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Yeah

Geld oder Leben


Früh morgens in Prüm habe ich die Wahl: Für knapp 10 Euro mit Bussen und AST nach Kronenburg zurück, was mit Umstiegen über 3 Stunden dauert. Oder mit einem Taxi in 20 Minuten, dafür aber für um die 60 Euro. Hohe Kosten oder wertvolle Lebenszeit. Geld oder Leben.

Ich entscheide mich für das Taxi, ich habe keine Lust, einfach drei Stunden mit ÖPNV für nichts und wieder nichts zu verbraten. Der Taxifahrer klingt sehr freundlich am Telefon, kündigt seine Anfahrt binnen 10 Minuten an, kommt auch pünktlich und ist dann ein ganz junger Kerl.

Und er ist die Art von Mensch, mit der ich mich auf Anhieb verstehe. Muss man sich mit dem Taxifahrer verstehen, muss die Chemie stimmen? ? Na, schon nicht, aber schadet auch nicht. Mit Menschen aus der Eifel habe ich mich eigentlich schon immer gut verstanden.

Er begrüßt mich mit einem „Moin moin“, obwohl er, wie ich vermute und wie er gleich darauf erzählt, aus der Gegend kommt. „Ja, mein ganzes Leben schon.“ Voriges Jahr hat er das Taxiunternehmen übernommen. „Aus Bonn kommst du, hm? Nee, das wäre nichts für mich. Zu groß, zu laut, da bekäme ich keine Luft.“

Er hört die meiste Zeit zu und lässt mich reden, und ich rede tatsächlich, wie mir der Schnabel gewachsen ist. Ich fühle mich neben ihm vollkommen sicher und entspannt, irgendwie löst er das in mir aus. Aber er beantwortet auch in Redelaune alles, was mich so interessiert. Dass wir sofort per du sind, erleichtert die Sache.

Nach fünf Minuten erscheint ein Anruf auf der Bordkonsole. „Bumsbiene“ ruft an. Oha, das wäre jetzt aber ein hartes Klischee, wenn das seine Partnerin wäre… Er nimmt ab – eine Männerstimme meldet sich, jovial: „Naa, alles klar bei dir? Wie lang machst du schon?“ Und dann ein wenig seriöser, die Stimme: „Du, da will einer gleich von E nach F fahren. Ich bin dann mal eine halbe Stunde unterwegs, ja?“

Nach Ende des Gesprächs klärt er auf: „Das war mein Schwiegervater. Er arbeitet mit im Betrieb. Wir haben ein sehr entspanntes Verhältnis.“

Das merkt man.

Vor der Fahrt hatte er den Preis auf „45 bis 50 Euro“ geschätzt, mittlerweile ist das Taxameter bei 66, und wir verpassen die Ausfahrt, weil er gerade noch ein Gespräch annimmt. „Du, wo müssen wir denn eigentlich raus?“, fragt er, als wir Kronenburg schon verpasst haben. „Eigentlich dahinten“, sage ich ruhig. „Oh, das war dann wohl jetzt mein Fehler“, entgegnet er. „Du! Weißt du was? Wir machen jetzt ’nen Fixpreis, 60 Euro. Ich bin ja der Chef. Dann gibt’s auch Chefbehandlung“. Und schaltet das Taxameter aus.

Als wir oben in Kronenburg ankommen und es ans Bezahlen geht, sagt er: „Ach komm, weißt was, weil heute Sonntag ist und wir uns so gut unterhalten haben, meine gute Tat: 50 Euro, und es passt.“

Ich gebe ihm 60 rüber. Er guckt überrascht. „Passt schon“, sage ich. „Eine gute Tat von dir, eine von mir, dann wird das heute ein guter Tag.“

Wir verabschieden uns mit Handschlag, beinahe wie zwei alte Freunde.

Ja, hätte ich solche Freunde dort vor Ort: Ich könnte mir zum ersten Mal überhaupt vorstellen, nicht in einer Großstadt leben zu müssen.

Es geht also nicht nur ums Geld. Alleine für diese wunderbare Begegnung hat es sich gelohnt, zum Taxi zu greifen. Geld und Leben, es ist beides möglich.

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Alright!

Eigenes Tempo

Ich wollte heute in der Eifel pilgern gehen. Bis Bad Münstereifel war ich ja schon gekommen, aber gestern wurde es spät, ich kam heute entsprechend spät raus, hatte dann doch noch ein paar Dinge auf der Arbeit zu erledigen. Ich setzte mir 1200 als Ziel, um loszufahren. Dann wurde es hektisch, noch dazu hatte ich noch gar keine Wanderschuhe. Die schon am Montag bestellten sollten erst zwischen 1400 und 1600 Uhr kommen, meldete die Sendungsverfolgung. Aber darauf warten?

