wählen? Die verheißungsvolle aber ungewisse Zukunft oder erstmal den erfolgreichen Abschluss der Gegenwart?

Ich bekomme wieder ein People Deficit. Jemand eine Idee, was man in der kalten Jahreszeit trotz Corona machen kann, um neue Leute kennenzulernen?

Moria chillt:

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94: Learning like no one is watching

Den ganzen Sommer über gedacht: Hey, dieses Stand-up-Paddling sieht cool aus. Aufgefallen, dass ich das eigentlich auch selbst mal machen könnte, ist mir das allerdings erst neulich im Gespräch mit Kathrin und Michael, als sie erwähnten, auf dem Bleibtreusee in Brühl könne man das lernen.

Also war ich heute auf jenem Bleibtreusee in Brühl, um es zu lernen. Im Gespräch mit Nicky gestern kamen wir auch darauf, wie die Begleitumstände das Lernen beeinflussen. Ich glaube, dieses ungute Gefühl von „Du bist hier wieder in der Schule, und die anderen Kinder hassen dich“ lässt sich auch im Erwachsenenalter nur schwer abstellen. Ich habe immer ein etwas mulmiges Gefühl, wenn ich irgendwo zum ersten Mal bin, zusammen mit Leuten, die ich noch nie zuvor gesehen habe, und etwas völlig Neues lerne. Ob im Fitnessstudio einen neuen Kurs oder an der VHS ein Seminar für autogenes Training, irgendwie bin ich erstmal aufgeregt.

In der Regel übrigens völlig unbegründet. Die meisten gucken auf sich selbst und interessieren sich nicht für dich. Gerade in der Erwachsenenbildung gehen Lehrer von völlig unterschiedlichem Wissensstand der Teilnehmer aus. Die Runden sind meist entspannter und es gibt fast immer einige, die ganz genau wie du bei null anfangen.

Bei Ankunft am Bleibtreusee ist schon einiges los an der Wasserskianlage. Ich schlängele mich zur Kasse durch, werde nett begrüßt und bekomme als erstes einen Neopren-Anzug in die Hand gedrückt. „Unkleidekabinen sind wegen Corona leider nicht auf.“ Na toll. Und Schließfächer gibt es auch keine.

Beides ist nur so semi-günstig. Ich habe zum Glück eine Synthetik-Unterhose schon an, mit der ich auch ins Wasser kann, und mich dann hinter dem Kassenhäuschen kurz umgezogen, ohne mich ganz nackig machen zu müssen. Der Rest der Teilnehmer war offenbar cleverer und hat sich schon zuhause Badeklamotten angezogen. Der einzige Nachteil letztlich: die fehlenden Schließfächer. Auf gut Glück verstaue ich alle meine Wertsachen im Rucksack, platziere ihn etwas unauffällig an der Seite und hoffe, dass hinterher noch alles da ist. Soetwas ist eigentlich Gift dafür, wenn man etwas Neues lernen möchte, denn ein Teil deiner Gedanken ist dann immer bei deinen Wertsachen. Vom See werfe ich später immer mal wieder ein Auge darauf.

Der Kurs dauert nur 90 Minuten und besteht aus 12 Leuten von, geschätzt, 10 bis 70 Jahren. Die Kursleiterin erzählt uns anfangs alles haarklein zur Theorie. Ich versuche in Trockenübungen alles direkt nachzuahmen, was sie vormacht. Das hilft mir später, das meiste richtig zu machen.

Wir steigen zunächst auf Knien auf die Bretter. Aber das empfohlene Aufstehen ist überraschend einfach und gelingt allen auf Anhieb. Dass die Kursleiterin ankündigt, wir würden anfangs etwas steif und wackelig auf den Brettern stehen, nimmt mir die Angst. Kaum einer kann es besser, aber alle bleiben erstmal stehen. Auch das Paddeln und Navigieren gelingt wie erwartet.

Es dauert nur ein, zwei Minuten, da liegt die erste Teilnehmerin im Wasser. Die arme Frau, ich würde sie auf etwa 45 schätzen, reagiert völlig hilflos, verkrampft und versucht verzweifelt sich wieder aufs Brett zu ziehen, dabei kippt es um, das Paddel entgleitet ihr. Die Kursleiterin eilt ihr zur Hilfe. Keiner lacht, aber alle gucken natürlich, wenn auch mehr aus Anteilnahme; man würde ihr gerne helfen.

Als sie wieder auf dem Brett kniet, muss sie erst überredet werden, wieder aufzustehen. Ihr ist die Sache denkbar peinlich. Als ich an ihr vorbeipaddle, versuche ich, ihr entwas Aufmunterndes zuzurufen: „Du hast es jetzt wenigstens schon hinter dir“, worauf sie sich wirklich ein wenig zu entspannen scheint und antwortet: „Ich glaube, da kam meine Angst vor dem Ertrinken plötzlich hoch.“ Und siehe: Sie versucht es danach weiter.

Plötzlich verkrampfen meine Füße. Ich gehe auf die Kniee und paddle zur Kursleiterin rüber. „Das ist normal“, sagt sie. „Du bist verkrampft, weil du nicht ins Wasser fallen willst. Da gibt’s einen einfachen Trick: Spring mal rein, dann hast du gleich keine Angst mehr.“

Ich tu’s und danach wird es tatsächlich besser. Noch ein zweites Mal muss ich sie später im Hilfe bitten, als ich bei der besprochenen Dreiviertelkreisdrehung völlig auf dem Schlauch stehe und das auch zugebe. Sie erklärt es mir in aller Ruhe, mehrfach. Ich habe den kompletten Blackout, aber ich mache einfach nach, was sie mir zeigt, und plötzlich geht’s.

