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:)

Texte fertig

Hat mich das ganze Wochenende gekostet, aber hat auch Spaß gemacht. Jetzt muss nur noch ein Manuskript daraus werden, also der Text rüberkopiert werden in eine Word-Vorlage (oder Pages), formatiert, das dann rüber in die Kindle-Software, Bilder dazu, letzte Korrekturschleife, gegenlesen auf Kindle-App und Probedruck, oh und ach ja, Covergestaltung und ISBN. Preisgestaltung. Bilder sollten ja schon in Farbe, was die Druckkosten steigen lässt, wird also nicht ganz so billig gehen (>10 Euro). Ist also schon noch was zu tun. Aber der kreative Part ist geschafft. 🙂

Und das ist wichtig, denn das war ganz schön anstrengend am Schluss. Ich muss euch nicht von Selbstzweifeln erzählen, auch wenn ich den Ball ja schon flach gehalten habe von wegen: muss kein Erfolg werden, soll einfach nur mal das Licht der Welt erblicken.

Was ich mir dann heute Abend beim Kiosk gekauft habe, um die letzten drei Kapitel auch noch zu Ende zu bringen: eine Flasche Sekt Bier Gerolsteiner Medium. Plötzlich bekam ich es ein wenig mit der Angst zu tun, und die wollte ich nicht betäuben, sondern reduzieren. Ich ging einmal um den Block, setzte mich kurz alleine auf den Frankie, nahm ein paar Schluck zwischendurch und dann ging ich es an.

Meistens trinke ich tagsüber normales Wasser. Aber nach dem Sport ist mir das manchmal zu fad. Auf meiner Radtour bin ich großer Fan von Gerolsteiner Medium geworden. Hat besonders viel Natriumhydrogencarbonat, ist also eigentlich Soda-Wasser, und die Kohlensäure hebt den Geschmack. Und ja, ich weiß auch nicht, warum ich hier werbe, ohne dafür bezahlt zu werden. Sollte mich wohl mal von denen sponsern lassen.

Wenn das Buch dann wirklich draußen ist, wird es dann aber Sekt geben! Und zwar sowas von! 😉

Water and gas shaming. Ein heißes Bad ist meine beste Inspirationsquelle noch vor der Dusche. Also habe ich mir früher gelegentlich mal eins eingelassen. Das jetzt zu tun, fühlt sich irgendwie so an wie für einen Tag nach Moskau zu fliegen, gleichzeitig zu Hause die Heizung aufzudrehen und das Licht in jedem Raum angeschaltet zu lassen. Kannste schon eigentlich nicht bringen in Zeiten von Gas- und Wasserknappheit. Habe ich gestern Abend aber trotzdem gemacht. Und es war fantastisch.

Mache ich jetzt auch erst wieder, wenn mir richtig kalt ist, versprochen.

Wie verargumentiert ihr eure Klimasünden?

Meinen Duschschlauch hat’s zerrissen – im wahrsten Sinne des Wortes. Mein erster Impuls: Auf Amazon gehen und einen neuen bestellen.

Als ich da gestern in der Badewanne lag, dachte ich: bist du eigentlich blöd? Du brauchst doch einfach nur das kaputte Ende abzuschneiden und dann den Kopf neu dran zu schrauben. Fertig.

Wann ist man nur so weltfremd geworden, immer alles neu kaufen zu wollen, statt es zu reparieren? Kein Wunder, dass die Welt den Bach runter geht!

Heute stehe ich dann da, drehe mit einer Zange und viel Gewalt den Duschkopf ab, um dann festzustellen, dass das so gar nicht geht. Das Ende des Schlauchs ist mit einem festsitzenden Stück Blech gesichert. Das bekomme ich da nicht ab und falls doch, dann ganz sicher nicht mehr dran, ohne dass es leckt.

Der erste Impuls war also doch der richtige: kannste nicht reparieren, nur neu kaufen… ?

Kula Shaker: Narayana (2007):

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Yeah

Rules for a trip (called life)

An meinem zweiten Tag in Karlsruhe nach einer ziemlich miesen Nacht, noch nicht wissend, ob und wann es weitergehen kann, und in schlechter Stimmung, beschließe ich, mir ein Notizbuch zu kaufen und ein paar Gedanken festzuhalten. Ich werde gleich direkt gegenüber in der Bahnhofsbuchhandlung fündig.

Die meisten der folgenden Ideen notiere ich mir anschließend bei einem Kaffee in der Eisdiele. Es sind ein paar Glaubenssätze, die ich auf der Reise am liebsten gleich anwenden würde. Dinge, die mir sinnvoll erscheinen, aber erst aufgeschrieben werden wollen, damit sie sich festsetzen können.

Und so halte ich fest:

  1. Ich kann mit jedem kommunizieren, der das auch möchte.
  2. Ich muss aber selbst in der richtigen Stimmung/Verfassung dafür sein.
  3. Laute und extrovertierte Menschen lasse ich mehr reden, als dass ich selbst rede, sage aber längst nicht ja und amen zu allem, was sie sagen.
  4. Ich möchte die Gemeinschaft mit anderen Menschen. Wenn ich zwischendurch meine Rückzugsräume brauche, stehe ich klar dafür ein.
  5. Ich versuche, mein bestes Ich zu sein, niemand anders.
  6. Ich verstelle mich nicht.
  7. Ich halte meine Emotionen nicht zurück.
  8. Ich bin laut, wenn ich will.
  9. Ich akzeptiere, dass nicht alles immer nach Plan verläuft.
  10. Was immer ich tue und versuche, es wird Rückschläge geben. Damit rechne ich.
  11. Das gleiche gilt für Trauer und schlechte Erfahrungen. Sie gehören zum Leben dazu, gehen vorüber und machen mich letztlich stärker.
  12. Dass Probleme auftreten und gelöst werden wollen, ist die Regel, nicht die Ausnahme. Ich preise das in mein Zeitkontingent ein.
  13. Ich werde mich weiter bilden, verändern und offen für Neues bleiben, bis ans Ende meiner Tage.
  14. Ich möchte bis zum Ende meines Lebens von netten Menschen umgeben bleiben.
  15. Lebensgefühl und Freude vor Bequemlichkeit und Luxus! Ich erfreue mich mehr an den kleinen Dingen.
  16. Ich lasse mich nicht hetzen, auch nicht von mir selbst.
  17. Gute Gespräche über alles andere. Lieber mal zu spät wohin kommen, als die Chance auf ein gutes Gespräch auslassen.
  18. Ich kann über mich selbst und meine Missgeschicke lachen.
  19. Ich sorge dafür, dass die Leute sich wohl fühlen, wenn sie bei mir sind.
  20. Gegen Neid hilft Abschauen und Lernen, Besinnung auf deine eigenen Qualitäten, nicht Werten und dreimal tief Durchatmen.
  21. Ich atme dreimal tief durch, bevor ich einem ersten Impuls sofort nachgebe. Ist der Impuls danach noch da?
  22. Ich lasse los und maße mir nicht an, alles immer im Griff zu haben.