Beim zweiten Kaffee plötzlich die „Eingebung“: Wozu eigentlich der ganze Stress. Ich hatte das Hotel zwar für heute Abend gebucht, aber ob ich vorher schon eine Etappe laufen würde oder nicht: doch eigentlich egal. Warum nicht erst am späten Nachmittag aufbrechen, erstmal nur akklimatisieren und dann in aller Ruhe morgen nach dem Frühstück los?

Und so legte ich mich beim zweiten Kaffee auf die Couch. Plötzlich einen ganzen Nachmittag zu verbraten, der nicht eingeplant war. Was tun? Etwas weiter zeichnen lernen, lesen, die Steuer… aber am ehesten war mir schon nach Bewegung… Ich könnte spazieren gehen, aber wäre das sinnvoll?

Auf einmal klingelte es an der Tür: die Trailrunner kamen doch jetzt schon. Ich schaute auf die Uhr: kurz vor 1200. Jetzt nur noch eben zum Penny, paar Snacks einkaufen, Bargeld abheben (es sollte ja in die Eifel gehen), noch einmal aufs Klo, den Rucksack – und dann könnte ich eigentlich doch schon los.

Auf dem Rückweg vom Penny sah ich zwei Jungs verzweifelt mit Starterkabeln an einer alten Rostlaube herumhantieren. Sollte ich… den einen von beiden kannte ich sogar flüchtig, aber jetzt wurde es auch Zeit, wenn ich da jetzt auch noch, aber eigentlich… ach verdammt!

Ich ging rüber und bot ihnen meine Hilfe an. Wie oft auch MIR schon geholfen wurde, wenn die Karre mal nicht ansprang… Die beiden Jungs sahen begeistert aus, ich bat sie, fünf Minuten zu warten und sie sagten okay.

Und jetzt ging es schnell. Hoch, die Einkaufssachen in die Schränke geworfen, den Rucksack geschultert (verdammt! Beinahe die Kulturtasche vergessen) und mit Sack und Pack in den Wagen gestiegen. An den beiden Jungs hätte ich eh vorbei gemusst. Motorhaube auf, die Kabel angeschlossen, dem Typen Starthilfe gegeben, noch schnell Navi und Musik angemacht und dann los.

Insgesamt wurde es so eine Stunde später als ursprünglich geplant. Aber es fühlte sich besser an, weil es nach meinem Tempo ging und nach dem Tempo von… ja wem eigentlich? ? Dem gestessten Overachiever in mir?

Und wären die Schuhe überhaupt schon so früh gekommen, wenn ich verzweifelt gewartet hötte?

Sie passten dann übrigens nicht und gingen direkt wieder zurück. ? Darauf zu warten, hätte sich also so oder so nicht gelohnt.

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Kohle

Nicky und Juan fragen mich manchmal, wann ich mal wieder nach Porto käme. Ich finde dann viele Gründe dagegen: wenig Zeit, anstrengender Flug, Flightshaming. Aber natürlich auch Geld. Bei meinem letzten Besuch dort hatte der Flug über 200 Euro hin und zurück gekostet, wenn ich jetzt im Juni mal wieder rüberfliege (ick freu mir!) sind es immerhin noch 130, also 65 Euro pro Strecke.

Genau den gleichen Preis, 65 Euro, habe ich heute für eine zwanzigminütige Fahrt im Taxi von Blankenheim bis Bad Münstereifel bezahlt. Weil es keine Busverbindung ohne dreimal umsteigen zwischen den beiden 20 km entfernten Orten gibt.

Ich wollte das so, ich hatte das schon eingeplant (na gut, eigentlich eher 50€), aber es ist schon verrückt, wenn man die Distanzen vergleicht. Die schnellstmöglichen Verkehrsmittel zischen Bonn und Porto (2000 km) sowie zwischen Blankenheim und Bad Münstereifel (20km) kosten dasselbe.

Und ja, die Eifel ist völlig abgehängt. Aber dazu demnächst mal mehr.

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Schön ist die Eifel aber! Blankenheim: wow!

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Mein Hotelzimmer hat ein Lehnstuhl mit Blick auf den Parkplatz. Hab den ganzen Abend darin verbracht, organisiert und gechillt. Ich glaube, so einen hätte ich auch ganz gerne.

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OK

Nochmal 20 sein mit dem Wissen von heute?

Cooler Abend gestern mit Christian und Jasmin. Drei Mittvierziger hauen noch einmal (ein bisschen) auf den Putz. Irgendwann stellte Jasmin die Frage, ob wir uns auch manchmal fragten, wie es wäre, nochmal 20 zu sein, aber mit dem Wissen/Mindset von heute.

