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Glaubenssätze überschreiben

Heute mal etwas Praktisches, das ich gerade in mehreren Bereichen meines Lebens probiere: ungute Glaubenssätze mit besseren überschreiben. Das Prinzip ist eigentlich geradlinig:

1. Ermittle dein Problem, zum Beispiel:

  • Ich trau mir nichts zu.
  • Mir hört nie einer zu.
  • Ich werde immer übersehen.

2. Horche in dich hinein und beginne zu schreiben. Schreiben hilft, Gedanken freizusetzen. Schreibe auf, welche Glaubenssätze damit verknüpft sind und woher sie wahrscheinlich kommen. Setze diese Glaubenssätze ganz bewusst in Anführungszeichen, um sie als etwas zu kennzeichnen, das gedacht wurde, aber kein Fakt ist. Zum Beispiel:

  • „Ich bin nichts wert“ -> Elternhaus, Lehrer haben es mir gesagt, Freunde/Partner haben mich im Stich gelassen.
  • „Ich bekomme nichts auf die Reihe“ -> Ich war pleite, hab mein Studium abbrechen müssen, im Job werden andere bevorzugt
  • „Ich werde ja eh wieder verlassen“ -> wurde ich oft, immer rennen mir die Männer/Frauen fort, ich kann machen, was ich will

3. Abstrahiere ehrlich und fair, auch dir selbst gegenüber. Ist es wirklich so schwarz-weiß? Stimmt das denn überhaupt? Was könnten die Ursachen dafür sein? Und was hättest du Anderes tun können? Schreib deine Gedanken wörtlich auf:

  • Na ja, das eine oder andere kann ich schon: Lesen, Schreiben, den „Schimmelreiter“ auswendig vorsagen.
  • Der Lehrer, der das damals sagte, war auch ein komplettes Arschloch. Das hat mich so verunsichert, dass ich mir eine Weile wirklich nichts mehr zugetraut habe und auch andere bescheuerte Lehrer in den Kanon einstimmten.
  • Gegen den Lehrer in meinem Alter mit meiner Unerfahrenheit hatte ich keine Chance.
  • Paar Dinge habe ich schon erreicht, zum Beispiel den Motorradführerschein bestanden.
  • Es haben mich nicht wirklich alle grundlos sofort wieder verlassen. P. etwa ging erst nach einem heftigen Streit nach zwei Jahren in unserer Beziehung. Beziehungen danach bin ich eventuell weniger ernst angegangen.
  • Eventuell habe ich aber auch einfach zu sehr geklammert.
  • Meine Ausbildung habe ich vor allem abbrechen müssen, weil in der Zeit meine Mutter gestorben ist und mich das völlig aus der Bahn geworfen hat.
  • Vielleicht würde ich es beim nächsten Mal schaffen, den Spanischkurs zu bestehen, wenn ich etwas mehr Ehrgeiz entwickle.

4. Erstelle dir eine Liste positiver Glaubenssätze und konstruktiver Vorschläge:

  • Ich kann einiges, wenn man es mal addiert.
  • Bisher habe ich eigentlich noch jede Krise irgendwie durchgestanden.
  • Ich werde den Kurs diesmal schaffen, indem ich erstmal jedes Mal hingehe.
  • Italienisch kann ich am besten morgens vor der Arbeit lernen.
  • Mittwochs schlafe ich aus, das hilft mir, die Wochen besser zu überstehen
  • Ich muss nicht jedem gefallen.
  • Wenn ich schneller Rad fahren will, muss ich mich mehr nach vorne lehnen.

Wenn du jetzt „Affirmationen!“ sagst, dann stimmt das – fast. Einige Lebenshilfe-Literatur rät dazu, dir z.B. Post-its mit der Aufschrift „Ich seh super aus“ auf den Badezimmerspiegel zu kleben. Ich finde das so aber zu holzhammerartig. Wenn es aus der Luft gegriffen ist, wirkt es auch auf dich nicht überzeugend. Lieber etwas länger, detaillierter und echter in eine Liste packen, wie: „Ich habe schon Komplimente für meine Stupsnase bekommen. / Ich hab dichtes Haar und mag das eigentlich. / Ich habe schöne Augen, haben mir meine Partner immer gesagt“.