Vielleicht klingt das eine oder andere rätselhaft für jemanden, der nicht introvertiert ist und keine leichte bis mittelschwere Sozialphobie hatte. Alle Anderen können Regeln wie diese beflügeln. Oder zumindest erst einmal eine weite Reise deutlich angenehmer machen.

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Right

Die letzten Baustellen

Ich habe auf der Radtour 2-3 kg abgenommen, und endlich, endlich, endlich einmal auch an den Stellen, an denen ich wollte. Meine Wampe ist geschrumpft.

Ich kann aber nicht immer 1.800 km radfahren, um mal ein bisschen Bauchfett zu verlieren. Da müssen andere Mittel her. Weiter Sport, klar. Meine Ernährung habe ich tatsächlich spontan erfolgreich umgestellt. Ich zwinge mich jetzt dazu, Gemüse in jede Mahlzeit einzubauen und bei jedem Einkauf welches mitzushoppen. („Zwingen“ klingt so hart, eigentlich mag ich das sogar. Das Essen schmeckt besser und ich fühle mich auch besser dadurch.) Klügere Rezepte wären noch gut, das sollte ich endlich mal forcieren.

Da ist aber noch was Anderes. Da läuft noch ein „Prozess“ in meinem Körper, der sich an die letzten Fettreserven klammert, der auch alles dafür tut, dass die da bleiben. Da ist etwas Zügelloses, Ungebremstes in mir, das auf Stress und negative Gefühle mit Heißhunger reagiert. Dazu bin ich der einzige mir bekannte Mensch auf der Welt, der nach ein, zwei Bier nach süßen statt salzigen Snacks verlangt.

Die Lösung ist eigentlich einfach: Stress und negative Gefühle nicht mit irgendwas betäuben oder bekämpfen, sondern ihnen auf den Grund gehen, reframen, meinetwegen drüber meditieren. Ich glaube, ich bin jetzt so weit, das anzugehen, auch wenn das eisenhart werden dürfte. Das wäre dann tatsächlich eine der letzten meiner Baustellen.

Malte, mein neuer Mannschaftskamerad beim TT, hat tatsächlich auch eine coole Radtour hinter sich und darüber gereisebloggt. Mit einem Freund zusammen haben sie letzten Sommer alle „Neukirchen“ Deutschlands mit dem Liegetandem besucht und sind dabei oft von Bürgermeistern oder anderen Komitees empfangen worden – how cool is that!!! Ich mag besonders die Bilder. Schaut mal rein!

The Boxer Rebellion: What the Fuck (2017) <3

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OK

Prolog

Die Sache ist eigentlich ganz einfach: Du fährst einmal von Nord nach Süd mit dem Rad – oder von Süd nach Nord, eigentlich egal – startest im Westen und sparst dabei den Osten nicht aus. Du hast doch eine halbwegs scharfe Beobachtungsgabe, Jung. Nutze sie, um dir ein Bild zu machen von einem Land namens Deutschland im Jahr 2022. Ein Land, wie es in 50 Jahren vielleicht nicht mehr existieren wird.

Wie tickt diese seltsame Nation in Zeiten des Umbruchs? In Zeiten des Kriegs, auch wenn er noch anderswo stattfindet. In Zeiten der Klimakatastrophe, die langsam über uns hereinbricht. In Zeiten, in denen sich anderswo die Demokratie auflöst und sie auch hier bedroht ist. Wie ist es um unsere Gesellschaft, unsere Natur und unsere Traditionen bestellt? Wie geht der Mensch mit dem aufgezwungenen Wandel um? Was hörst, siehst, erlebst du? Und wie geht es dir selbst dabei? Du, der mal Teil des Ganzen sein wollte und nun nur noch stiller Beobachter von halbdraußen bist. Was ist mit deinen Ängsten, Wünschen und Hoffnungen?

„Desto weiter ich reise“, sagte Andrew McCarthy, „desto näher komme ich an mich heran.“

Na dann? Los!

Es wird langsam „ernst“. Der Prolog steht – wie ihr seht – jetzt auch. Einen Kindle-Direct-Publishing-Account und eine US-Steuererklärung habe ich mir angelegt. Tantiemen werden ab jetzt oder zumindest ab der Veröffentlichung direkt auf mein Konto überwiesen. ? Es ist wohl besser, ich schreibe das Buch so schnell wie möglich, solange ich noch ein wenig Urlaubsenergie übrig habe. Jetzt brauche ich noch ne ISBN und so. Aber dann eigentlich nur noch: Glätten, Copy & Paste.

Und natürlich ist der Kopf gerade sehr erfinderisch dabei, das irgendwie noch zu sabotieren. Habt ihr solche inneren Kritiker eigentlich auch? Oder macht ihr einfach immer straight?

Mein Gefühl sagt mir, ich sollte nichts überstürzen, noch eine Weile hier bleiben, sogar den nächsten Winter über. Alles vorbereiten, aber auch zur Selbstheilung noch hier bleiben. Keine Ablenkungen mehr, den real deep shit auch noch durchwandern, auch wenn es hart wird. Und dann… mal sehen, was dann von der freien Welt noch übrig sein wird. Verreisen kann ich aber eigentlich auch vorher schon mal. Sonderbarerweise zieht es mich in die USA.