Ja, fragten wir uns. Und schon das finde ich interessant. Dass sich Menschen im etwa gleichen Alter mitunter genau die gleichen Gedanken machen. Heißt wahrscheinlich auch: Alles, was ich so an vermeintlich bahnbrechenden Erkenntnissen hier ins Blog reinkritzele, haben andere in meinem Alter in Wahrheit auch, bzw. Generationen von Menschen schon vor mir gehabt. Na denn…

Aber nochmal 20 sein und heute schon wissen, wie der Hase läuft, das wär’s doch, oder? Dann würde man das doch komplett ownen.

Je mehr ich darüber nachdenke, desto weniger glaube ich aber, dass das so ist.

Zum einen weiß ich noch lange nicht, wie der Hase läuft. ??‍♂️ Sonst wäre ich vermutlich nicht in dieser sonderbaren Lebenssituation, in der ich bin.

Zum anderen sind die Dinge heute nicht unbedingt einfacher als damals. Ich hatte zum Beispiel damals schon keine Idee, was ich aus meinem Leben machen soll. Wie sollte das erst heute sein, wo es gefühlt zehnmal so viele Studien- und Ausbildungsmöglichkeiten gibt? Ich hätte genauso keine Ahnung und würde am Ende auf Verdacht irgendwas nehmen, was gut klingt.

Weniger drauf geben, was andere sagen oder von einem denken. Anderen Menschen mal was Nettes sagen, aufmerksam zuhören, weniger verbissen in Dinge gehen, Perfektionismus sein lassen, weniger wollen oder einfach mal Entschuldigung sagen, wenn man was Dummes getan oder gesagt hat. Das sind Erkenntnisse von teils weit später. Sich mit allen Stärken und Schwächen akzeptieren, die man hat oder überhaupt erstmal erkennen, wer man eigentlich ist: vielleicht die schwerste Übung überhaupt im Leben. Stimmt schon, das könnte nicht schaden, alles schon mit 20 zu wissen.

Aber so ist das Leben nun einmal nicht. Man kann auch nicht einfach nochmal 20 sein, es geht schlicht nicht. Nur sich ein wenig vom Mindset der heute 20-jährigen abschauen und mit dem Wissen von heute garnieren. Das wäre gar nicht so dumm. Man muss das Leben der heute 20-Jährigen jetzt nicht mehr leben (das hielte man auch nicht lange durch) und auch nicht die Fehler noch einmal machen, die sie noch begehen werden. Aber mit all dem Wissen, das man jetzt endlich hat, muss auch das Leben als Mittvierziger keinesfalls schlecht sein.

*

Ein Kumpel von mir ist 20. Er macht gerade eine duale Berufsausbildung. Und jetzt am Wochenende schenkt er bei einem Festival Bier aus, weil er da leicht Geld verdienen kann und die Ausbildung auch nicht auslastet. Er hat in viele Berufe schon reingeschnuppert, unter anderem in Floristik, aber heute würde er lieber was machen, wo er mehr Geld verdienen kann, sagt er, deswegen macht er was mit Finanzen. Er setzt sich täglich mehrere Erinnerungen, um seine selbst gesteckten Herausforderungen zu erfüllen. Er macht viel Sport, coacht auch Jugendliche, trinkt nicht, ist viel unterwegs, hat einen klaren Plan von den Dingen, die er in den nächsten Jahren erreichen will, ist nett, höflich, hilfsbereit, hat beinahe unbegrenzt Energie – und hat Spaß dabei.

Joa, also auch so kann das Leben eines 20-Jährigen heute aussehen. Finde ich beeindruckend, ich hab mit 20 vielleicht ein Zehntel davon gemacht. Vielleicht ownen uns Mittvierziger einige schon mit 20. ?

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Wiederentdeckt: Jet: „Get born“ (2003). Für mich eins der besten Rock-Alben aller Zeiten.

Aller Zeiten, wirklich, obwohl 2000er? Ja, durchaus. Zum einem gibt es keinerlei Ausfall auf der ganzen Platte, dafür feinsten Rock’n’Roll, beeindruckende Balladen und natürlich den Gassenhauer „Are you gonna be my girl“. Mir gefallen aber auch die Texte. Das ganze Album ist ein einziges Liebeslied an das Leben, nicht nur das Jungsein:

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Hofgarten. Bonn really is a beauty sometimes:

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Yeah

Warum Hendrik einfach der Coolste ist

Deswegen. 🙂

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Right

On being happy

Ich glaube mittlerweile, dass andere Menschen durchaus die Macht haben uns unglücklich zu machen, während wir aus dem Umgang mit anderen Menschen viel Kraft ziehen können. Glücklich machen können wir uns aber am Ende nur selbst. Und das lässt sich (mal mehr, mal weniger leicht) beeinflussen:

