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Gevatter Rhein (Etappe 1)

Es ist Sonntag, und ich plane, um 1100 Uhr loszufahren. Es wird 1330. Das heißt, nein, eigentlich hatte ich mal geplant, am Freitagnachmittag schon loszufahren, aber die berühmte Woche vor dem Urlaub kam mir dazwischen. Und dann wollte ich auch noch einmal meine besten Freunde zum Abschied sehen. Das war Samstag.

Jetzt packe ich zu Ende, versuche noch einmal, den kaputten Ständer mit Panzertape aus dem Auto am Rad zu fixieren. Es klappt nicht, ich lasse ihn zu Hause. Ich frühstücke und fechte diverse Kämpfe mit meiner inneren Stimme aus: „Fahr erst morgen, ist doch jetzt eh schon zu spät. Was willst du da eigentlich? Es ist Hauptsaison, glaubst du ernsthaft, dass da noch Platz für dich auf nem Campingplatz ist? Weißt du, was unterwegs alles passieren kann? Chill doch lieber auf dem Balkon! Das ist eh alles eine Nummer zu groß für dich!“

Ach, halt doch die Schnauze, innere Stimme!

Aber die Frage treibt mich in der Tat um: Ist das nicht alles ein bisschen weit? Ist das in drei Wochen überhaupt zu schaffen? Ist es wirklich klug, ins Blaue zu fahren? Was ist, wenn…?

Denn es soll einmal durch das ganze Land gehen. Einmal von Süd nach Nord durch Deutschland, und weil ich in Bonn wohne und damit so ziemlich in der Mitte, muss ich natürlich erst einmal in den Süden kommen. Ich könnte die Bahn nehmen, es ist der Sommer des 9-Euro-Tickets, aber ich fühle mich wohler auf dem Rad.

Ich gehe noch einmal auf den Balkon, lasse mir den warmen Wind um die Ohren wehen und atme ein paar Mal tief durch. Im Hintergrund läuft Dido auf meinem Laptop: „There will be no white flag upon my door.“

Dann packe ich zusammen und fahre los:

Bonn zieht sich eine Ewigkeit, ich brauche fast eine Stunde, um aus der Stadt raus zu sein. Aber schön ist Bonn dann irgendwo doch da an der Promenade. Ach, Gevatter Rhein! Wie wenig du gerade von dir zeigst! Es hat seit Wochen kaum geregnet, es herrscht eine der schwersten Dürren in diesem Land seit Jahrzehnten, und davon werde ich unterwegs wohl noch einiges zu spüren bekommen.

Kurz hinter Remagen ist dann die Brücke über die Ahr weg. Die Flut vor fast genau einem Jahr hat sie, wie so vieles Andere, einfach mitgerissen. 140 Menschen starben in der Nacht in etwas, von dem wir dachten, dass es uns nicht mehr passieren könnte. Dabei dürften es erst die Vorboten dessen gewesen sein, was wohl traurige Realität werden wird: unsere Sorglosigkeit hat uns eingeholt.

Weil das Flussbett durch die Dürre fast ausgetrocknet ist, trippeln die Leute über eine Reihe von Steinen und schieben ihr Rad dabei. Das ist die improvisierte Brücke. Take it or leave it. Ich gehe natürlich auch darüber und hole mir dabei einen nassen Fuß. Aber es ist warm, das Wasser wie die Luft. Es macht nichts.

Der Weg dahinter ist holprig und eigentlich abgesperrt, aber was heißt das schon. Zwei Frauen und ich schlagen sich durch. Wir sind gerade aus dem Gehege raus, da kommt ein Mann von der Seite angefahren und ruft sehr laut: „Das scheint mir kein guter Weg nach Remagen zu sein!!!“

Ich habe mir vorgenommen, solchen Leuten nicht mehr zu antworten. Ist das einer von denen, die gerne Sheriff spielen wollen, will er Beserwisser spielen oder provozieren? Es klingt für mich so. Zumindest, bis er ein „Oder?“ hinterher schiebt. Vielleicht wollte er wirklich nur wissen, ob man da langfahren kann. Aber dann soll er danach fragen, wie jeder Andere auch!