Ist ja klar, Bonn, dass du dich, jetzt, wo ich mich zum Abschied entschlossen habe, von deiner schönsten Seite zeigst:

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Hm

Re-write (your life)

Wenn ich sehe, was ich tagtäglich so schreibe, ist die erste Version meist ziemlich mies. Ein Runterbrettern von Informationen, die Texte voller Fehler. Erst wenn ich nochmal drüber gehe, wird etwas Vernünftiges draus. Gerade dieses Re-writing habe ich in den letzten Jahren perfektioniert. Den ersten Teil irgendwie nicht. So oder so gehe ich jetzt noch einmal über die bereits veröffentlichten Kapitel der Tour und werde sie nochmal verändern und damit verbessern. Denn ich möchte ja ein Buch daraus machen. Ist zwar irgendwie komisch, wenn der genau gleiche Text dann in umgekehrter Reihenfolge hier schon einmal steht. Aber tatsächlich ist dieses WordPress-Template mit Weiß-auf-Schwarz-Vorlage die perfekte Schreibumgebung für mich. Anderswo kann ich nicht… ? Also wundert euch nicht, wenn ich hier in nächster Zeit wenig Neues veröffentliche und dafür alte Kapitel umschreibe.

Und, nein, keine Sorge. Die inneren Kritiker machen längst Party: „Das schaffst du nie! Und wenn doch, wird es ein Reinfall! Was willst du denn damit überhaupt? Wer soll das kaufen oder gar lesen? Ein guter Autor wird aus dir nie! Weißt du, wie teuer das ist?! Solche Bücher gibt es schon Tausende. Ein Kumpel hat erzählt, dass sein Schwager das auch gemacht und keinen Cent damit verdient hat.“

Zum Glück mache ich mir keinerlei Druck damit. Es muss kein Erfolg werden, es muss keiner kaufen, es darf ein Reinfall werden, es ist gar nicht einmal so teuer, und ob der Schwager des Kumpels überhaupt einen Satz fehlerlos geradeaus schreiben kann, kann ich gar nicht beurteilen.

Einfach nur einmal ein Buch veröffentlichen, das ist alles, worum es geht. Und das sollte doch zu schaffen sein, jetzt wo ich das Manuskript nur noch einmal überarbeiten muss.

Ich muss hier weg. Nein, okay, ich muss nicht hier weg. Aber es hält mich auch nichts mehr hier, es zieht mich mittlerweile sogar runter, hier zu sein. Bonn war – mittlerweile auch schon 21 (!) Jahre lang – ein tolles Pflaster, um zu leben, sich auszuprobieren, die meisten (leider nicht alle) der zahlreichen Baustellen zu schließen, die man so hatte, rauszukommen, aus der nordwestdeutschen Kleinstadt-Tristesse. Aber jetzt ödet es mich eigentlich nur noch an. Ich vermisse neue Impulse. Ich vermisse es, in einem coolen Team live vor Ort an etwas zu arbeiten, eine neue Stadt zu erkunden, mich weiterzuentwickeln.

Lange genug habe ich mir nicht mehr zugetraut. Das hatte verschiedene Gründe. Die Sache mit den Baustellen. Jetzt würde ich mich eigentlich nur noch bemitleiden, wenn ich in 20 Jahren immer noch alleine am Frankie in meiner 2-Zimmer-KDB-Wohnung leben würde. Wäre gesellschaftlich betrachtet kein komplettes Versagen, und das wäre mir auch egal, wenn. Aber ich selbst würde mich wie ein Versager fühlen. Wie jemand, der alle Chancen der Welt hatte – und keine davon genutzt hat.

Ja, Bonn war immer gut zu mir. Bonner haben mich vom ersten Tag an willkommen geheißen und das werde ich ihnen nie vergessen. Aber Bonn ist irgendwie trotzdem nie so richtig meine Heimat geworden.

Dummerweise ist gerade ein richtig schlechter Zeitpunkt, um wegzuziehen. Horrende Mieten überall, weiter steigende Kosten, Inflation, die Welt am Scheidepunkt, wenn nicht gar Abgrund.

Und noch dummererweise habe ich immer noch keine Ahnung, wohin eigentlich. ? Nur weg, aber ja, irgendein Ziel braucht man dann schon.

„Nein, die Löcher haben kein Gewinde. Das Rad hat da eine Aussparung und da wird der Ständer reingesteckt, in dem die Gewinde sind, hier“, sagte der E-Bike-Monteur und hat meinem Rad binnen 2 Minuten einen neuen Ständer verpasst. Und hätte man das gewusst, hätte man das binnen 5 Minuten auch selbst machen können, statt auf 2.000 km quer durch die Republik das Rad immer nur irgendwo anlehnen zu müssen. ?

Unterwegs kam mir ja der heimliche Traum, mal eine Weile als Radmechaniker zu arbeiten – am Kap der Guten Hoffnung oder so. Aber dazu sollte ich mir dringend mal etwas Wissen draufschaffen…

You lack performance? ? Weiß ja nicht, Kameraden, ob ich euch nicht lieber einen anderen Firmennamen vorgeschlagen hätte…

Okay okay, Kleinigkeiten bewegen sich in Bonn doch noch. Sehr zu begrüßen: Die Oxfordstraße ist jetzt nur noch einspurig für den Autoverkehr und dafür gibt es eine richtig ordentliche Fahrrad-/Bustrasse. Danke, Katja! Und wenn du jetzt noch die Todesfalle Bertha-von-Suttner-Platz entschärfen könntest…

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Right

Only happy when I move

Der Alltag ist wieder da, aber bisher ist es noch recht entspannt. Nach einem langen Urlaub versucht man ja auch, ein paar Dinge auf der Arbeit zu verändern und gelassener anzugehen. Das habe ich heute mal versucht. Und dann allerdings auch viel zu viel gegessen. Auf der Reise jetzt habe ich ganz schön reingehauen. Jeden Tag im Schnitt 100km, da verbrennt man schon die eine oder andere Kalorie. Ich habe nach einem Kaffee morgens meist noch gefrühstückt oder mittaggessen, bin nachmittags zu Kaffee und Kuchen meist irgendwo eingekehrt und habe dann noch was zu Abend gegessen. Die Kalorienbilanz dürfte trotzdem leicht negativ gewesen sein, auch wenn ich mich nicht gesund ernährt habe. Ich habe 2kg abgenommen. Aber esse ich gewohnheitsmäßig das gleiche, ohne eine Radtour zu machen, so wie heute, dann platzt mir fast der Magen. Weil ich ja außerdem am Intervallfasten festhalte und deswegen meist vor 1800 schon abendesse, kam sich das heute mit den noch nicht verdauten Keksen ins Gehege. Hab das Gefühl, mein Puls und Blutdruck sind danach in die Höhe geschossen. Das muss sich erst alles langsam wieder eingrooven…

Was mir dann hilft, was mich ohnbehin meist instantan glücklicher macht, ist Bewegung. Eine Runde Spazieren, Joggen, Radfahren oder Tischtennis, und es geht mir sofort besser. Hab noch nicht ganz rausgefunden wieso. Aber ich hoffe, ich werde mich bis ins hohe Alter bewegen können. Sonst ende ich endgültig als Misanthrop.