Ich bin schon mit der Erwartung angereist, bestimmt 50 Mal ins Wasser zu fallen (so wie jedes Mal, wenn ich versucht hatte, Wakeboardfahren zu lernen) und mich komplett zum Horst zu machen. Von daher ist mir alles plötzlich überhaupt nicht mehr peinlich. Am Ende habe ich auch den Bogen weitestgehend raus. Ich stehe noch etwas steif aber sicher, komme gut vorwärts und falle tatsächlich nur noch ein einziges weiteres Mal ins Wasser.

Und so kommen wir dann nach einer guten Stunde „auf See“ zurück in den „Hafen“ gelaufen. Die beiden kleinen Jungs aufrecht und entspannt, ihre Mutter aber auch. Zwei Teilnehmerinnen pitsche-patsche nass, eine nur noch auf Knien. Der Rest (darunter ich) irgendwie so dazwischen. Aber ich bin zufrieden. Für einen Grobmotoriker wie mich hat das ganz gut geklappt.

Also Moral von der Geschicht: Vergesst die blöde Schule, habt keine Angst vor Fehlern und dann kommt am Ende schon was Zählbares bei raus.

Morgen ist Bürgermeisterwahl in Bonn. Meine Prognose (und wer mag, hat noch bis morgen 1800 Uhr Zeit dagegen zu halten ;):

Ashok Sridharan (CDU): 42%
Lissi von Bülow (SPD): 18%
Katja Dörner (Grüne): 18%
Werner „Hümmi“ Hümmerich (FDP): 9%
Michael Faber (Linke): 5%
Sonstige: 8%

Hab ich mich erstmal kaputtgelacht über die Schlagzeile. Gott* mit Gendersternchen schreiben… Wären wir hier noch beim Thema Politik, könnte man der Katholischen Studierenden Jugend Populismus vorwerfen. Als wäre „I saw God, she was black“ heute noch was Neues. Muss man sich Gott überhaupt als Person vorstellen? Schon unser Religionslehrer damals war anderer Ansicht.

Ich muss es zugeben: Der Musiksender, den ich im Auto mittlerweile am häufigsten höre, ist WDR4. Das liegt hauptsächlich daran, dass ich die immer gleiche Popsülze auf allen anderen Sendern nicht mehr ertrage. Aber auch daran dass ich alt geworden bin auch WDR 4 nicht mehr das WDR 4 ist, mit dem meine Eltern uns damals auf dem Weg zu meiner Tante immer gequält haben. Als kein Deutscher-Schlager-Gedudel mehr, sondern hauptsächlich Oldies, richtig gute Oldies.

Daran dass ich mir das jetzt nach einiger Zeit erst wirklich eingestehe, seht ihr die Schwierigkeit eines Rebrandings. Vor jedem, dem ich das erzähle, muss ich das erst einmal verantworten. Man kann es sich schlicht nicht vorstellen. Dabei ist der Relaunch von WDR 4 vom Schlager- zum Oldieradio schon fast 10 Jahre her.

Eins vererbt sich also doch von Generation zu Generation: Sollte ich irgendwann mal Kinder haben, werde ich sie auf dem Weg zur Tante auch mit WDR 4 quälen. Das ist mein gutes Recht. 🙂

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93: Deutschland, was ist schief gelaufen?

Besucht man mal einige unserer direkten Nachbarländer, denkt man sich fast, man wäre in der Zukunft gelandet. Ich nenne hier nur mal die Infrastruktur und Sauberkeit in der Schweiz. Hier hat jeder noch so kleine Ort einen Bahnhof, einen Migros oder einen Coop. Selbst im Heidi-Dorf hast du 4G+ (und auch schnelles mobiles Internet. In Deutschland kommt ja oft auch nichts, obwohl „4G“ draufsteht). In den Niederlanden ist es das wohl weltbeste Radverkehrsnetz, das sich durch’s ganze Land zieht. Fahrräder haben Vorrang vor allem, die Wege sind weit verzweigt teils mit modernstem Bodenbelag ausgestattet. Trotzdem hast du als Autofahrer eigentlich nicht das Gefühl, hier groß benachteiligt zu werden. Die beiden Verkehrsmittel ko-existieren friedlich nebeneinander. Eine sehr gute Ladeinfrastruktur sorgt zudem dafür, dass hier überdurchschnittlich viele E-Autos rollen. Dazu ist das Bahn-Netz fantastisch ausgebaut, und verpasst du einen Zug, kommt der nächste gleich ein paar Minuten später.

Wie es dagegen in Deutschland aussieht, brauche ich euch nicht zu erzählen, das seht ihr selbst jeden Tag. Es herrscht Krieg auf den Straßen. Und jedes neue Verkehrmittel, wie im vergangenen Jahr die E-Scooter, werden erst einmal weggemobbt.

Ja, ist richtig. In der Schweiz und den Niederlanden fahren sie zu einem großen Teil unsere Autos, nutzen unsere Haushalts-, Energie- und Anlagentechnik. Die deutsche Wirtschaft ist stark, exportiert weiterhin kräftig hochqualitative Produkte weltweit. Wir kamen gut durch noch jede Krise der letzten 15 Jahre. Wenn also etwas schief gelaufen ist, dann eigentlich nur beim Thema Infrastruktur. Da aber gewaltig.