Ich bin noch nicht ganz angekommen im Urlaub, scheint es, aber ich komme gut voran, die Gegend bin ich vor zwei Jahren auf dem Weg in die Schweiz schon einmal abgefahren. Aber ich bin nicht gut drauf, irgendwie emotional. Ich vermisse Kristine, mit der ich hier mal im Auto langfahren bin. Das ist alles grandios schief gegangen mit uns. Ach verdammt… Was, wenn meine innere Stimme doch recht hatte?

Aber Radfahren hilft und ich erinnere mich an frühere Fahrten. Zu Beginn das Gedankenchaos. Aber irgendwann, so nach 3-4 Stunden am 1. Tag, hört das für gewöhnlich auf.

Was auch mit der Grund dafür ist, dass ich noch weiterfahren möchte, als ich gegen 1700 Uhr bei Kilometer 70 schon Koblenz erreiche und am gleichen Zeltplatz vorbei komme, bei dem ich vor zwei Jahren abgestiegen war, direkt am Deutschen Eck:

Ich bin schon überraschend kaputt, doch das kann auch schlicht daran liegen, dass ich bis hierhin noch gar keine Pause eingelegt habe, wie mir jetzt erst auffällt. Die mache ich dann hier, schleiche mich kurz auf den Zeltplatz, um meine Wasserflasche wieder aufzufüllen. Dann fahre ich weiter. Es ist noch zu früh, um jetzt schon irgendwo anzukommen.

Im Süden von Koblenz verirre ich mich auf dem Weg zurück zum Rhein, finde den Radweg wieder und plötzlich kommen mir Scharen von Fußballfans entgegen, Bielefelder Fußballfans.

Am Stadion dann surreale Szenen. Das Spiel scheint sich dem Ende zu zu neigen, ich habe keine Ahnung wie es steht, aber die Bielefelder Fans mit T-Shirts, auf denen „Ultras“ steht, sind ruhig. Besoffen aber ruhig. Sie scheinen zu gewinnen. Etwa zehn Polizisten stehen in Zweierreihen abwartend daneben. Ich rolle langsam an dem bizarren Geschehen vorbei.

(Nachtrag: Es war der FV Engers 07, ein Fünftligist aus der Nähe, der sich für den DFB-Pokal qualifiziert und für das Spiel das Koblenzer Stadion ausgeliehen hatte. Der Zweitligist Bielefeld gewinnt allerdings erwartungsgemäß mit 7:1.)

Aber hier wird die Gegend dann richtig schön, denn es kommt die Burgenromantik. Ich mache viele kitschige Fotos vom UNESCO Weltkulturerbe:

Aber das Gedankenchaos kommt zurück: „Warum bist du immer alleine, warum vermasselst du alle deine Beziehungen, warum bist du immer so unschlüssig bei allem?“

Tja, wenn ich das wüsste…

Direkt unter der Lorelei ist ein Campingplatz, sehe ich auf Google Maps. Das wäre doch chefig und trashig zugleich, hier unterzukommen, denke ich mir. Ist bestimmt voll, aber fragen tust du!

Und siehe da: es ist noch massig Platz. „Sie können sich aussuchen, wo Sie das Zelt aufschlagen“, sagt der Rezeptionist, als ich gegen 1900 Uhr dort eintreffe. „Nur die erste Reihe ist reserviert.“

Hier reiht sich in der Tat Wohnmobil an Wohnmobil, in der Mehrzahl aus Nederland. Aber ich finde tatsächlich noch einen freien Platz auf einer einsamen Wiese mit direktem Loreley-Blick. Hier lasse ich mich nieder und schlage das Lager auf. Heute ist mir nicht nach Menschen:

Bis mir dann irgendwann doch noch nach Menschen ist. Nachdem ich alles aufgebaut und dabei das Deutschland-Spiel auf dem Handy gestreamt habe, nehme ich meinen ganzen Mut zusammen und spreche meine niederländischen Nachbarn (ein altes Ehepaar) auf Niederländisch an: „Goedenavond, hoe gaat het me jullie?“ Seit zwei Jahren nach einem kurzen Urlaub dort lerne ich die Sprache, aber ich komme nicht wirklich voran. Mir fehlt die Praxis. Aber Camper sind ja eigentlich meist offen, denke ich mir, und dass Niederländer oft auf Campingplätzen zu finden sind, ist mehr als ein Klischee. Es ist die Wahrheit.