Hab mich dann heute Abend auch noch bewegt. Bin zu Fuß zum dm und zurück (musste auch noch über etwas nachdenken), danach mit meinem E-Bike zur Waschanlage gefahren und danach noch die Reifen aufgepumpt. Morgen kommt das Rad zur Inspektion und Reparatur. Und demnächst auch mal das Ganze für mich selbst. Vorsorgeuntersuchung und Zahnkontrolle.

Habe damit begonnen, mich mit Kindle Direct Publishing zu befassen. Ist ganz einfach und dann doch wieder viel, was man beachten muss. Lese mich da gerade ein. Unter anderem braucht man angeblich eine US-Steuernummer. Na sowas.

60 Arbeiter werden in Katar festgenommen, weil sie ihren Lohn nicht erhalten und deswegen demonstriert haben. Kann man da im Westen nicht wenigstens mal gegen protestieren, deren Bezahlung, Freilassung und Weiterbeschäftigung fordern? Oder ist uns tatsächlich nur noch wichtig, eine schöne WM im Fernsehen zu sehen und zu hoffen, dass Deutschland mindestens ins Halbfinale kommt? ?

Gucke gerade „Der Rausch“ und das ist witzig. Heute der zweite Teil. Deswegen nur ein kurzer Log. Gute Nacht!

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Packliste für 3 Wochen Bikepacking

Der Beitrag hier ist mehr eine Erinnerung an mein Future-Self, wenn ich noch einmal auf Bikepacking-Tour gehen und dann schnell packen möchte. Sie kann natürlich auch jedem/r als Grundlage dienen, der/die das Gleiche vorhat – wobei die Ansprüche und Vorlieben natürlich völlig individuell sind, weiß ich auch. Alors, Folgendes habe ich eingepackt (oder beim Start getragen) und benutzt:

  • 1 E-Bike mit Stangentasche, Handyhalterung und Kettenschloss
  • 1 E-Bike-Akku-Ladegerät (+ Akkuschlüssel)
  • 1 Schlüsselbund
  • 1 Zwei-Personen-Zelt
  • 1 Luftmatratze
  • 1 Schlafsack
  • 1 Campingstuhl
  • 2 wasserfeste Radtaschen
  • 1 Reisetasche als Gepäck
  • 2 Spanngurte, um sie zu befestigen
  • 7 Funktions-Unterhosen
  • 7 Paar Socken (5 lange und 2 kurze)
  • 3 kurze Radlerhosen
  • 1 lange Radlerhose
  • 1 lange, schwarze Multifunktionshose
  • 2 kurze Merino-Shirts
  • 1 langes Merino-Shirt
  • 1 langes Multifunktions-Shirt
  • 2 FFP2-Masken
  • 1 Hand-Desinfektionsgel
  • 2 Packungen Papiertaschentücher (3 wären besser gewesen)
  • 1 Rolle kleiner Müllbeutel
  • 1 Powerbank (10.000 mAh mit Schnelllademodus)
  • 1 Ladekabel USB-C zu USB-C
  • 1 Ladestecker USB-C
  • 1 Solarladegerät (28W)
  • 1 Portemonnaie
  • 1 Smartphone
  • 1 Sportarmband
  • 1 Helm
  • 1 Radfahrerbrille
  • 1 Trinkflasche
  • 1 Mini-Werkzeugset fürs Fahrrad
  • 1 Schlauch
  • 5 Mantelheber (4 hätten gereicht)
  • 2 Paar Multifunktionsschuhe (+ 1 Schuhsack)
  • 1 Mikrofaserhandtuch
  • 1 Turnbeutel als Daypack
  • 1 Paar kabellose Kopfhörer
  • 1 Kulturtasche mit Zahnbürste, Zahnpasta, Zahnseide, Aufbissschiene, Duschgel, Shampoo, Sonnencreme (LSF 50), Franzbranntwein, Lippenbalsam, Gesichtscreme (geht auch für andere trockene Körperstellen), Deocreme, Anti-Histaminikum, Magnesium-Granulat, Vitamin-Kapseln, Nagelknipser, normales Flüssigwaschmittel (umgefüllt, kein Rei in der Tube!)

Ich habe Kleidung nach Komfort eingepackt: Mehr bedeutet: weniger oft waschen und damit mehr Urlaub – obwohl erstaunlich viele Campingplätze auch eine Waschmaschine haben. Das Zauberwort heißt: Merino. Mit den beiden Shirts kam ich wunderbar für mehrere Tage aus. Riechen nicht, halten warm, halten kühl. Eventuell macht ein Drittes noch Sinn. Das Smartphone dient als Navi, Kamera, Computer, Jukebox und als Taschenlampe.

Unterwegs gekauft:

  • 1 Anti-Mücken-Spray
  • 1 Notizblock und Stift (1x benutzt)
  • 2 zusätzliche FFP2-Masken
  • 1 weiteres Ladekabel mit USB-A zu USB-C
  • 1 Rolle großer Mülltüten als Regenschutz für die Reisetasche
  • 2 Mikrofasertücher
  • 1 Bremsenreiniger
  • 1 Doppelhub-Mini-Luftpumpe
  • 1 Reifendicht-Notfallschaum
  • 1 Packung Fisherman’s Friends
  • 1 Weitere Tube Sonnencreme (braucht man sehr viel von!)
  • 1 Halstuch
  • Zu essen und zu trinken

Man kann nicht an alles denken. Aber fährt man durch ein dicht besiedeltes, reiches Land, findet man viele Supermärkte, in denen man alles kaufen kann. Supermärkte sind ohnehin unterschätzte Errungenschaften der Zivilisation, wenn ihr mich fragt.