Ich stelle hier mal eine steile These auf und sage: Noch weit vor politischer Lähmung, Inkompetenz und Fortschrittsfeindlichkeit liegt es am Geld. Die Schweiz und die Niederlande hatten keine geschätzten 1,3 bis 2,0 Billionen Euro für eine Wiedervereinigung zu zu berappen. Das ist öffentliches Geld, das natürlich an allen Ecken und Enden fehlt und mit dem man so einige hübsche Infrastrukturprojekte wie ein bundesweites Fahrradnetz hätte einführen können. Man hätte die Rentenkassen und die Bahn nicht systematisch ausplündern müssen (gut, hätte man so auch nicht, aber ich kann die Motivation der damals Regierenden dahinter zumindest so weit verstehen, dass sie unter Zugzwang standen, Gelder aus dem Hut zaubern zu müssen). Und man hätte vielleicht ein offeneres Ohr für Visionäre, würde mehr Miteinander statt Gegeneinander denken und vielleicht sogar mal ein bisschen Geld für eine moderne Schulbildung übrig haben.

Vielleicht kommt auch ein wenig daher dieser Trotz, der in Deutschland aktuell vielfach herrscht. Nachdem mit Digitalisierung auch (aber nicht nur) aus den genannten Gründen nicht viel los ist, ist unsere Automobilindustrie tatsächlich Wirtschaftsmotor und ein Stück weit sogar Innovationstreiber in einem, selbst wenn Tesla 5 Jahre Vorsprung hat. Trotzreaktion also: „Lasst bloß die Finger von unserer Automobilindustrie!“

Das kann ich verstehen. Fängst du trotzdem an, darüber zu erzählen, wie toll es in der Schweiz oder den Niederlanden ist, werden Gründe gesucht, das herunterzuspielen. Und das kann es eigentlich nicht sein. Wir müssen sehen, woher wir kommen und dürfen uns hier meinetwegen sogar mal als Opfer fühlen. Schließlich sind weder die Menschen im Osten noch im Westen mit diesem Billionengrab glücklich. Statt Gewinner gibt es eigentlich nur Verlierer auf beiden Seiten der einstigen Grenze.

Aber dann fangen wir doch bitte an, uns Infrastrukturprojekte in anderen Ländern als Vorbilder zu nehmen. Denn mittlerweile hat Deutschland ja wieder aufgeholt, hat die Lasten der Wiedervereinigung langsam abgeschüttelt. Jetzt kann auch langsam mal in die Zukunft gedacht oder zumindest versucht werden, in die Gegenwart aufzuschließen. Wer das nicht für nötig hält, der genieße einmal ein Wochenende lang einen Fahrradausflug in die Niederlande oder einen Tag autofreie Innenstadt in Basel. Vielleicht bringt ihn das zum Umdenken. Vielen Dank!

Der Moment, der nie eintreffen sollte, ist dann also doch gekommen: mein einst unbegrenzter Speicherplatz bei Google ist so gut wie voll. Schaut man sich die Statistik an, ist das umso bemerkenswerter, als dass ich eigentlich nie offiziell ein Google-Fotos-Konto eröffnet habe. Aber sieht zumindest so aus, als wäre hier noch Pozential für ein weiteres, kostenloses Jahr. Ein Jahr auch, um mal zu überlegen, ob ich bei GMail bleiben möchte. Ist für mich nach wie vor der beste E-Mail-Provider. Aber die Liebe zu Google erkaltet immer mehr.

Die drei letzten Biopics/Musikfilme, die ich gesehen habe:

  • Bohemian Rhapsody (2h 15 min)
  • Walk the Line (2h 15 min)
  • A Star is born (2h 15 min)

Also kein Scheiß. Musikfilme müssen offenbar knapp über 2 Stunden lang sein, sonst fehlt es ihnen an Impact. (La La Land ist 2h 8 Minuten lang).

Wir kommen der Sache laaangsam näher:

Und auch am alkoholfreien Aperol-Spritz forsche ich weiter. Das hier (Beneventi Red Bitter mit Schweppes Tonic Water) ist auf jeden Fall noch ausbaufähig. So oder so ein erfrischender Spätsommerdrink:

Genießt die letzten heißen Tage!

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Möh

92: Alles meh

Ich suchte ein modernes Bildbearbeitungsprogramm für den Mac. Eines, das nur die wichtigsten Funktionen umfasst, nicht im Abo bestellt werden muss, nicht 30 Sekunden braucht, bis es startet, eines, bei dem man Bilder nicht nur bearbeiten, sondern auch neue Bilder erstellen kann (es ist erschreckend, wie viele Programme alleine das nicht können), das vielleicht ein paar Instagram-mäßige Filter bereithält und das dabei auch noch gut aussieht.

Nach langer Suche fand ich Pixlr X. Und das tut eben genau das. Ich kann Bilder bearbeiten, neue Bilder anlegen, mit einer wunderschönen UI alle Funktionen ausführen, die ich tagtäglich brauche, mehrere Ebenen anlegen. Und das alles mit einer einfachsten Bedienung. I’m sold! Lass mich dich kaufen! Ich bin bereit euch 30, ach, was sag ich, 50, 60, ja 100 Euro dafür zu geben!