Und dann wird es ein nettes Gespräch. Sie freuen sich offensichtlich, dass ich sie auf ihrer eigenen Sprache angesprochen habe, aber streamen nebenbei weiter das Finale auf dem Tablet. Wie übrigens die allermeisten hier auf dem Platz. Die deutschen Fußballfrauen erleben in diesen Tagen ihren medialen Durchbruch. Schon das Halbfinale verfolgten Millionen, und jetzt steht das Team von Martina Voss-Tecklenburg im Finale gegen England – und endlich mal fiebern alle mit.

Mit dem Mann komme ich aber doch noch ins Gespräch. Er merkt, dass ich nicht viel verstehe und verwendet einfachere Begriffe. Ich tue mich sehr schwer, aber schaffe es, ganz Sätze zu formulieren und verstehe auch das meiste, was er sagt. Irgendwann bedanke ich mich und versuche, den beiden noch einen schönen Abend zu wünschen, was misslingt, aber nichts macht.

Hinterher muss ich strahlen wie ein Honigkuchenpferd. Ich schlendere über den Platz und jeder Zweite grüßt mich freundlich. Grüßt man Menschen eher, wenn sie lächeln? ?

Deutschland verliert das Spiel in der Verlängerung (sehr schade). Ich beschließe, nur noch diesen Text zu schreiben und dann schlafen zu gehen. Und das tue ich dann auch.

Notizen:

Day-Challenge: mich nicht über andere Verkehrsteilnehmer aufregen, selbst wenn sie als Fußgänger zu viert nebeneinander auf dem Radweg laufen. War anstrengend aber hat funktionieren müssen, auch weil meine Klingel zwischendurch den Geist aufgibt und ich die Leute dann mündlich bitten muss zur Seite zu gehen.

Der Gerät: Ich mache auf dieser Tour alles mit dem Smartphone: Fotos, Bloggen, Musikhören, EM-Finale der Frauen live streamen, den Weg finden… Schade dass es langsam ist, aber zumindest der Akku scheint was zu taugen. Hat immer noch 25 Prozent.

Luma: Meine alte Luftmatratze hatte Rock am Ring nicht überlebt. Sie war schwer aufzupusten aber unfassbar komfortabel, deswegen habe ich sie mir noch einmal bestellt. Und siehe da: der Hersteller hat das Aufblasventil verbessert. Aufpusten geht jetzt binnen einer Minute statt vorher so drei bis vier. How cool is that!

Merino: Stinkt ja nicht oder erst nach Tagen. Überlege deswegen jetzt ernsthaft, das gleiche Shirt, das ich auf der Fahrt anhatte und jetzt tatsächlich immer noch trage, auch zum Schlafen anzuziehen. Vielleicht ist mir dafür aber alleine der Gedanke zu fies…

Könnte laut werden heute Nacht. Züge, Autos, Partyschiffe, vor allem aber Lastkähne brummen hier vorbei. Aber wird schon – ich bin todmüde.

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Yeah

Foto’s aan Zee

Falls noch einer überlegt, ob er mich besuchen will…

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Yeah

Bonn wacht auf

Jetzt, wo für mich mehr oder weniger ein neuer Lebensabschnitt beginnt, für den ich unbedingt aus Bonn raus kommen wollte, wird es hier plötzlich wieder hübsch. Es gibt Outdoor-Kinos, Live-Outdoor-Wahlkampfdebatten direkt vor meiner Tür (aber ich hatte keine Zeit dorthin zu gehen), Konzerte und Theater sowieso, die Leute machen Sport im Park, die Straßen sind voller Menschen. Vor dem Kaiserplatz kann man bei schönem Wetter mittlerweile ziemlich gut Fußball gucken oder kurz einen Blick auf die Fahrraddemo werfen, die dort lang geht.

Ein neues Brauhaus hat in der Innenstadt geöffnet (Sion zwar, aber was soll’s), auch die Gegend um den HBF kommt langsam aus dem Quark (auch wenn der Style da immer noch ghetto-chic ist). Die Wirte von Nyx und Flynn’s Inn wollen das Anno wiederbeleben. Ähnliches Konzept wie früher zwar, aber im Nebensatz ließen sie die Info fallen, dass der Laden 12 Zapfhähne bekommen soll. Beinahe eine Craftbeer Bar! Es geht aufwärts hier. Warum wollte ich noch mal weg?