Würde ich beim nächsten Mal noch mitnehmen:

  • Akku-Luftpumpe für Rad und Luftmatratze
  • Anti-Mücken-Kerze im Glas (gegen die Blutsauger UND für ein wenig Romantik vor dem Zelt)
  • Feuerzeug
  • Tigerbalsam
  • Evtl. Mini-Campingkocher mit integriertem Kaffeeaufsatz + Kaffee (nur für das Caminggefühl)
  • Regenschirm

Mitgenommen und nicht benutzt:

  • Regenjacke
  • Regenponcho
  • Regen-Überschuhe
  • Heringe
  • Reise-Wäscheleine
  • Reise-Wäscheklammern
  • First Aid Kit (Mini)

Muss aber vermutlich alles für den Notfall doch wieder mit.

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Epilog

Ich packe recht früh zusammen, heute muss ja alles nur noch zusammengestopft werden. Die Verkäuferin im Campingplatzkiosk erkennt mit geübtem Auge, dass ich mein Schokobrötchen vor Ort essen möchte und hat noch ein Lächeln dabei auf dem Lippen. Das unterstreicht zwei Erkenntnisse meiner Reise: Servicepersonal leistet Unglaubliches für dieses Land, und: ich habe mich abscheulich schlecht ernährt, die letzten drei Wochen. Aber jetzt wieder Gemüse.

In Westerland komme ich überraschend problemlos mit dem Rad in die gut besetzte Bahn nach Hamburg. Dort angekommen, kaufe ich ein Brötchen, um Wechselgeld für ein Schließfach zu bekommen. Sie habe kaum noch Münzgeld, bedauert die Verkäuferin. Jeder wolle welches für das uralte Bahnschließfach. „Oh“, sage ich, und wir schauen uns eine Weile lauernd und mit verschmitztem Lächeln an. „Ich bekomme vielleicht doch noch was zusammen“, antwortet sie dann nach einem Blick in die Kasse.

Servicepersonal. Unglaubliches!

Als ich das Brötchen für später wegpacke und dann erst einmal beim Inder was esse, belausche ich ein Gespräch am Nachbartisch. Er sei Journalist, sagt der Wortführer, und der Journalismus in diesem Land werde eigentlich nur noch von Idealismus getragen. Das Gehaltsgefälle wäre die typische Schere zwischen Arm und Reich. Er hatte bei einem öffentlich-rechtlichen Sender für Drei gearbeitet, damit es mit dem Geld reiche. Die Kostenschubser im Sender hätten dann nur gesehen: der verdient zu viel und muss eingespart werden. Auf der anderen Seite lief der Fall der mittlerweile zurückgetretenen RBB-Intendantin Patricia Schlesinger die letzten Wochen durch die – nun ja – Medien. Ihre 300.000 im Jahr hatten ihr offenbar immer noch nicht gereicht. Wird der Mensch gierig, sobald er viel hat?

Weil ich nichts Besseres vorhabe, trinke ich danach einen Kaffee und gehe an der Reeperbahn ein Set Craftbeer testen. Ich müsste an einem Tisch alleine sitzen, aber Gesellschaft wäre mir lieber. Ich frage ein Pärchen aus Berlin, ob ich mich dazu setzen darf. Darf ich. Das Bier wirkt dann derart stark, dass ich mein Fahrrad erst einmal runter zum Wasser schiebe. Ich lande vor einem Museums-Uboot, interessiere mich dafür, wie es darin aussieht, buche eine Tour, nehme sie, fahre zurück zum Bahnhof Altona und kaufe mir noch ein Filet-o-Fish beim McDonalds. In Hamburg muss Fischbrötchen! Aber es gibt dort im Bahnhof tatsächlich keine Fischbude. Ich hole mein Gepäck wieder aus dem Schließfach und schiebe mein Fahrrad in den IC.

In Bremen kommt die Durchsage, dass wir 100 (!) Minuten auf neues Zugpersonal warten müssten. Alle um mich herum sind verärgert. Ich bin völlig ruhig – ist das die Urlaubsentspannung? Ich steige nach einer Weile aus, genieße die maskenfreie Frischluft am Gleis, spaziere durch den Bremer Bahnhof und setze mich eine Weile vor die Messe am Hinterausgang.

Als ich wiederkomme, ist Chaos am Gleis. Zusätzlich zum verspäteten Zugpersonal gibt es jetzt auch noch eine Gleisstörung; alle Regionalzüge sind gestrichen. Ich versuche, Infos bei einem Bahnmitarbeiter am Gleis einzuholen, aber der weiß auch nichts. Ein Mann, der nur gebrochen Deutsch spricht, fragt mich nach seinem Zug. Ich kann ihm nur auf Deutsch und Englisch das Dilemma erklären.

Ein Anderer in einem Liegefahrrad muss noch ins Rheinland. Er hat nur einen Schwerbehinderten-Ticket. Wir kommen ins Gespräch. Er hat auch Zelt und Luma dabei, ist auf Tour, campt manchmal wild. Der Bahnmitarbeiter hat keine neuen Infos.

Wir fragen ihn, ob es in Ordnung wäre, mit dem Schwerbehindertenausweis ausnahmsweise einen IC zu benutzen. Der Bahnmitarbeiter ist unsicher, sagt, das läge im Ermessen des neuen Zugpersonals. Aber das sei noch nicht eingetroffen.

Als es da ist, fangen wir den Zugchef ab, aber der stellt sich quer. „Mit dem Fahrrad? Ausgeschlossen!“ Das wäre viel zu groß und passe nicht in den Stellplatz. Aber das Abteil wäre noch fast leer und das Rad ließe sich anders sichern, argumentieren wir. Nein, nichts zu machen, sagt der Zugchef.

Im gleichen Moment spricht mich eine Afrikanerin an, ob der ICE gegenüber nach Köln fahre. Warum fragen alle mich? Ich helfe. Wir kriegen sie gerade noch rechtzeitig in den richtigen Zug. Den Rest des Gesprächs zwischen dem Mann im Liegefahrrad und dem Zugchef bekomme ich deswegen nicht mehr mit. Aber er ist offenbar bei seinem Nein geblieben. Dem sei es darum gegangen, dass alles seine Ordnung habe, sagt der Mann im Liegefahrrad resigniert.