  • Die Arbeit, die wir machen
  • Wie wir sie machen
  • Wie wir mit unseren Kolleg:innen umgehen
  • Wie wir unsere Tage planen
  • Wie wir uns auf verschiedene Gegebenheiten vorbereiten
  • Wie akribisch wir alles planen wollen, ob wir uns dann über Unvorhergesehenes völlig aus der Ruhe bringen lassen oder es erwarten und dann locker sehen.
  • Welche Menschen wir wann und wie oft treffen
  • Wie gut wir uns selbst kennen und auf unsere Bedürfnisse eingehen
  • Was wir tun, damit es unserem Geist und unserem Körper gut tut
  • Dabei natürlich auch sehr wichtig: Was uns eigentlich Spaß macht
  • Wo wir Impulse für Neues sammeln
  • Ob es immer etwas Neues sein muss oder ob wir manchmal einfach die Ansprüche runterschrauben und dann dadurch glücklich sind.

Für ganz wichtig halte ich aber auch die Erkenntnis, dass man nicht immer und zu aller Zeit glücklich sein kann oder auch nur muss. Es lohnt sich, Ärger und Trauer manchmal zuzulassen. Dazu hier noch ein (kurzer, guter) Essay zum Weiterlesen von Nick Wignall: In Defense of Feeling Bad.

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Right

Aktionismus gegen Trauer

Als die Trennung noch frisch war, beschloss ich, alle Trauer zuzulassen. Jetzt, drei Wochen später, stelle ich fest, dass ich in Aktionismus verfallen bin. Für Trauer war teilweise schlicht kaum Zeit, teilweise lief die Verarbeitung aber auch so gut, dass gar keine Trauer aufkam. Heute Abend dann aber doch.

Und ich wollte zumindest einmal ausprobieren, wie es läuft, wenn man in völligen Aktionismus verfällt, andere Dinge macht, lesen, Bilder bearbeiten, Serie schauen, ein Bad nehmen nach der langen Wandertour, eine Kleinigkeit essen – Dinge bestellen!

Denn nach so einer Trennung ist man hin- und hergerissen dazwischen, sich der Trauer hinzugeben und nach vorne zu schauen. Wenn Letzteres, hilft bekanntlich ein Sich-neu-Erfinden, und da müssen zum Teil neue Dinge her. Ich bin ja noch dabei, mir die perfekte, minimalistische Outdoor-Ausrüstung zuzulegen.

Also kurz zusammengefasst: Es ist eben genauso wie erwartet gelaufen. Der Aktionismus hat gut abgelenkt, aber die Trauer war nur aufgeschoben, sie kam später wieder. Und dann ist es natürlich besser, sich mal eine Stunde Zeit zu nehmen und hinzuhorchen, worüber genau man denn eigentlich traurig ist.

Und das mache ich jetzt mal.

Weil ich heute sonst nichts weiter habe, hier nur noch ein paar Fotos von meiner Pilgeretappe durch die Eifel: Rheinbach bis Bad Münstereifel. Wieder einmal gemerkt: Wenn ich wandere, bin ich ganz ich selbst. Es gibt nichts, womit ich mich besser fühle (zumindest wenn das Wetter gut ist, alles läuft und ich nie mehr diese blöde Funktions-Unterhose anziehen muss, die sich aufrollt und mir ins Bein schneidet…)

Meine Traumfrau wandert gerne. Und viel mehr muss sie eigentlich gar nicht. Nur den Jakobsweg zusammen mit mir gehen und dann ist gut. ???‍♂️

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Echt aussehendste Spam/Phishing-Mail, die ich je bekommen habe. Sehr gut imitiert, kein offensichtlicher Rechtschreib- oder Grammatikfehler und ein echt aussehender Link (auch wenn der beim Mouse-over natürlich auf was ganz anderes verweist). Ich hoffe mal, dass das jetzt nicht daran liegt, dass die KI langsam so weit ist, aber ich fürchte doch.

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Yeah

Im Zweifelsfalle: Machen!

Schlecht geschlafen, viel zu früh aufgewacht, aber eindeutig nicht fit. Und dann der ursprüngliche Plan: Mit fünf anderen Leuten heute auf eine Weintour ins Ahrtal, von denen ich zwei überhaupt nur kenne. Absagen oder doch noch hingehen?

Die Frage stellt sich sicher jeder mal und die Verlockung ist groß: einfach absagen und dann lieber zu Hause chillen. Ich bin trotzdem hingegangen, und ich muss gestehen: die ersten zwei Stunden war ich geneigt einfach zu sagen: mir geht’s nicht gut, ich muss jetzt leider gehen.

Am Ende doch durchgehalten, jedem aufmerksam zugehört, paar Dinge von mir selbst erzählt. Klar, der gute Ahrwein, den wir an jedem Stand bekommen haben, hat die Stimmung deutlich gelockert. Aber auch sonst: einen richtig guten, lustigen Tag gehabt. Neue Leute kennengelernt, ein klein wenig an der Theke mit einer Fremden geflirtet, mich über die Marotten meiner Mitstreiter und meiner eigenen amüsiert, hin und wieder mal eine Pause zum Wiederauftanken eingelegt, guten Wein getrunken, einen richtig guten Tag gehabt.