Na ja, weil vor ein paar Wochen halt noch alles schlief, Corona noch am Start war, ich jeden Quadratmeter hier im Umkreis hundert mal abgelatscht hatte und man auf jeden Fall ja mal raus muss, aber irgendwie nicht konnte. Jetzt bin ich über beides froh. Dass ich doch noch mal hier weg komme und dass ich mich bei die Rückkehr nicht grämen muss. Bonn ist schön, Bonn lebt wieder, ich freue mich, bald wieder hier zu sein!

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OK

Traveling more lightly

Das sind die Dinge, die ich auf meinem Bikepacking-Trip kürzlich nicht (links) oder nur ganz selten (rechts) gebraucht habe:

Links seht ihr vor allem Notfallzeugs: Regenhose, Regengamaschen, Fahrradschlauch, Mantelheber, Notfallwasser. Dazu Extra-Masken, Wäscheleine, feuchte Reinigungstücher, Kaugummis.

Jeweils nicht gebraucht habe ich das zum einen, weil ich tatsächlich auch nach 7.500 km mit dem E-Bike noch nie eine Panne hatte (toi toi toi) und weil ich mit Hilfe von Wetter-Apps, Planung und Hotelzimmern i.d.R. versuche, Regentage komplett zu umgehen. Um meine 1-Liter-Flasche Wasser wieder aufzufüllen, steuere ich mit Hilfe von Google Maps meist Friedhöfe an.

Note to self: Beim nächsten Mal lieber mehr Kleidung zum Wechseln mitnehmen. Hosen gehen vielleicht auch zweimal, Shirts nicht. Bis auf Nässe und Kälte nervt nichts mehr, als andauernd waschen zu müssen.

Die nur 1x oder ganz selten benutzten Gegenstände sind zweites Ausgeh-T-Shirt, Gesichtscreme, Notfall-Studentenfutter (Radfahren macht kaum hungrig) und das Solarladegerät. Es gab schlicht zu wenig Sonne.

Ganz nebenbei könnte ich eigentlich schon wieder los. 🙂 Mal sehen ob es in der angeblich schönen kommenden Woche für ein paar Tagestrips reicht.

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Right

Nur 3 Songs

Der niederländische Radiosender NPO 3 FM, den ich sehr gerne höre, hat einen Podcast namens „Onbewoond Eiland“, in dem Leute über ihre Lieblingsmusik berichten. Das Szenario: Ihr seid auf einer einsamen Insel gestrandet und habt nur einen (solarbetriebenen?!) Bluetooth-Speaker dabei, auf dem tagein, tagaus nur dieselben drei Songs laufen können. Ihr wisst nicht ob ihr jemals gerettet werdet und ihr könnt nichts an der Auswahl verändern. Es müssten immer die gleichen Songs sein. Wenn ihr die Wahl hättet: welche wären das?

Ich finde die Frage fast schwerer zu beantworten als die drei Songs, die ich noch einmal gerne hören würde, bevor ich sterbe. Es müssten eben drei Songs sein, die euch maximal wenig auf die Nerven gehen. Das will weise ausgesucht werden. Mir fallen spontan ein paar ein, die ich damals rauf und runter gehört habe, über die ich mich danach trotzdem immer gefreut habe, wenn sie im Radio kamen und die ich auch heute noch gut hören kann. Warum weiß ich nicht. Es sind, zum Beispiel:

  • Fire, Water, Burn von Bloodhound Gang (the roof is on fire!)
  • Song 2 von Blur (mochte ich anfangs gar nicht)
  • Run Boy Run von Woodkid
  • Turn it up, fire it up (Busta Rhymes)
  • Zero Gravity von Kate Miller-Heidke (ein Beitrag zum Eurovision vor ein paar Jahren, aber der hat mich sowas von gekriegt)
  • Mist, sind schon fünf
  • Und natürlich noch viele, viele, die mir erst hinterher wieder einfallen würden, vor allem aus der Alternative-Schiene

Welche wären das bei euch? Und denkt daran: Es gäbe nie wieder was Anderes zu hören.

In der ersten Woche nach dem Urlaub habe ich mich nach dem ersten Schock wieder gefangen. Die Arbeit nur am Smartphone war sehr lehrreich, meine Pläne von Aufenthalten außerhalb Bonns leben noch und werden sogar realistischer und eigentlich bin ich gerade ziemlich happy. Genaueres bei Zeiten.