Pixlr X

Problem ist: Die wollen mein Geld nicht, zumindest nicht so, und die haben auch gar keine App. Pixlr X gibt es nur online, werbefinanziert und dann kostenlos. Eine App wäre mir aber eigentlich lieber (geht dann z.B. auch offline und ist praktischer) und Werbung finde ich doof. Ich könnte mich anmelden und dann zahlen, aber dann kostet der Spaß gleich 60 Dollar im Jahr oder 8 im Monat. Dafür bekomme ich eine Tonne an Funktionen obendrauf, die ich überhaupt nicht haben will, weil sie das Ganze dann nur wieder unnötig aufbläht.

Und so suche ich nun nach einer weiteren Bildbearbeitung, die es dann als App gibt und die dann bestenfalls die zweitbeste Lösung wird, weil ich die beste ja schon gesehen habe aber so nicht haben will. Es ist bekloppt.

Der nicht unumstrittene Zukunftsforscher Matthias Horx hat einen hochamüsanten Beiträg über Elektroautos und die Reaktion der Mitmenschen darauf veröffentlicht. Hat Spaß gemacht zu lesen.

Südkorea hat einen Importstopp gegen deutsches Schweinefleisch verhägt. Die schicken sonst allen Ernstes Fleisch 8.000 Kilometer um die Welt in eine Region, die ebenfalls Schweinezucht betreibt?!? ?

Nichts gegen Denis Villeneuve („Prisoners“ und „Arrival“ sind der Wahnsinn!), aber der Trailer der „Dune“-Neuauflage sieht aus wie Star Wars und hat nichts vom Grusel von David Lynchs 1984er-Adaption übrig:

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OK

91: Moria

Keiner hört uns zu, keinen interessiert’s. Das Lager ist vierfach überbelegt und jetzt werden wir hier wegen Corona auch noch unter Quarantäne gestellt, die Lage ist hoffnungslos, die wollen dass wir hier krepieren. Was machen wir? Wir fackeln das ganze Ding ab! Dann müssen sie uns evakuieren. Und dann rollt plötzlich auch eine ungeahnte Welle der Solidarität.

Europäische Flüchtlingspolitik...

Kaum Corona-Fälle in Deutschland und der Deutsch-Schweiz. 10.000 neue Fälle täglich in Frankreich. Reisewarnungen für erste Teile Frankreichs und zwei frankophone Schweizer Kantone.

Wie bitte hängt das zusammen?!

Auch ich hab neulich „Wehrt euch“ gefordert, als Jünger eines wild gewordenen Fernsehkochs auf Journalisten losgegangen sind. Klaas Heufer-Umlauf ist als Mann der Tat gleich in Aktionismus verfallen und hatte die glorreiche Idee, Bodybuilder zu Journalisten auszubilden und sie auf die große Anti-Corona-Demo zu schicken. Herrlische 14 Minuten, vor allem Minute 6:10, die Rache am berühmten Hut-Bürger. 🙂

Bild des Tages (Köln-Ehrenfeld):

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Yeah

90: Social Media

Jürgen, du musst Social Media benutzen, du verpasst sonst alle Trends, wirst abgehängt, vergessen, für Journalisten ist das wichtig, du musst wissen, was die Menschen bewegt, Kontakt zu deinem Netzwerk halten!

Oha, na gut.

Twitter-Account entstaubt, eingeloggt.

Die Timeline diskutiert über die Farbe, die das neue iPhone haben könnte (blau), ob am 15. wirklich iPhones vorgestellt werden oder doch nur Watches oder iPads. Viele Tweets, wo Leute, denen ich folge, einfach nur wem geantwortet haben, massig Werbung dazwischen. Eine fährt eine Runde Motorrad, einer trinkt ein Glas Gin, noch einer will unbedingt ein neues E-Auto leasen, jemand ärgert sich über seine Brille.

Der Hashtag #appleevent bekommt ein eigenes Icon, einige jubeln, dass die Sache damit offiziell wird. Viele (morgen wird sicher in einigen Online-Postillen stehen: „das Netz“) ärgern sich über den Wunsch von Verkehrsminister Scheuer, auch Verbrennungsmotoren staatlich zu fördern. Neben einem Bericht der Drogenbeauftragten der CSU trendet auch die Deutsche Bank. Im ersten Tweet, den ich dazu finde, steht:

https://twitter.com/janicepaulma/status/1303390972785684481

Aha.

Noch einmal die Timeline. Einer wirbt für sich selbst, ein anderer ärgert sich, dass es gar nicht 42 Corworking-Spaces in München gäbe, sondern nur 8, der Rest wären Shared Offices, Serviced Offices und Business Center. „WTF“.

Ja, in der Tat! WTF…

Jemand, an den ich mich nicht erinnere, schickt ein Bild mit Blättchen und Cannibis auf einem Tisch. Noch einer fordert, dass technische Schulden bezahlt werden müssten. Ein anderer stimmt ihm zu. Aber das wäre eh der Fall, wenn Consultants ins Spiel kämen.

Hm-mh.

Twitter wieder zu.

Joa, ich glaube, so viel habe ich vielleicht doch gar nicht verpasst und werde das auch in Zukunft nicht. Macht ihr mal! Ich bin dann solange gerne frei.

Zahnpasta-Verpackungen bei Alnatura. Noch kleinere Mengen, noch mehr Plastik. „Öko“ und „Bio“ sind doch ein Witz!