Also, ja, nach mehrmaligem Erproben dieser Weisheit, kann ich zusammenfassen: Im Zweifelsfalle: machen! Es lohnt sich immer. Und sei es in zwei von zehn Fällen, um herauszufinden, mit welchen Leute man eben doch nicht so gut kann. Oder um herauszufinden, dass selbst miese Tage doch noch etwas Gutes haben können, oder am Ende sogar alles gut wird. Mehr andere Menschen wagen!

*

An der Ahr

Die Menschen dort hatten Redebedarf, das hat man gemerkt. Und wir haben zugehört.

Der eine, der völlig abgesoffen ist, der schon am Tag der Katastrophe Videos gepostet hat und seitdem die Regierung noch kritischer sieht als sowieso schon. „Die haben uns im Stich gelassen!“ Er hat ein Museum eingerichtet mit Bildern, Videos und Artefakten der Katastrophe und uns dezent darauf hingewiesen, dass wir die Viertelstunde doch bestimmt Zeit hätten, uns das anzuschauen.

Wir taten es, kauften anschließend ein paar Flaschen Wein bei ihm und hörten auch noch zu, als er sagte: Die Regierung verheimlicht uns doch was! Schaut hier, dieses Bild vom Wetter: das ist doch gemacht, nicht natürlich.“ Es zeigte treppenartige Wolken, wie man sie manchmal, mit einem Ultraweitwinkel aufgenommen, eben schon sieht. Na ja… Aber na gut, nach dem, was er erlebt hat… wer will es ihm verdenken…

50 Meter weiter, sein übernächster Nachbar, noch im Blaumann am Neubau seines neuen Zuhauses werkelnd: „Wir? Keine Hilfe bekommen? Es kamen Inder mit Turban vorbei, die uns täglich Essen gebracht haben. Eines Morgens waren 30 Leute in meinem Vorgarten und haben den Schlamm weggeschippt. Wer Hilfe brauchte, die Anträge auf Hilfe auszufüllen, konnte zu einem Container im Ort gehen. Da saßen zwei Frauen mit Laptops, die nur dazu da waren, mögliche Anträge schnell zu erfassen. Die haben sich gelangweilt, weil keiner kam. Ich sag ganz ehrlich: Die Katastrophe hätte ich mir gerne erspart, aber wer hätte die voraussehen können? Und in welchem anderen Land der Welt hätten wir diese Hilfe erhalten?“

Zwei völlig gegensätzliche Meinungen. Wir haben uns, zum Glück, zurückgehalten, nicht gewertet, einfach registriert. Und Verständnis aufgebracht, wie es zu diesen konträren Meinungen wohl kommen konnte.

Einigkeit herrschte nur bei einem Thema: Als der Ort Schuld weiter oben an der Ahr schon abgesoffen war, hätten die anderen noch zwei bis drei Stunden Zeit gehabt, sich auf die Katastrophe vorzubereiten. Warum hatte niemand gewarnt? „Es sind deswegen Menschen völlig unnötigerweise überrascht worden und gestorben.“ Das hätte man verhindern können.

*

Allein am Tresen sitzen

Habe ich jetzt ein paar Mal ausprobiert. Und ich glaube: Die Angst davor ist das größte Problem. Du willst nicht zu den melancholischen Typen gehören, die sich dort als lone wolf markieren und damit ihr „Scheitern“ offenbaren. Du hast nur noch die Option, alleine am Tresen zu sitzen und der viel jüngeren Kellnerin in den Ausschnitt zu starren? Herzlichen Glückwunsch: Du hast verloren!

Heute hatte ich aber einfach Bock, nach dem Weinfest mit netten Leuten noch alleine am Tresen ein letztes Bier alleine zu trinken.

Was ist dann passiert?

Nicht viel. Der sehr nette Kellner fragte, was ich wolle, ich sagte: ein O’Hara’s, bekam es. Ich widmete mich dann meinem Smartphone, schrieb ein paar Nachrichten, postete ein paar Instagram-Stati, grüßte meinen Nebensitzer, irgendwann kam ich kurz mit der recht jungen Kellnerin ins Gespräch. Warum sie das hier mache, fragte ich. Na ja, sie sei Rettungssanitäterin, sagte sie, und mache das hier nebenher. Oha, sagte ich: zwei sehr stressige Jobs. Ja, schon, sagte sie, aber das möge sie auch. Sonst wäre es ihr zu langweilig. Wir protesten uns zu, ich mit meinem Bier, sie mit ihrem Zwischenwasser, und dann machte sie ihren Job weiter, während ich mein Bier austrank und mich anschließend verabschiedete.