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Möh

Urlaubsspirit in den Alltag rüberholen (oder auch nicht, a sad story)

Ich kam einen Tag früher als geplant aus dem Urlaub wieder und hatte also noch den Sonntag übrig. Und eigentlich hatte ich gar keine Lust, wieder im Alltag anzukommen. Langweiliges Bonn… Ich wollte den Urlaubsspirit mitnehmen:

  • Direkt 1 Monat Aufenthalt in Amsterdam buchen für einen Sprachkurs und um die Startup-Szene dort zu erkunden
  • Vielleicht gleich ein neues Blog dazu starten, Gründer in Cafés zu Audio-Interviews treffen? Das alles auf Englisch? Warum nicht!
  • 1 Monat in Düsseldorf buchen, nur um die Stadt zu erkunden
  • 2-3 Monate in Singapur buchen, um das Zusammenleben mit Kristine zu testen. Das Land lässt (nur!) Deutsche wieder rein. How cool is that!
  • Planen, mir schnellstmöglich eine neue Brille zu kaufen
  • Für die Arbeit 1 Woche lang testen, nur mit dem Smartphone zu arbeiten (verrückte Urlaubsidee)
  • Bargeldlos first. Künftig immer erst fragen, ob ich mit Karte bezahlen kann. Bisschen Modernität in dieses Land bringen.
  • So schnell wie möglich nach Poppelsdorf und dort beim frittierenden Holländer Frikandel Spezial mit Patat und einer Portie Bitterballen bestellen.

Und es ging auch direkt gut los. Ich fand online ein bezahlbares, kleines Zimmer in Amsterdam, ein superhübsches WG-Zimmer zur Zwischenmiete in Düsseldorf, zusammen bewohnbar mit zwei Dudes. Und in Amsterdam noch einen Notnagel für verhältnismäßig wenig Geld auf AirBnB. Ich schrieb die beiden WGs direkt an.

Sie antworteten nicht. Wohnungen in Singapur schienen plötzlich exorbitant teuer, der Markt schien einfach noch nicht angesprungen zu sein. Und als ich heute noch einmal für Amsterdam schaute, war der günstige Notnagel schon weg. Plötzlich gab es nur noch Wohnungen auf AirBnB für mindestens 3.000 Euro. Gerne auch 8.000 oder noch mehr… Okay, dann Utrecht? Rotterdam? Genauso teuer. Nach Brillen schaute ich mich heute in der Bonner Innenstadt um, aber fand nichts, was mich auf Anhieb umgehauen hätte. Ohnehin müsste ich vorher einen Sehtest machen. Nächster freier Termin: am Mittwoch. Der nahende September füllte sich gleich mit fünf weiteren Terminen – in Bonn. Lohnte sich dann ein Monat in Düsseldorf überhaupt noch? Oder sollte ich nur Düsseldorf machen und dafür die Niederlande skippen? Aber was würde dann aus dem Sprachkurs – und der neuen Blog-Idee?

Und so sitze ich schon am ersten Arbeitstag nach meinem Urlaub ernüchtert danieder. Den Urlaubsspirit, die Leichtigkeit, das Grenzenlose mit in den Alltag zu nehmen, ist so ziemlich fehlgeschlagen. 🙁

Bis auf das 1-Woche-ohne-Laptop-Experiment. Damit habe ich trotz einiger Bauchschmerzen darüber, wie das eigentlich gehen soll, direkt angefangen (und es klappt bisher erstaunlich gut). Und bis auf das bargeldlose Zahlen. Als mich der Kellner im Restaurant (auch noch ein wenig Urlaubsspirit) fragte, ob mit Karte oder bar, sagte ich nicht mehr relfexartig „bar“, sondern antwortete nach kurzem Zögern mit „Karte“.

Am Abend fand ich dann doch noch ein paar halbwegs bezahlbare und sehr schöne AirBnBs in Singapur für Dezember und Januar. Eine Seite, die ich bis dahin noch nicht entdeckt hatte, bot ein gut aussehendes Zimmer in Amsterdam für immerhin unter 1.000 Euro an. Vielleicht sollte ich sowieso erstmal in Ruhe schauen, wo es Sprachkurse gibt, wann sie anfangen, wie das da mit Corona aussieht und auf welchem Level ich überhaupt bin. Und Düsseldorf? Vielleicht reichen da ja auch erstmal zwei Wochen.

