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Alright!

Nightrunning

Die Fahrt von Düsseldorf zurück nach Bonn hat Verspätung und dauert ewig, ich bin ganz schön geschafft. War klasse, mit Duc ein paar Altbier zu trinken und über das große Ganze zu sprechen; Duc ist ein kluger Mann! Aber jetzt bin ich irgendwie nachdenklich, ziellos. Weil die Fahrt ewig dauert, komme ich auf die Idee, bei Skyscanner nach Flügen nach Toronto und zurück von Vancouver zu schauen. Teuer, aber bezahlbar. Von A nach B dann mit einem Camper, das wär’s. Aber alleine?

Als wir in Bonn ankommen, ist mir irgendwie nicht nach Partypeople in der Innenstadt; ich gehe den etwas längeren Weg durch das Musikerviertel. Da kommt mir auf einmal eine Joggerin entgegen. Jetzt? Um die Zeit? Es ist 2330 Uhr. Sie sieht vergnügt aus. Clever eigentlich. Jetzt brennt die Sonne ja nicht mehr, es stehen weniger Fußgänger herum als am Tag. Ich überlege kurz: Wann habe ich eigentlich zum letzten Mal etwas Spontanes gemacht oder etwas Beklopptes? Etwa, joa, nachts joggen zu gehen? Aber wenn ich das jetzt täte, wäre das nicht irgendwie gefährlich? Ich habe auf dem Weg noch ein paar Haribo gegessen und dürfte vom Altbier noch Restalkohol haben. Was ist, wenn besoffene Jugendliche mir im Dunkeln auflauern? Oder ich den Weg nicht finde? Oder… oder?

Only one way to find out!

Zuhause angekommen, schmeiße ich direkt meine Sachen in die Ecke und ziehe mir Sportklamotten an. Das Handy lasse ich da, die Sportuhr muss den Weg aufzeichnen. Schuhe an, noch ein Glas Wasser trinken, Haustür abschließen und los. Es ist kurz vor Mitternacht. Auf dem Weg nach unten treffe ich meinen Nachbarn aus dem Erdgeschoss, der mit seinen Jungs im Garten chillen war, und weihe ihn kurz in meine Pläne ein. „Joa“, sagt der, „Jetzt ist ja auch endlich was kühler. Viel Spaß!“. Vor der Tür schalte ich die Sportuhr ein und laufe direkt los.

Der Tuscolo hat schon geschlossen, zwei Typen eine Ecke weiter gehen überrascht zur Seite, als sie mich hören. Sonst ist wenig los auf den Straßen und den Bürgersteigen. Den ersten Kilometer fliege ich nur so dahin. Ein klein wenig merke ich im Magen die Haribos von der Fahrt, aber noch ist das kein Problem. Hundert Meter hinter dem Römerkran runter zum Rhein läuft ein Igel über den Weg, ansonsten sehe ich bis zum Schänzchen nichts und niemanden. Erst da sind die ersten kleinen Gruppen von jungen Leuten, die dort abhängen, aber von mir keine Notiz nehmen, oder zumindest nichts sagen.

Es ist gar nicht so viel anders, als würde ich an einem Wintertag nach Feierabend laufen gehen. Die Wege sind belechtet, ein paar Leute sind halt unterwegs, aber niemand interessiert groß, was ich mache. Hoch in Richtung Kennedybrücke sind nur drei Mädels, die etwas zu viel getankt haben und mich erst im letzten Moment kommen sehen, erstaunt zur Seite weichen, aber ebenfalls nichts sagen.

Drüben in Beuel ist ein wenig Beschallung am Rhein, in den Anwesen entlang der Promenade klingt es nach Gartenpartys. Auf Höhe Schwarzrheindorf nach fünf gelaufenen Kilometern dann etwas, womit ich nicht gerechnet hatte: Hier enden plötzlich die Straßenlaternen, und es wird bis zur Brücke zappenduster. Ist das im Winter auch so? Ich kann mich eigentlich nicht an so viel Dunkelheit erinnern, freue mich auf jeden Fall über jeden Radfahrer, der mir entgegenkommt oder mich überholt und ein wenig der Strecke ableuchtet.