Festzuhalten bleibt: Nee, bricht einem kein Zacken aus der Krone. Aber ich finde: der Laden muss stimmen. Ich mag nicht als einsamer Trauerkloß in einer ranzigen Kaschemm halbtot über dem Tresen hängen. Aber in einem lebendigen Laden, wo richtig was passiert: da sauge ich sehr gerne die Vibes auf, zur Not auch allein. Kann man sehr gut mal machen!

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Yeah

Gibt es das eine für alles?

Heute mal – leider – gar nicht philosophisch, sondern ziemlich materiell: Ich versuche gerade, mich minimalistisch neu einzukleiden, in erster Linie soll es eine neue Outdoor-Ausrüstung werden. Wandern oder gar Pilgern wäre das Nahziel.

Aber schön wäre natürlich eine Jacke, die nicht nur zum Pilgern gehen würde, sondern vielleicht auch auf Radtouren oder gar beim Laufen, trotzdem als Regenjacke oder sogar hin und wieder im Alltag. Angenehm zu tragen sollte sie sein, und wenn sie dabei noch gut aussähe und nicht zu viel kosten würde – wäre schon geil.

Geht natürlich nicht ohne irgendwelche Abstriche.

Das heißt: vielleicht doch. Denn nach ein wenig Suchen habe ich offenbar die perfekte Jacke gefunden: Hardshell, aber durch einen Weichmacher fast so weich wie eine Softshelljacke, waschmaschinentauglich, dabei winddicht, atmungsaktiv und trotzdem noch eine Wassersäule von 15.000, was nicht für Dauerregen reicht (tut aber keine Jacke), aber für die meisten Regenschauer oder sogar Nieselwetter. Gut aussehen tut sie auch noch, auch wenn Schwarz nicht meine allerliebste Farbe für Outdoorklamotten ist. Dann muss sie teuer sein, oder? Nee, auch nicht. 100 Euro.

Okay, mit der werde ich nicht joggen gehen können, aber das macht nichts, dafür gibt es andere Möglichkeiten. Soll heißen: bis auf gannnz wenige Abstriche geht es. Und etwas Derartiges suche ich jetzt auch für Wanderschuhe (bei gutem wie schlechtem Wetter, atmungsaktiv, regendicht, aber nicht zu schwer, vielleicht sogar hübsch) und einen Rucksack (einer für alle Zwecke: Daypack, Einkaufen, Wandern, Trekking, Backpacking durch Südostasien…).

Gibt’s auch wieder nicht. Der Tropicfeel Shelter könnte aber so ziemlich in die Richtung gehen. Ist mit 230 Euro dann aber auch nicht mehr billig:

Soll heißen: Doch, ich glaube das geht irgendwie. 90 Prozent Zweck und Wunsch, 10 Prozent Kompromiss. Ich versuche das jetzt bei den allen Dingen, die ich mir neu kaufe.

*

Die Schuhe werden es übrigens nicht. Heißen „Trekkingschuhe“, hätte ich eh nur als Sneaker angezogen oder für lange Spaziergänge. Aber sie passen auch schlicht nicht. Und das Logo… na ja, sagen wir, es erinnert stark an das einer anderen Schuhmarke…

*

Zwei neue Trips geplant: Jakobsweg in der Eifel über das lange Christi-Himmelfahrt-Wochenende mit zwei Kumpels (Vatertagstour? ?). Sie haben es vor mir schon bis Waxweiler geschafft und wollen bis Trier. Ich will es vorher sogar noch schaffen, bis Waxweiler gelaufen zu sein, damit es sich vollständig anfühlt. Auch dafür muss gute Ausrüstung her.

Und dann Porto im Juni. Ich besuche Nicky und Juan, arbeite von dort und schaue mir über São João an, ob der Portugiese an sich auch feiern kann. Wird er schon machen, auch wenn er kein Spanier ist. War noch nie im Sommer in Porto, glaube, das wir cool und heiß.

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Autos nerven mich zunehmend. Sind überall, blockieren die Straßen, fahren zu schnell oder zu langsam, alles muss sich ihnen unterordnen (warum eigentlich?), brauchen zu viel Platz.

Ich weiß, das haben sie immer schon. Aber ich sehe immer weniger ein, warum wir uns von den Stahlkarossen nicht langsam lösen können. Nur, weil wir die „immer“ schon benutzt haben?

Eigentlich war der Weg doch längst vorbestimmt: Eine Stärkung von allen anderen Verkehrswegen und -mitteln bis ca. 2030, so dass kaum noch jemand ein Auto wirklich braucht, und wenn doch, dann eben mit guten Carsharing-Angeboten, ansonsten eben Rad und ein viel attraktiverer ÖPNV.