Entscheide ich mich am Mittwoch nach dem Sehtest für eine hübsche Brille, wäre das eigentlich noch früh genug. Und als Belohnung gibt es anschließend in Poppelsdorf Frikandel Spezial. (Wer kommt mit?!)

Vielleicht muss man es einfach nur mal wieder etwas ruhiger angehen lassen… Dann klappt’s auch mit dem Spirit.

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Einmal durch die tiefen Lande

Die letzten Tage sind so dahin geflogen. Mittwochmorgen war ich noch in Nordholland, mittlerweile bin ich schon wieder zu Hause. Und auf dem Weg dahin ging es von Alkmaar durch Amsterdam nach Rotterdam, durch Gouda und Utrecht nach Arnhem und von dort über Düsseldorf zurück nach Bonn. Ein wenig wollte ich dem Regen entfliehen, ein wenig war es mir am liebsten, einfach unterwegs zu sein. Letztendlich musste ich aber auch zurück. Bleibt erstmal nicht viel als eine Menge Eindrücke. Hier in Kurzfassung.

Alkmaar: Eine richtig schöne kleine Großstadt, in der man gefühlt vom Boden essen kann. Bremstet natürlich.

Amsterdam ohne Massentourismus ist so, wie es mal gedacht war. Hübsch, gemütlich, herrlich entspannt.

Rotterdam ist die wohl modernste Stadt Europas. Ich hatte nichts erwartet und bin vor Staunen fast von einem der zahlreichen Leihmofas umgenietet worden.

Gouda hat einen sehr urigen Markt und natürlich viel gleichnamigen Käse.

Utrecht und ich hatten keinen besonders guten Nachmittag zusammen. Aber die Stadt hat eindeutig Potenzial.

Arnheim ist eine stille Schönheit. Modern und chic wie alle anderen Städte, die ich in NL gesehen habe. Und dabei erstaunlich hügelig.

Düsseldorf. Liegt bekanntlich nicht in den Niederlanden. Aber irgendwie lande ich in den letzten Wochen immer wieder dort und es gefällt mir besser, als ich je gedacht hätte. So sehr sogar, dass ich mir vorstellen könnte, dorthin zu ziehen. Spinnerte Ideen, die einen halt so während des Urlaubs überkommen.

Oder?

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Hm

Lelystad

Lelystad gibt es erst seit 55 Jahren. Kein Haus, keine Straße, kein Baum ist älter. Die Hauptstadt der niederländischen Provinz Flevoland liegt auf einem Polder, der dem IJsselmeer abgerungen wurde. Heute hat die junge Stadt knapp 80.000 Einwohner.

Und das ist wenig. Denn das ähnlich alte, benachbarte Almere ist dank der Nähe zu Amsterdam mittlerweile fast dreimal so groß. Lelystad liegt zu isoliert. So richtig kam die Entwicklung der Stadt nie in Schwung. Als ich am Samstag hier vorbei kam und einen Schlafplatz suchte, nutzte ich die Chance, mir das Örtchen einmal anzuschauen.

Schon kurz vor der Stadtgrenze wunderte ich mich: alles so ruhig hier, so richtig still. Und da soll jetzt gleich eine recht große Stadt kommen? Zunächst war ich optimistisch. Ich erreichte als erstes ein Wohngebiet, aber sah dort bis auf eine Spaziergängerin niemanden. Auf den fast 3km bis zum Campingplatz ebenfalls nur eine gute Handvoll Menschen. Es war beinahe nichts zu Hören als das Rauschen der vielen Bäume. Insgesamt SEHR wenig los für einen Samstagabend in einer nun auch nicht soo kleinen Stadt.

Am nächsten Morgen gegen 1030 Uhr fuhr ich in Richtung Innenstadt auf der Suche nach einem Kaffee. Das Zentrum war hier praktisch wie ausgestorben, kein Laden hatte geöffnet. Die wenigen Menschen, die ich sah, wirkten eher in sich gekehrt. Die Architektur entsprechend ihres Alters. Vieles leider natürlich in den 1970ern und 80ern entstanden.