Ich ärgere mich, mir fällt nichts ein, wie ich ihn noch helfen könnte. Wäre schon okay, sagt er, er würde schon irgendwas finden zum wild Campen. Es klingt wie: unter der Brücke schlafen. Er bedankt sich bei mir und nennt mich einen guten Menschen. Er sei in der Partei „Die Basis“ und habe da unheimlich nette Leute kennengelernt. Dass es Menschen wie mich gäbe, helfe ihm auch darüber hinaus, die Hoffnung nicht zu verlieren.

Seine politische Gesinnung ist mir in dem Moment egal. Er ist mir sympathisch, und ich hätte gerne mehr für ihn getan. Vielleicht darf man sich auch nicht wundern, wenn der eine oder andere, der „wild campen“ muss, damit die Ordnung aufrecht erhalten wird, in eine ungute politische Ecke abdriftet.

Aber ich ein guter Mensch? Ich habe unterwegs viele getroffen, die mir und anderen vorbehaltlos geholfen haben, selbst als sie eigentlich gerade etwas Dringenderes zu tun hatten. Die würde ich als solche bezeichnen. Für mich selbst ist es dahin noch ein weiter Weg.

Drei Wochen lang war ich unterwegs. Die Nachrichten habe ich in dieser Zeit nur am Rande verfolgt. Immer wenn ich doch mal tagesschau.de besucht oder in einem Kiosk die Titelseiten der Zeitungen gesehen habe, ging es um Gaspreise. Und wenig bis gar nicht um den grausamen Krieg, der die Ursache dafür ist. So ist der Deutsche eben auch: er kreist in erster Linie um sich selbst – und kann unendlich hilfsbereit, reflektiert und freundlich sein, wenn man es dann doch aus ihm herauskitzelt.

Wir stehen vor einer ungewissen Zukunft und leben in einem Land, das seine Rolle in der Welt immer noch nicht ganz gefunden hat. Es könnte schlimmer sein, es könnte besser. Sollte es hart auf hart kommen, wird Deutschland wohl als eins der letzten Länder untergehen.

Als ich nachts um 0200 endlich Bonn erreiche und mein Rad aus dem Fahrstuhl schiebe, glaube ich meinen Augen kaum zu trauen: Es regnet leicht. So werde ich auf den letzten Metern meiner Tour zum ersten Mal ein wenig nass.

Ich lasse die Regenjacke in der Tasche und fahre los.

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Liebe (Etappe 20)

Nackt plansche ich auf dem einsamen Strand, hüpfe wie ein kleines Kind im Wasser herum. Zum Glück muss sich das unwürdige Schauspiel niemand anssehen. Die Game-of-Thrones-mäßige Stadt in Bayern und jetzt dieser einsame Strand auf Sylt. Es gibt sie also doch noch, die Orte, die von der Instacommunity noch nicht überrannt werden.

Ich bin mutterseelenallein an diesem Strand – bis ich es plötzlich nicht mehr bin. Ein anderer Typ kommt durch die Dünen und sucht etwas, vermutlich auch den nördlichsten Punkt Deutschlands. Nachdem er eine Weile gesucht hat, sieht er ihn, läuft dorthin und tanzt wie ein Irrer darum herum. So ähnlich wie das, was ich auch gerade gemacht habe. Ich bin zwar nicht alleine, aber irgendwie sind wir doch alle verbunden.

So, wie ich es viele Jahre nicht war. Immer auf der Suche nach etwas, meistens einem Seelenpartner, den ich, nach langer Suche gefunden, dann meist ebenso schnell wieder in die Wüste geschickt habe. Nicht die Richtige, passt irgendwie doch nicht, nicht die, mit der ich gerne alt werden würde oder irgendwelche anderen vorgeschobenen Gründe. Und am Ende beiderseits gebrochene Herzen, weil man verliebter war, als man es sich eingestanden hatte.

Beziehungsvermeider nennen Psychologen so etwas. Solche Menschen sehnen sich mehr als andere nach einer glücklichen Beziehung, finden lange keine und wenn dann doch endlich, dann fürchten sie um ihre Freiheit, beginnen, der Sache nicht zu trauen und tun schließlich alles dafür, die Beziehung zu sabotieren. Bis es schließlich gelingt, man sich einsam fühlt, dazu ein gebrochenes Herz hat, der Sache hinterhertrauert und der ganze Mist wieder von vorne beginnt.

Was ist die Lösung da raus? Mir hilft es zu wandern, radzufahren, meine Gedanken dabei zu sortieren, ganz bei mir zu sein, hin und wieder mit fremden Menschen zu reden und dabei einfach nur mal zuzuhören. Mich nicht darum zu kümmern, was irgendjemand von mir denkt, öfter mal einfach zu tun, wonach mir gerade ist und alles ein Stück weit weniger zu durchdenken.

Vielleicht hat mir die Reise mir ein wenig dabei geholfen, unvoreingenommener und liebevoller zu sein, mir selbst, aber auch anderen gegenüber.

Ich ziehe mich wieder an, schiebe mein Rad durch den Sand und bin schon bald wieder in den Dünen, in denen die Heide blüht. Das Allgäu und Sylt – die südlichste und die nördlichste Region sind auch gleichzeitig die beiden schönsten Gegenden, die ich auf meiner Reise gesehen habe. Aber all das hätte ich nicht erkannt, hätte ich nicht auch das Land dazwischen gesehen und tolle Menschen unterwegs getroffen.

Bei dem Wind ist mir in kurzer Hose und T-Shirt langsam bitterkalt. Aber die Aussicht auf ein letztes Abendessen und ein leckeres Bier in Westerland helfen mir durchzuhalten. Ich muss mich nicht unter die Reichen und Schönen dort mischen; die sollen ihr Ding machen, ich meins. Aber ein kleiner Abschluss der Reise wäre toll.

Ich habe Glück. Der Gosch am Strand verkauft mir noch ein Schollenfilet und ein Pils. Dicht in eine Decke gehüllt, schreibe ich die Gedanken des Tages nieder, packe dann aber bald zusammen, spende mein restliches Münzgeld einer Gruppe der Westerland-Punks, die nebenan zu „Griechischer Wein“ eine Tanzparodie auf den Asphalt bringen. Sie glauben, sie wären frei, aber sie sind es auch nicht.