Und jetzt sieht es mir mehr und mehr so aus, als hätten wir uns von diesen Zielen schon wieder verabschiedet und würden das Elektroauto als die Lösung feiern. Das ist es aber nicht. Es mag besser sein als ein Verbrenner, aber es wird seinerseits die Straßen verstopfen. Die Luft wird besser, aber das ist es dann auch. Nicht wirklich was gewonnen.

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Ich bin mir bekanntlich für nichts zu fies, aber das Zeug schmeckt wirklich gar nicht so schlecht:

Kann natürlich nicht mit einer original italienischen Salami mithalten, aber das kann die von Wilhelm Brandenburg auch nicht.

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Es gibt zwei Pop-Songs, die „Geronimo“ heißen und beide finde ich richtig gut.

Den von The Beach sogar noch ein bisschen besser:

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Alright!

Letzte Bücher weglesen

Ich werde nicht alle meine letzten etwa 30 Bücher wegminimieren. Einige gefallen mir so gut, dass ich sie gerne für immer behalten möchte, auch in gedruckter Form. Ich will euch nicht damit langweilen, welche das alles sind, aber „Das Parfum“ von Patrick Süskind gehört zum Beispiel dazu. Da habe ich mich beim Lesen schimmelig gelacht (und das obwohl es gar keine Komödie sein soll… ?).

Den Rest, den ich noch habe, würde ich gerne noch einmal lesen, das Wissen speichern und dann weg damit. Aber das dauert. Ein ganzer Schinken über Wissenschaft und Technik ist dabei, den ich noch nie ganz gelesen habe. Eventuell blättere ich den nur durch und das reicht mir dann. Schöner ist das erfreulich kurze „Schriftsteller werden“ von Dorothea Brande. Und dann ist da noch dieses Sketchnote-Buch, mit dem ich auf meine alten Tage noch rudimentäres Zeichnen lernen möchte, gerne auch digital am Mac.

Aber, ja, es ist ein Ding mit diesem Minimalismus. Es kostet einfach verdammt viel Zeit!

*

Shakespeare

Wir haben einen Englischlehrer im Tischtennisverein, mit dem ich mich ab und an über Literatur unterhalte. Meistens über solche, die ich im Englischunterricht damals nicht verstanden habe. ? Gestern ging es um das Abitur und dass Shakespeare in einigen Jahren in der Oberstufe nicht mehr drankommen solle.

„Wir haben noch Macbeth im Englisch-LK gelesen“, erinnerte ich mich. „Aber ich hab erstens nicht verstanden, was die da reden, und zweitens nicht, was die Moral von der Geschicht ist.“

„Wer die göttliche Ordnung stört, wird den Preis dafür zahlen“, sagte er. „MacBeth tötet den König und alle möglichen Thronfolger, um sich selbst zum König zu machen, und wird darüber, wie seine Frau auch, blutrünstig und wahnsinnig.“

„Ach…“

„Jaja!“

Und das verlangt(e) man also, von adoleszierenden Jungerwachsenen aus 400 Jahre altem schottischen Englisch herauszulesen? Ich glaube, zwischen den Erwartungen der Kultusministerien und dem tatsächliche Leistungsstand der Schüler klaffen Welten. Warum dann doch die meisten das Abi schaffen, die es auch in die Oberstufe geschafft haben, ist mir da ein Rätsel. Das passt irgendwie nicht zusammen.

Auf jeden Fall müsste ich jetzt eigentlich nochmal Macbeth lesen, dachte ich mir. Heute, wo ich – im Gegensatz zu damals – eigentlich ganz gut Englisch kann. ?

Vielleicht reicht es mir aber auch, die Botschaft jetzt zu wissen, ohne sie selbst erarbeitet zu haben. ?

*

Fotografieren mit Digitalzoom: Sollte man ja mal eine Zeitlang ums Verrecken nicht tun. Nun hat Apple im iPhone 14 Pro eine 2x-Digitalzoomstufe eingebaut, die ich sehr gerne benutze, die nur den Innenbereich des Sensors ausliest und damit qualitativ verlustfrei arbeiten soll. Einfach weil der Sensor insgesamt so viele Pixel hat (48 MP).

Verlustfrei ist er allerdings nicht wirklich. Die Bilder sind deutlich schlechter. Also dachte ich, könnte ich auch gleich den Zoom benutzen, um zum Beispiel 1,3x an Motive heranzoomen, wenn das gerade der beste Ausschnitt ist. Mache ich jetzt einfach. So wie heute Abend, nachdem ich mit dem Rad den steilen Pfad den Kreuzberg hochgekraxelt bin (Puls auf beinahe 160) und die Kreuzberg-Kapelle mal wieder wunderschön in der Golden Hour dalag. 1,3x herangezoomt. Sieht man’s?