Vorsprung vor Technik (unfreiwilliger Werbe-Schnappschuss):

Bild des Tages, et Blömsche:

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Argh

89: Wir werden an unserer Convenience noch ersticken

Just sayin’…

Mal aufgefallen, dass in Supermärkten und Drogerien alles, aber auch alles mehrfach in Plastik eingeschweißt ist? Das ist hier in D nicht anders als anderswo auf der Welt. Und da kann unser Plastikrecycling noch so gut sein (was es im Übrigen nicht ist), da ist ja eigentlich klar, dass viel davon am Ende in der Umwelt, im Meer und dann wieder in unserer Nahrungskette landet.

Zum Spaß war ich danach noch in einem Bio-Supermarkt, weil da ja alles besser ist, oder anders gesagt: in mehr oder weniger genauso viel Plastik ist da dann ökologisch wertvolles Zeug drin. Macht voll Sinn…

Ich habe noch nicht einmal das Gefühl, dass die Richtung stimmt, dass das Plastik irgendwie weniger würde, jetzt wo wir wenigstens so tun, als würden wir ein bisschen auf Grün machen. Bisherige Maßnahmen der Supermärkte: Du darfst dein Gemüse jetzt im Frischenetz einpacken. Yeah, das wird einen gewaltigen Unterschied machen.

Ist aber nicht nur das Plastik. Wann immer ich mal einen Blick drauf werfe, was die Startup-Szene so macht, dann ist das meist: die Art und Weise zu revolutionieren, wie wir heute über (in Plastik eingeschweißtes) koreanisches Make-up/ Torte/ Hasenfutter nachdenken.

Können wir bitte langsam mal anfangen, die wirklichen Probleme anzugehen?!?

Na klasse, Jürgen, mal wieder auf die Anderen schimpfen. Was bitte tust DU denn dagegen?

Ja, gute Frage. Okay, fangen wir mal klein an. Ich werde den September mal dazu nutzen, mich umzuschauen, wo und wie ich Plastik vermeiden kann. Ich muss gestehen: Ich hab teilweise schon völlig verlernt, wie das geht. Tipps nehme ich gerne entgegen. Erste Aktionen:

  1. Den Bonner Unverpackt-Laden am Wilhelmsplatz besuchen.
  2. Mir Kaffee in der Rösterei in meinen eigenen Bohnenbehälter füllen lassen (ja, muss ich erstmal kaufen, Kaffee ist auch so schon nicht ökologisch, ja…).
  3. Ein Frischenetzt kaufen (ja, ich weiß, s.o. Aber Kleinvieh und so…)
  4. Biomärkte abgrasen, ob es nicht doch welche mit weniger Plastik gibt. Denn’s war eine herbe Enttäuschung.

Auch der GA kostet online jetzt was:

Bei Spiegel.de war der Aufmacher heute teilweise ein Spiegel+-Artikel.

Ich fürchte, Paid Content hat sich endgültig durchgesetzt. Glücklich bin ich damit nicht, vor allem mit den meisten Bezahlmodellen nicht. Glücklich bin ich aber auch mit Online-Werbeformen und -finanzierungen nicht. Mal gucken, was es offline noch so gibt…

Bild des Tages: Sonne auf das Stadthaus:

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Yeah

88: Am Ende des Rheins

Irgendwann weit vor dem Wecker wache ich auf. Es ist irgendwas zwischen nicht mehr schlafen können und eigentlich fit genug sein. Meistens macht das Aufdieuhrgucken müde, deswegen stehe ich einfach auf und fang schonmal an zu packen, lüfte durch. Draußen auf dem Frankenbadplatz ist noch Party. Es muss also noch recht früh sein. Als ich fertig gepackt habe, gucke ich dann doch auf die Uhr: Es ist gerade mal 0400. Zeit für den ersten Powernap des Tages. 😉

Ich verstaue alle Taschen im Auto, mache mir einen schwarzen Kaffee, checke noch einmal die Route und den Parkplatz von ’s-Hertogenbosch, auf den ich möchte. Und dann kann’s eigentlich auch losgehen. Jetzt nur noch das Fahrrad in den Skoda Octavia, den ich mir am Vortag ausgeliefen habe. „Soll auf jeden Fall ein Kombi sein?“, hatte der Typ von Europcar gefragt. „Ja, ich möchte ein Fahrrad damit transportieren“. Und jetzt passt das Fahrrad nicht… Lenker und Vorderrad zusammen geben einen denkbar ungünstigen rechten Winkel. Doch nicht sowas jetzt…

Morgens um fünf ist noch nicht die Zeit für kreative Ideen. Ich beschließe, den Lenker abzumontieren. Das Werkzeug ist noch in meiner Wohnung. Dort angekommen nutze ich die Chance, um kurz das Internet nach „Fahrrad im Kombi transportieren“ zu fragen (warum nicht?). Und siehe da: Eine Seite schreibt ganz beiläufig: passt nicht immer, „manchmal muss man auch das Vorderrad abmontieren“. Ach cool, das hat doch einen Schnellspanner! Und 10 Minuten später sitze ich dann doch mit verstautem E-Bike im Auto. Kann losgehen. Muss es aber langsam auch, es ist bereits 05:30 Uhr.

Kurz hinter der Autobahnauffahrt erwartet mich ein gigantisches Blaulichtgewitter. Auf der Gegenspur scheint ein schwerer Unfall passiert zu sein, ich muss ganz schön schlucken.