5. Erstelle dir eine Notiz auf deinem Smartphone mit dem Titel „Babysteps“. Hier listest du täglich stichpunktartig alles auf, was dir in deiner Sache an diese Tag Gutes widerfahren ist:

  • Hab die Französisch-Lektion 3.1 beendet
  • Bin am Tresen endlich mal als erster bedient worden
  • Kollege X hat mich angelächelt.
  • Hab 3,40 Euro gespart, indem ich einfach mal keine Zeitschrift gekauft habe, die ich eh nicht gelesen hätte.

Die Einträge müssen weder immer mehr werden, noch sich steigern. Wenn dir an einem Tag nichts Gutes passiert ist, ist das zwar schade, aber hierfür nicht schlimm. Die Liste hilft dir, dein Selbstbewusstsein zu steigern. Und, ja, das ist im Grunde das, was ein Erfolgsjournal auch ist. Kannst du gerne statt dessen benutzen.

6. Nimm dir Zeit! Große Veränderungen, die dauerhaft Bestand haben sollen, schafft man nur nach Monaten, nicht ein paar Tagen.

7. Und das ist die wahrscheinlich wichtigste und doch undankbarste Übung: Wiederhole! Schaue am besten täglich in deine Liste positiver, neuer Glaubenssätze und deine Babysteps-Liste. Hämmere dir diese Glaubenssätze ein und vergewissere dich, dass dir auch Gutes passiert.

8. Halte durch! Der Tag wird kommen, an dem sich das alles falsch anfühlt, als wärst das nicht du. Das ist wahrscheinlich der Moment, in dem einige deiner neuen Glaubenssätze schon greifen, du andere aber noch nicht verinnerlicht hast. Auch so werden Rückschläge kommen, es werden Tage kommen, an denen gar nichts läuft. Aber wenn du alle Punkte dauerhaft befolgst und deine Aufzeichnungen immer wieder durchgehst und wiederholst, ist es beinahe unmöglich, dass es bei dir nicht langsam aufwärts geht. Wenn etwas nicht gut läuft, erinnere dich daran, dass du ja noch im Training bist und gar nicht alles perfekt laufen kann.

Seit ein paar Wochen nehme ich Tischtennistraining bei einem Privatcoach, und habe mir angewöhnt, nach jeder Trainingssession die wichtigsten Punkte herauszuschreiben, die er mir gesagt oder die wir gemeinsam ermittelt haben. Es sind einfache Merksätze wie „Topspin auf Unterschnitt nach oben ziehen“ oder „Aufschlag halblang auf Vorhand servieren“. Vor jeder Trainingsstunde gehe ich alle Aufzeichnungen noch einmal durch. Und mir fiel auf, dass ich in Stresssituationen – also in Turnier- oder Meisterschaftsspielen, in denen es eng wurde – einige dieser Affirmationen wieder ausgraben und anbringen konnte. Das hat mir tatsächlich schon geholfen, den einen oder anderen Satz zu gewinnen, den ich sonst wahrscheinlich verloren hätte.

Für Sport ist die Methode geradezu prädestiniert. Jetzt gerade probiere ich sie aber auch für ein selbst erstelltes Selbstbewusstseins-Training aus. Und der Erfolg in den ersten fünf Tagen ist verblüffend. Jetzt heißt es nur noch: Punkte 6-8: Geduld haben, Rückschläge einkalkulieren, durchhalten! Denn damit es eine positive Gewohnheit wird, dauert es. „It takes 30 days to build a habit – and three days to destroy it“, sagt ein Sprichwort. Vor allem, wenn der Herbst kommt und alles plötzlich möh wird und die Energie raubt. Ich glaube aber, dass es möglich ist, und ich werde berichten!

2 Antworten auf „Glaubenssätze überschreiben“

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