Auf den Bildern seht ihr vielleicht, dass da irgendetwas Entscheidendes fehlt: Menschen. Die Stadt wurde durchaus auch so konzipiert, dass sie die Verkehrsströme voneinander trennt, Auto- und Radfahrer sich praktisch kaum mal begegnen und dass es einfach ruhig ist. Nicht wenige Städte und Stadtteile, gerade in den Niederlanden, sind derart geplant worden. Aber hier sind die Planer in meinen Augen übers Ziel hinausgeschossen: Lelystad ist ZU ruhig geworden, die Atmosphäre: gespenstisch.

So sehr mich das Konzept einer „ganz neuen Stadt“ auch interessiert hat. Der hier fehlte etwas. Und nicht nur ein paar hübsche, historische Gebäude. Etwas, das Zusammenhalt schafft. Etwas, dass die durchaus vorhandenen Einwohner auch mal rauskommen lässt. Eine Seele. Habe ich in Lelystad leider nicht gefunden.

CODA auf Apple TV+: Was für ein schöner Film! So herzerwärmend gespielt, man verzeiht ihm jedes Successstory-Klischee.

Deutsch ist keinesfalls die einzige Sprache mit nicht enden wollenden Wortungetümen:

Die medewerkerstevredenheidsonderzoek (Mitarbeiterzufriedenheitsuntersuchung -> im Deutschen tatsächlich noch ein paar Buchstaben länger) toppt auch die bezienswaardigheid (Sehenswürdigkeit).

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Sigh

Kabul und Deutschland

Ich bin fuchsteufelswild, wenn ich sowas lese. In Kabul kämpfen Menschen um ihr Leben, die mit Deutschland zusammengearbeitet haben und nun lässt Deutschland sie eiskalt fallen. Sagt: jaja, wir machen da was. Und dann wird es absichtlich auf die lange Bank geschoben, dann versandet es – wie so oft – in irgendeinem Zuständigkeitsgerangel und dann sind so viele andere Dinge plötzlich wichtiger. Dieses Land ist manchmal so zweitklassig, rückgrat- und ehrlos. Es ist beschämend.

?

Und ja, das soll man ruhig auch mal der nach 16 Jahren im Amt scheidenden Angie ankreiden, die sich immer gut rauszureden weiß und darauf vertraut, dass die Leute sie im Gesamtzusammenhang schon als recht fähige Kanzlerin in Erinnerung behalten werden. An den Händen der aktuellen Bundesregierung klebt Blut.

Und ich hoffe inständig, dass wir Laschet noch verhindern können:

Vor welchem Ort will er da jetzt wem humanitäre Hilfe leisten? Wie soll das von hier aus gehen? Tadschikistan und Pakistan die Suppe auslöffeln lassen, die man selbst versalzen hat? Bloß im fernen Asien belassen, das eigene Versagen, damit man nicht täglich dran erinnert wird?Meine Güte, wie erbärmlich!

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Aangekomen

Nederland is leuk. Ik geloof dat ik naar een paar dagen hier aangekomen ben. De mensen zijn vriendelijk en de landschap is mooi. Maar zie voor jezelf!

Also lasst mich das mal kurz zusammenfassen. 20 Jahre sind die USA und ihre Verbündeten (auch Deutschland) in Afghanistan, um die Welt vom den Taliban zu befreien, die Demokratie zu stärken und das Land in eine verheißungsvolle Zukunft zu entlassen. Dann beginnt Ende Mai der Abzug, weil es jetzt endlich so weit ist und dann dauert es gerade mal ein paar Wochen, bis die Taliban kapitulieren die Mehrheit des Landes wieder an sich reißen, Kabul quasi kampflos einnehmen und Afghanistan wieder beherrschen noch bevor der letzte US-Soldat überhaupt das Land verlassen hat?

Das ist nicht nur ein zweites Vietnam (das nicht einmal halb so lange gedauert hat), das ist eine der größten militärischen Niederlagen in der Geschichte. 20 Jahre für nichts und wieder nichts. Meine Güte, was für ein Desaster!

Der Müller Gerd (75) ist tot. 🙁 Und was mich daran am meisten schmerzt, ist, dass Lewy seinen Jahrhundertrekord (40 Tore in einer Saison) kurz vor seinem Tod noch gebrochen hat. Nichts dass ihn am Ende das noch ins Grab gebracht hat. Vergessen werden wir ihn trotzdem nie. ??