Es ist sternenklar an diesem Abend und sehr angenehme Luft. Es duftet ein wenig nach Heu, nach Blüten, hinter dem Klärwerk in Bonn ist es dann zwar dunkel aber auch himmlisch ruhig.

Womit ich auch nicht gerechnet hatte: Auch auf der Nordbrücke ist das Licht aus. Hier sind ja tatsächlich Scheinwerfer über der Fahrbahn, die für gewöhnlich auch die beiden Fußwege links und rechts ableuchten. Sie waren mir nie aufgefallen, solange sie angeschaltet waren. Nun sind sie aus – und ich sehe nicht mehr, wo ich hintrete. Als ich einem Radfahrer ausweiche, knicke ich fast um, weil neben dem Fußweg ein Loch ist. Die entgegenkommenden Autos leuchten zwar die groben Umrisse aus, doch die Lichtkegel reichen nicht bis zum Boden. Zwei Kilometer laufe ich dadurch nur auf Verdacht. Zum Glück kenne ich die Strecke von früheren Laufen und weiß, dass sie im Großen und Ganzen eben ist.

Die Bonner Seite ist dann wieder beleuchtet. Der Rhein ist derart niedrig im Moment, dass es einige Grüppchen es sich am Ufer bequem gemacht haben. Vier Jungs haben dort einen Tisch aufgestellt, ihn mit Lichtkringeln beleuchtet und spielen dort allen Ernstes Bierpong. ?

Ansonsten passiert nicht mehr viel. Ein wenig fühlt es sich in meinem Magen nach Sodbrennen an, aber nach keinem all zu schlimmen. Mein Knie schmerzt weniger als sonst. Ich bin wie immer durchgeschwitzt, als ich zuhause ankomme, aber vielleicht sogar etwas weniger, als wäre ich am Tag gelaufen.

Alles in allem hat das Spaß gemacht. Een klein avontuurtje, nicht mehr, nicht weniger. Aber ich strahle bis über beide Ohren, während ich die Geschichte jetzt aufschreibe. Einfach toll, mal eine spinnerte Idee spontan umzusetzen. 🙂

Ach so, und die Zeit? Nicht der Rede wert: 59:22 min für genau 10 km. Ich war schonmal schneller, auch schonmal langsamer. Alles unter 1 Stunde freut mich eigentlich immer, also bin ich ganz zufrieden damit.

*

Düsseldorfer Altstadt: Schwer zu erklären warum, aber irgendwie mag ich es, alle paar Monate ausgerechnet da ein wenig durch die Straßen zu streifen, die Atmosphäre aufzusaugen und ein paar leckere Alt zu trinken (Kürzer hat ein ziemlich gutes). Und ich weiß ehrlich gesagt gar nicht warum. Klar, ein kleinen Asi wohnt in jedem von uns, aber ich kann mit der Kölner Altstadt recht wenig anfangen, mit dem Ballermann auch nicht. In Düsseldorf ist es nicht weniger stumpf, oberflächlich, bekloppt, viel zu laut und verrückt. Als wir im Kürzer am Fenster sitzen, ist draußen die vielleicht sechsköpfige Gruppe von Expats derart laut, dass ich mein eigenes Wort nicht mehr verstehe. Sie brüllen sich bei jedem Satz an. Warum, weiß ich nicht. Es herrscht Massenabfertigung im Kürzer, im Fünfminutentakt folgt ein Altbierspaziergang auf einen Junggesellin:nenabschied. Ich komme nicht schnell genug weg und muss einer Zukünftigen für 5 Euro ein Stück aus dem Party-T-Shirt schneiden. Nach dem zweiten Alt stört mich das aber alles kaum noch. Es ist laut, es ist primitiv, ich fühle mich da irgendwie wohl. Verrückt.

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Camper Van Beethoven: Take the Skinheads Bowling (2007):

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