Zurück am Zelt ziehe ich mich warm an, setze mich auf meinen Campingstuhl und blicke für eine Zeit nur in den milchigen Nachthimmel, und es ist richtig schön. Es ist weit nach Mitternacht. In dem einen oder anderen Zelt brennt noch Licht, jemand schnarcht. Ich bin alleine und bin es doch nicht. Endlich ein wenig Zeit für Gedanken, schöne Gedanken.

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Am Ziel? (Etappe 19)

Es regnet tatsächlich die halbe Nacht durch, aber dann ist es auch gut. Mein Zelt hat dicht gehalten. Am Abend, als einige Tropfen auf meinen Kopf fielen, hatte ich da noch so meine Zweifel.

Meine Zeltnachbarn im Wohnmobil machen sich schon um 0700 lautstark auf den Weg und wecken mich damit. Ich drehe mich nochmal um, starte eine Meditation, stehe dann ganz langsam auf, mache mich fertig, packe das nasse Zelt ein, checke aus, und es ist dann trotzdem erst 0900.

Nasse Zelte sind ein Thema für sich. Idealerweise würde man so bis 1200 Uhr warten, bis im Sonnenschein alles getrocknet ist, aber dann wäre der halbe Tag rum. Deswegen packt man morgens doch lieber das nasse, allenfalls grob getrocknete Zelt ein. Ist nicht hübsch, muss aber irgendwie gehen. Es entglorifiziert allenfalls das etwas romantisierte „Im Frühtau zu Berge“. Das ist als Pilger oder Radwanderer mit Zelt einfach nur fies und unangenehm und sonst nichts.

Ich habe gestern gar nicht groß geschaut, wo ich eigentlich genau bin, und stelle dann morgens fest, dass es direkt neben dem Hafen ist, von wo die Fähren nach Föhr und Amrum abfahren. Den Anleger schaue ich mir noch an, und ein Teil von mir würde am liebsten direkt mitfahren. Aber das wäre nicht das Ziel dieser Reise.

Was ist eigentlich das Ziel dieser Reise? Neben dem Unterwegssein, dem Abbauen von Ängsten und dem Kennenlernen von Menschen ein wenig noch herauszufinden, wo es in diesem Land schön ist, wo man vielleicht das nächste Mal hinfährt, um es sich noch etwas genauer anzuschauen. Der reflexartige Gedanke an ein Flugzeug, wenn es in den Urlaub gehen soll – Zukunft hat der eh nicht.

Nach einem schwarzen Kaffee im Café nebenan (mir fehlt beim Intervallfasten in letzter Zeit immer nur eine halbe Stunde) ist es immer noch erst 0930. Ich habe noch ein wenig Lust auf Bewegung und beschließe, meinen optionalen letzten Abstecher doch noch zu machen.

Ich fahre nach Dänemark. Ein chinesisches Sprichwort, das ich nicht mehr ganz zusammen bekomme, lautet sinngemäß: du weißt erst, wie es bei dir aussieht, wenn du dein Haus vom Anwesen deines Nachbarn aus gesehen hast. Und so möchte ich zumindest kurz über die Grenze hüpfen, um mir die Unterschiede anzuschauen, in die Kleinstadt Tønder.

Schon kurz vor der Grenze reiht sich dänischer Supermarkt an dänischen Supermarkt. Ich schaue rein, würde Brötchen kaufen, aber finde keine und shoppe statt dessen ein paar Haribo. Die Verkäuferin wechselt von akzentfreiem Dänisch auf akzentfreies Deutsch. Bemerkenswert.

Direkt hinter der Grenze wird der Radweg besser, die Häuser haben noch eine ganz andere Form, die Leute hissen mehr Nationalflaggen. Eine Blechlawine schiebt sich aber auch hier über die Hauptstraße, ein paar Transporter haben sogar fulminante Oldtimer geladen. Aber an den Nebenstraßen ist es gespenstisch still. Kurz vor dem Ort komme ich an Brombeersträuchern vorbei und pflücke mir ein paar.

Bromberen zu pflücken scheint in der Gegend weniger bekannt zu sein als in Deutschland. Vorbeifahrende Radfahrer gucken mich komisch an, sagen aber nichts. Und da fällt es mir wie Schuppen von den Augen: Der Grund, warum ich manchmal sehr lange für Dinge brauche und manchmal gar nicht, ist mein inneres Versteckspiel. Ich versuche, bloß nicht aufzufallen, um mir keinen blöden Spruch einzufangen, weil das in meiner Jugend und meiner depressiven Phase oft passiert ist. Andere meinen, unsicher wirkenden Menschen eher mal einen blöden Spruch stecken zu können.

Heute ist das aber längst nicht mehr der Fall – außer, wenn ich auf Campingplätzen meine Luftmatratze aufpuste, da kommt meist gleich einer mit einer Pumpe angelaufen. Das ist aber eigentlich immer nett gemeint. Ich könnte diese innere Abwehr mal zum Schweigen bringen, denn ich bin längst aus dem Alter raus, in dem ich mir noch blöde Sprüche drücken lasse.

Nebenbei: Ich habe mich noch nie an Brombeeren satt gegessen. Ob ich das einfach mal versuche? Ich pflücke Dutzende und esse sie sofort. Aber es reicht nicht: Als ich kurz darauf in Tønder einen Hotdog-Stand sehe, also etwas typisch Dänisches, greife ich zu – und habe danach noch mehr Hunger als vorher.

Tønder ist klein, aber hat eine hübsche Fußgängerzone. Auf dem Weg raus komme ich an einem Kleingartenverein vorbei (sowas gibt es also da auch) und wieder durch ein Wohngebiet, das gespenstisch ruhig da liegt. Warum ist hier niemand?! In jedem deutschen Wohngebiet spielen auch tagsüber irgendwelche Kinder. Rentner und halbtags Arbeitende machen was an ihren Gärten. Hier ist niemand. Ich bin froh, als ich da wieder raus bin.

Aber für ein paar Erkenntnisse hat sich der kleine Umweg gelohnt. Und irgendwie wollte ich auch die wegen meiner Panne versäumten 40 Kilometer von Peine nach Hannover insgeheim noch irgendwie nachholen.