Hinter Mönchengladbach schickt mich das Navi des Skoda plötzlich von der Autobahn runter. Ich solle Richtung Venlo jetzt über die Dörfer fahren. Ernsthaft, warum denn das? Aber okay, vielleicht kennt das Ding ja eine Abkürzung. Die Route kommt mir komisch vor. Das Navi schickt mich auf Straßen, in denen keinerlei Wegweiser mehr stehen, die Gegend wird immer ländlicher, es folgt ein Sackgassenschild. Ich fahre trotzdem rein, jetzt will ich’s wissen. Und plötzlich hört die Straße auf, gesperrt seit dem 20. Juli, sagt ein Schild. Hinter einem Abhang taucht ein Lichtermeer wie von fünf riesigen Frachtschiffen auf. Bin hier plötzlich am Rhein?

Als ich genauer schaue, stelle ich fest, dass es Bagger sind, monströs große Bagger. Ich bin mitten im Braunkohlerevier gelandet, ein ganz schön gespenstischer Anblick bei Dunkelheit. Als ich zurücksetze und einen weiteren Wagen mit auswärtigem Kennzeichen sehe, das etwas ratlos in der Gegend rumsteht, muss ich lachen: Da ist noch einer der Fehlinformation erlegen. Dem Navi traue ich jetzt auf jeden Fall nicht mehr blind.

Nach einer weiteren Pause mit dem zweiten Powernap des Tages auf einem KFC-Parkplatz komme ich schließlich in ’s-Hertogenbosch auf dem geplanten P+R-Parkplatz an. In wenigen Augenblicken habe ich alles startklar, auch das Vorderrad zurückmontiert, doch die Scheibenbremse schleift. Wieder geht eine Viertelstunde drauf, bis es die Ausrichtung stimmt. Dann, gegen 0830 Uhr kann es endlich losgehen.

Google Maps fand eine schöne Radstrecke, die nur 120 Kilometer lang sein soll. Die nehme ich jetzt und lasse mich einfach per Smartphone navigieren (was sich noch als Fehler herausstellen wird). Meinen Reserveakku habe ich dabei. Ohnehin ist der Plan, die letzte Etappe an einem Tag zurückzulegen. Ich hätte mehr Lust, am nächsten Tag auszuschlafen und auf der Couch zu liegen. Meine Campingsachen habe ich trotzdem für den Notfall dabei.

Ich sagte es schon einmal, ich sage es wieder (und ich werde nicht müde werden, es zu wiederholen): Die Niederlande haben das weltbeste Radverkehrsnetz. Du fährst wie auf der Autobahn auf bestens ausgebauten, breiten Wegen, auf denen du kaum jemals mit Autos ins Gehege kommst. Das System mit klar abgetrennten Fahrradspuren durchzieht nicht nur ein paar Gegenden und Städte, sondern das ganze Land. Es ist ein Traum. Du musst nur wissen, wohin du willst, dann wird die Reise zum Kinderspiel.

Und genau das ist das Problem mit Google Maps. Anfangs schiebe ich es noch auf meine eigene Schusseligkeit. Spätestens nach der Hälfte der Strecke ist aber klar: Es ist auch sehr, sehr oft die App. So gut Google Maps als Autonavi funktioniert, das Fahrradnavi schickt dich auf Gegenspuren, wo du den Ärger des Gegenverkehrs auf dich ziehst, auf Fußgängerwege, auch wenn 10 Meter daneben ein Radweg verläuft, kündigt vor Kreisverkehren nur die Straßennamen an, in die du fahren sollst, auch wenn es keine Straßenschilder gibt, schickt dich auf linker Seite am Kanal vorbei, und wenn du auf die rechte Seite wechselst, weil links eine Baustelle ist, soll der Weg plötzlich 8 Minuten länger sein… Es liegt daran, dass ich Komoot auch nicht besonders mag, weswegen ich immer wieder auf Maps hereinfalle.

Trotzdem komme ich eigentlich wunderbar voran. Dichte Bebauung und Wälder machen den eigentlich starken Gegenwind kaum spürbar. Die ersten 40km schaffe ich ohne Pause, danach fülle ich meine Trinkflasche zum Erstaunen der Anwesenden auf einem Friedhof kurz auf. Ich fahre die Route an der Maas entlang, die kurz vor Dordrecht in die Waal mündet (der Rhein heißt etwa ab der Grenze nicht mehr Rhein, sondern teilt sich in mehrere Arme auf, von der die Waal der größte ist). Erst kurz vor der gigantischen Waalbrücke vor Dordrecht schickt mich die App an den Fluss und es gibt reichlich Gegenwind. Ich fahre ein paar Kilometer tief nach vorne gebeugt, was mich gut und gerne 2 km/h schneller macht. Den Motor lasse ich auf Stufe 1/4, weil ich ahne, dass da später noch weit mehr Wind kommen könnte.

Hinter der Brücke geht es an Dordrecht vorbei, aber nicht direkt nach Rotterdam rein, sondern erst über eine Flussinsel zwischen neuer und alter Maas (das Gewirr an Flussarmen, Kanälen und Inseln ist gewaltig; schaut euch das mal auf einer Karte an!). Ich habe mittlerweile schon 70km hinter mir, als es Mittag wird, langsam schwinden meine Kräfte (ich hab noch gar nichts gegessen heute), die App schickt mich durch Tunnel und über Brücken, und wie es immer so ist: Wenn du ein Café oder eine Bäckerei suchst, kommt kilometerweit keine.

Ich bin schon kurz vor Rotterdam, als ich an einem Campingplatz vorbei komme und aus der Ferne das Wort „Pannekoekenhuis“ erspähe. Hin! Den (sehr leckeren) Pfannkuchen mit Vanilleeis und Sahne inhaliere ist fast, der Cappuccino dazu weckt Wunder. Auf der Toilette fülle ich noch einmal (mehr oder weniger) heimlich meine Trinkflasche auf, dann geht es gefühlt mit Siebenmeilenstiefeln weiter.