Ja, sieht man schon, fürchte ich, wenn man genau auf die Details schaut, wird es was krisselig. Verdammt!

*

Hab heute den ganzen Tag noch einmal REM gehört, nach dem Blogpost vorgestern und nachdem Jens, Jens J. und Christian mich drauf angesprochen haben. Und doch, haben schon tolle Musik gemacht, die Jungs, auch schon in den 80ern. „The One I love“ habe ich mittlerweile etwas zu oft gehört, aber auch „Orange Crush“ von der „Green“ (1988) ist klasse:

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Right

Es ist für alle schwer

REM sangen mal: „Everybody hurts, sometimes“, frei übersetzt: Jeder ist mal traurig, auch die, die immer glücklich wirken, selbst andere verletzen oder so tun, als könnte nichts sie erschüttern.

Ich würde das noch erweitern mit: Für jeden ist es schwer, dieser Alltag, dieses blöde Leben:

  • Der graue Winter
  • Die Steuererklärung
  • Das Erwachsenwerden
  • Dieser Beziehungsmist
  • Die monatlichen Rechnungen, die bezahlt werden müssen
  • Dass einer in der 50er-Zone vor dir 30 fährt, wenn du es gerade eilig hast
  • Die Mühe, etwas Neues zu lernen
  • Und die Zeit, die es dauert, darin richtig gut zu werden
  • Das Missverständnis der Anderen
  • Verfluchte Gebrechen des Körpers
  • Freunde, Familie oder andere wichtige Bezugspersonen zu verlieren
  • Wegziehen zu müssen
  • Irgendwann zu sterben

Und vieles, vieles mehr.

Seid nett zu anderen, so komisch sie auch auf euch wirken mögen!

*

(Was ist eigentlich aus REM geworden? Warum hört die heute keiner mehr?)

*

In Mitten dieses ganzen Chaos‘ gerade herausgefunden, woher meine Ost-West-Schwäche rührt. 🙂 Nämlich daher, dass sie Ost-West-Schwäche heißt.

Schaut’s: Es gibt einige Begriffe, die was mit Ost-West heißen:

  • Ost-West-Konflikt
  • Ost-West-Politik
  • Ost-West-Gefälle
  • Ost-West-Wanderung
  • Ost-West-Achse
  • Ost-West-Passage
  • Ost-West-Schwäche

Und ganz selten mal ein Begriff, der West-Ost-irgendwas heißt, allenfalls:

  • West-Ost-Ausdehnung

In der westlichen Hemisphäre lesen wir aber von links nach rechts, oder, schon etwas seltener, von oben nach unten:

Nur dass der Osten eben nicht „links“ auf der Karte ist, sondern rechts:

Es wäre also logischer und würde für weit weniger Verwirrung sorgen, wenn es West-Ost-Konflikt heißen würde.

Eine Rechts-Links-Schwäche oder besser: Links-Rechts-Schwäche habe ich nicht. Ich vermute also tatsächlich, dass es von didaktisch unklug angeordneten Begriffen wie „Ost-West-Konflikt“ kommt. Wenn ihr auch eine Ost-West-Schwäche habt, bedankt euch bei denjenigen, die den Ost-West-Konflikt „erfunden“ haben – Josef Stalin und Harry S. Truman. ?

*

WordPress, ich hasse dich! Wie konnte aus diesem einstmals wunderbaren CMS so eine Usability-Wüste werden?

*

Meine Nachbarin hat eine Playlist mit mir geteilt, die mir beinahe durchweg gefällt. Hab schon einige Songs davon gespeichert…

War das nicht früher mal ein Ding? Der gleiche Musikgeschmack? O-Ton einer Mitschülerin damals: „Ich könnte nie mit jemandem zusammen sein, der eine andere Musik hört als ich.“

Ich habe seit Jahrzehnten niemanden mehr getroffen, der die gleiche Musik mag wie ich (oder umgekehrt). Einzelne Bands oder Lieder, ja, aber mehrere oder gleich eine ganze Playlist?

Es ist ohnehin selten geworden, dass man Musik mit anderen teilt. Wenn, dann geht das wohl sowieso nur noch in Form von Spotify-Playlists. Und eigentlich traut man ohnehin dem Algorithmus zu, dass er eine bessere Auswahl für einen trifft. In diesem speziellen Fall muss ich aber sagen: ein einzelner Mensch schlägt hier die Maschine, wenn halt eben auch nur einmal in 20 Jahren.

Die Mitschülerin von damals habe ich übrigens gerade mal gegoogelt und nicht gefunden. Eventuell hat sie inzwischen geheiratet. Ob sie jetzt gemeinsam Jungle hören und dabei glücklich sind?

Von der Playlist meiner Nachbarin übrigens ist dieser Song hier, und, how cool is that! Laleh: Speaking of Truth (2014):