Es dauert nicht lange danach, und ich stehe am Bahnhof Klanxbüll. Wird das wohl klappen mit dem Fahrradtransport? Neben einigen Passagieren steht mit mir nur noch ein weiterer Typ mit einem Rennrad am Gleis. Aber Klanxbüll ist die letzte Station vor dem Damm. Niemand kann sagen, wie voll der Waggon schon ist. Als die Bahn kommt, ist das hintere Fahrradabteil völlig verwaist. Watt’n Glück.

Die Fahrt dauert nur wenige Minuten. Schon weit vor Westerland macht sich der Typ mit dem Rennrad wieder bereit. Und tatsächlich: es gibt einen Stopp direkt hinter dem Damm, an dem ich dann auch mit raus gehe: Morsum.

Die Überfahrt ist also geglückt, ich bin auf Sylt! Yeah! Das Wetter ist okay. Es ist wolkenverhangen, die ganze Zeit sieht es so aus, als würde es bald regnen, was dann aber nie passiert. Ich hatte unfassbares Glück und bin tatsächlich kein einziges Mal auf meiner Tour in einen Regenschauer geraten. Dabei hätte ich mir manchmal in der elendigen Hitze sogar einen herbei gewünscht.

Jetzt kommt aber langsam die Sonne raus und ich esse erstmal was, noch am Gleis stehend. Nach ein paar Minuten kommt ein älterer aber stabiler Herr schnellen Schrittes in meine Richtung. Was der wohl will. Ich rufe freundlich „moin“, als er auf meiner Höhe ist. Er aber geht an mir vorbei zu den Brombeerströuchern weiter hinten am Gleis und murmelt im Vorbeigehen: „E-Bike-Fahrer grüße ich grundsätzlich nicht.“

Das darf doch nicht wahr sein. ? Der erste Mensch, dem ich auf Sylt begegne, und er kommt mir gleich so. Ich hoffe mal, das ist Zufall und kein Vorgeschmack auf die Gepflogenheiten auf der Insel.

Die übrigens superschön ist. Küsten, Strände, zerklüftete Buchten, wunderbar erhaltene oder restaurierte Landhäuser, Dünen. Und just gerade blüht die Heide – beinahe schöner als in der Lüneburger Heide. Und noch dazu gibt es Strandkörbe, Restaurants, Partymöglichkeiten. Ja, ich kann den Hype um diese Insel verstehen!

Und was den E-Bike-Hasser von gerade angeht: ich zähle mit: die nächsten acht Radfahrer grüßen freundlich zurück. Im Gedächtnis bleibt natürlich trotzdem der frotzelige Kerl. Was mich kurzzeitig sogar veranlasst zu denken: „Wenn das hier so läuft, soll ich dann die Anderen überhaupt noch grüßen?“

Ich glaube, in der Kindheit und Jugend begeht man den Fehler nur all zu oft. Man fragt die Böckerei-Fachverkäuferin freundlich um eine Serviette. Die hat einen schlechten Tag oder mag keine Kinder, raunzt dich an, du schrickst zurück und speicherst völlig übertrieben die Generalisierung in deinem Kopf: „Verkäuferinnen nie um einen Gefallen bitten, die mögen das nicht.“ Später bekommst du bei jedem Besuch einer Bäckerei ein mulmiges Gefühl. Solche Glaubenssätze sollte man nach und nach überschreiben. Danke, mürrischer E-Bike-Hasser für diesen Anstoß!

Gegen 1500 schlage ich am Zeltplatz auf und bekomme von der sehr hübschen, sehr netten und sehr hilfsbereiten (und leider schon einen Ring tragenden 😉 Rezeptionistin mitgeteilt, dass auf dem Platz 4 Übernachtungen Minimum vorgeschrieben wären. Vier?!

Aber ich bin so gut drauf heute, dass nichts das ehrliche Lächeln auf meinem Gesicht wegzaubern kann. Ich sage schon „danke“ und wende mich zum Gehen, als die Rezeptionistin mich noch aufhält: warten Sie mal bitte kurz. Sie redet dann mit ihrer Kollegin, ich lasse mein charmantestes Lächeln aufgesetzt. Und das Ende vom Lied ist: ich darf doch nur für einen Tag bleiben. Zum zweiten Mal heute: Yeah!

Der Zeltplatz liegt in den Dünen. Es ist so windig, dass mein noch nass eingepacktes Zelt, einmal aufgebaut, schon 15 Minuten später getrocknet ist. Ich mache einen kurzen Nachmittagsschlaf, dann packe ich ein paar Sachen zusammen, denn es wartet noch die finale Tour: in den äußersten Norden zum nördlichsten Punkt Deutschlands.

Gegen 1700 komme ich los und merke unterwegs erst, wie schön die Insel wirklich ist. Nicht nur, weil die Heide blüht. Die Landschaft verändert sich auch alle paar Kilometer. Plötzlich meine ich, auf Island zu sein. Die Gegend erinnert mich stark daran.

Ich fahre das letzte Stück ohne Motor. Und es ist noch einmal richtig anstrengend. Ich habe Gegenwind, es geht bergauf, die Wegstrecke in den Lister Ellenbogen ist richtig mies, gleicht einem Flickenteppich. Das Navi leitet mich völlig fehl, und am Ende fahre ich deswegen fast 5 km zu viel. Und dann am Schluss endet der befestigte Weg ganz und wird zu Sand.

Ich könnte mein Fahrrad stehen lassen und den Rest zu Fuß gehen. Aber ich schiebe es durch die Dünen. Wir haben diesen Weg gemeinsam zurückgelegt. Jetzt gehen wir auch den Rest zusammen. Drei Dünen später sehe ich das Meer und in etwa dreihundert Metern Entfernung: der nördlichste Punkt Deutschlands! Ich bin am Ziel meiner langen Reise:

Und wie Beate gestern (war es wirklich erst gestern?!) prophezeite, ist der Strand menschenleer. Soll ich…?!

Davor warnt ein Schild: hier wegen nicht geräumter Braken, gefährlicher Strömungen und keinerlei Rettungsaufsicht auf keinen Fall schwimmen gehen. Aber mich halten sie nicht davon ab, ein wenig in den Wellen zu planschen.

Ich ziehe mich aus, dann hüpfe ich rein.