Und das muss es auch, denn der Wind weht langsam deutlich frischer. Es geht durch den Beneluxtunnel über die neue Maas endlich nach Rotterdam, beziehungsweise die Vororte. Hier ist keine Stadt mehr, hier ist eigentlich nur noch Hafen, kilometerweit. Und nach einem Hafen kommt noch ein Hafen und wieder ein Hafen. Das Ganze ist nicht unbedingt malerisch aber durchaus beeindruckend.

Wer immer bestimmt hat, dass die Rheinroute oder die offizielle Eurovelo 15 (deren Spur ich längst verloren habe) in Rotterdam enden soll, hat nicht ganz die Wahrheit gesagt. Denn was da als Fluss, Kanal oder was auch immer schließlich in die Nordsee fließt, tut das erst 30 Kilometer hinter Rotterdam bei Hoek van Holland.

Und 30 Kilometer können bei Gegenwind ganz schön lang sein. Zum Glück habe ich mir Akku aufgespart und kann nun etwas mehr in die Vollen gehen. Die Strecke ist nicht mehr die Allerhübscheste. Es geht durch eine Arbeitersiedlung, weitere Hafenanlagen… Es heißt zwar nicht mehr Rotterdam, aber der Hafen der Stadt geht hier nahtlos in weitere über. Ein Blick vom Deich auf den Fluss entschädigt aber für alle Strapazen.

Kurz vor dem Ziel gegen 1700 Uhr saust mir dann noch einmal richtig Wind um die Ohren. Der Himmel zieht sich langsam zu. Der Wetterbericht hält also Wort: Tagsüber trocken, abends Regen. Ich sehe zu, dass ich ans Ziel komme, und erreiche um 1730 schließlich den Strand von Hoek van Holland.

Hier warten natürlich kein Empfangskomitee oder eine Ziellinie, aber ein obligatorischer Wegweiser zu Orten wie Hamburg, New York oder Paris (der mir zu kitschig ist, um ihn zu fotografieren). Immerhin: ein paar Einheimische lächeln mich an, als sie mich in voller Montur kommen sehen.

So ganz alleine mache ich es denn auch kurz. Nehme ein paar Fotos und Selfies vom Ziel auf, gönne mir einen großen Schluck aus der Wasserpulle und gehe dann in der Fischbude um die Ecke (fantastische!) Fish and Chips essen. Das ist auch notwendig, mir ist ein bisschen kalt und ich bin erschöpft; schon das Reden fällt mir schwer. Der Imbissverkäufer wechselt freundlicherweise sofort auf Deutsch, nachdem ich ihm halb auf Niederländisch, halb auf Englisch meine Bestellung vornuschele (ich muss echt noch einmal an meinem Akzent arbeiten).

Dass ich mit meinem Motto („Irgendwie kommst du schon zurück“) diesmal gar nicht weit kommen würde, war mir vorher klar. Aber verschiedenste Apps zeigen mir einen absurden Weg von Hoek van Holland (wo es nur eine S-Bahn-Station gibt) zurück nach ’s-Hertogenbosch. Obwohl schon 125 km auf dem Tacho (ja, es werden immer mehr, als die Apps vorher ankündigen), entscheide ich mich schließlich, mich noch einmal aufs Rad zu schwingen und nach Den Haag zum Bahnhof zu fahren. Klingt furchtbar weit, sind aber nur 18 km, oder sollen es zumindest sein.

Denn hier versagt Google Maps schlussendlich völlig. Will mich quer über die Dünen schicken, weiß nicht, ob links oder rechts, schickt mich an der Gabelung rechts, um mich dann zurückzupfeifen: falsch abgebogen. Und am Ende sind es zum Bahnhof eher 24km. Ich verpasse deswegen meinen geplanten Zug und ärgere mich schwarz.

Allerdings nur fünf Minuten lang, als ich sehe, dass der nächste Zug nach Utrecht (da umsteigen nach ’s-Hertogenbosch) bloß 15 Minuten später fährt, der danach wieder 15 Minuten später und so weiter. Die Anschlüsse dann übrigens im selben Takt. Ich kann in aller Ruhe ein Ticket kaufen, meine FPP2-Maske aufsetzen und mein Fahrrad in den schon wartenden Zug einladen. Also ist nicht nur die Fahrradinfrastruktur in den Niederlanden Welten besser als in Deutschland, auch die Bahn.

Ach, mehr noch. Ich sehe an diesem Tag Menschen, die gemeinsam Sport machen, nicht nur Fußball, es gibt auch große Radfahrerpulks, Laufgruppen, Wanderer. Die Menschen unterwegs kommen mir insgesamt entspannt vor, der gesamte Straßenverkehr viel weniger ellenbogenartig, Radfahrer werden nicht von der Straße gewünscht, sondern auf ihrer eigenen Spur respektiert. Wie angenehm! (Note to self: Die Sprache lernen und überlegen, dahin auszuwandern.)

Von Den Haag sehe ich leider nicht mehr viel, nur kurz die Skyline und das Diplomatenviertel. Was ich sehe, erinnert mich an eine Planstadt. Ich komme durch zwei Straßen, in denen sich eine Botschaft an die nächste reiht, teilweise sogar thematisch gruppiert (hier etwa vier südostasische Länder direkt nebeneinander). Die Stadtplaner überlassen hier nichts dem Zufall.

Um kurz nach 9 kommt die Bahn in ’s-Hertogenbosch an. Ich rolle das Fahrrad nach draußen, stehe noch kurz vor dem Eingang und will die Navigation zum Parkplatz starten. Sofort kommen ein junger und ein alter Kerl arabischen Aussehens auf mich zugerannt. Ob sie eben mein Handy benutzen dürften, um jemanden anzurufen. Ich bin nicht überzeugt: „Actually no, I need my phone and I don’t even know you.“ Es wäre aber dringend, sie müssten einen Anruf tätigen um zu wissen, ob ihre Übernachtung klargehe. „Sorry, I don’t know. Maybe better ask a local to help you.“ Sie lassen nicht locker. Ob ich dann eine Nummer wählen könnte, die sie mir diktieren und dann auf Lautsprecher schalten. „Hm, okay, why not…“

Sie diktieren mir die lokale Nummer, ich wähle und schalte auf Lautsprecher, jemand hebt ab. Der Alte ruft einen kurzen Satz ins Telefon in einer Sprache, die ich nicht verstehe, die andere Seite antwortet mit einem Wort. Das war’s schon. Die beiden bedanken sich nicht übermäßig überschwänglich und gehen sofort ihren Weges. Sonderbare Begegnung… Sollte sich die nächsten Tage die Kripo bei mir melden, warum ich die Nummer eines internationalen Irgendwas-Händlerrings gewählt hätte, ich wäre nur mäßig überrascht.

Google Maps lotst mich durch die Innenstadt von ’s-Hertogenbosch (die hübscher ist als erwartet) zum Parkplatz. Ich verstaue Fahrrad und Sachen, sehe auf Google Maps dass ich gerade noch Zeit habe, einen Supermarkt zu besuchen, mache mich kurz dorthin, kaufe Käse, Milch im Kanister (jaja, ist nur Milch, aber damit fühle ich mich immer wie im Film), eine Flasche Wasser und um kurz vor 22 Uhr geht’s dann zurück.

Diesmal navigiere ich mit Google Maps statt dem Autonavi (dem traue ich nicht mehr, und KFZ-Navi kann Maps ja eigentlich) und lande auf einer Straße, auf der ich die ganze Zeit bis zur Grenze nur 80 fahren darf. Eindeutig eine andere Straße als die Autobahn, über die ich gekommen bin. Na ja, dann ist heute eben nicht Welttag der Navigationssysteme. Ich singe zu meiner Lieblingsplaylist, um mich wach zu halten, komme wieder an den schiffartigen Braunkohlebaggern vorbei und ansonsten ohne weitere Zwischenfälle um kurz vor Mitternacht zu Hause an. Packe noch aus, hänge meine Klamotten auf, dusche und falle gegen 0100 Uhr halbtot ins Bett. Was für ein Trip!

Ich bin den ganzen Rhein abgefahren. :)) In mehreren Zügen und Richtungen, klar, aber durch Wind und Wetter, über Stock und Stein. Erst von Bonn nach Koblenz, die eiskalte, erste Übernachtung auf dem Campingplatz, die regnerische Etappe gleich zu Anfang der Eurovelo 15 hinter Andermatt den Oberalppass hinauf, an der Rheinschlucht und dem Bodensee vorbei. Und schließlich am Niederrhein entlang durch die Niederlande. Die schönste Etappe? Tatsächlich die Mammutstrecke neulich linksrheinisch von Düsseldorf über Dusiburg, Moers, Krefeld, Xanten und so weiter bis nach und inklusive Arnheim. Ein richtig schönes Fleckchen Erde!

Und? Bin ich jetzt ein anderer Mensch? Ganz ehrlich: ja. Da hat sich etwas verändert in den letzten Wochen. Was das bedeutet und wie es nun weiter geht. Wir werden sehen. 🙂

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Hm

87: Autumn is coming

Jedes Jahr um die Zeit stelle ich für gewöhnlich alles in Frage. Die Arbeit fällt mir schwer, die IFA kommt und nervt, weil die Business-Kasper da wieder einmal von Innovationen reden, die keine sind (obwohl ich’s diesmal gar nicht so schlecht finde), mit englischen Business-Floskeln um sich schmeißen und entweder nicht zugeben wollen und tatsächlich nicht verstehen, dass das, was sie da präsentieren, zu 90 Prozent Spielzeuge für Erwachsene sind. Der Beitrag, den ich gerade dazu schreibe, fällt mir erstaunlich schwer zu schreiben, obwohl ich mir schon die besten Sachen rausgesucht habe. Aber vielleicht ist es auch einfach das. Die Zeit des Jahres ist da, in der die Tage kürzer werden, der Schlafbedarf steigt. Die Temperaturen tagsüber lassen dich noch in dem Glauben, dass Sommer ist. Aber spätestens abends ist klar: der Herbst ist da.

Normal ereilt mich jetzt die Herbst- oder Winterdepression. Aber diesmal sind ein paar Dinge anders. Ich weiß, was dagegen zu tun ist. Es geht Samstag noch einmal auf die Piste (Rhein-Route, letzte 2 Etappen) und ansonsten fahre ich einfach alles runter und mache es mir hier gemütlich.

Nur das mit der Weltrettung, das bleibt jetzt mal als Projekt. Danke Jens und Boris schon einmal für eure (deprimierenden 😉 Kommentare dazu. Geht da nicht doch noch etwas? Kann doch nicht das Ende sein…