Kategorien
Right

Glaubenssätze überschreiben

Heute mal etwas Praktisches, das ich gerade in mehreren Bereichen meines Lebens probiere: ungute Glaubenssätze mit besseren überschreiben. Das Prinzip ist eigentlich geradlinig:

1. Ermittle dein Problem, zum Beispiel:

  • Ich trau mir nichts zu.
  • Mir hört nie einer zu.
  • Ich werde immer übersehen.

2. Horche in dich hinein und beginne zu schreiben. Schreiben hilft, Gedanken freizusetzen. Schreibe auf, welche Glaubenssätze damit verknüpft sind und woher sie wahrscheinlich kommen. Setze diese Glaubenssätze ganz bewusst in Anführungszeichen, um sie als etwas zu kennzeichnen, das gedacht wurde, aber kein Fakt ist. Zum Beispiel:

  • „Ich bin nichts wert“ -> Elternhaus, Lehrer haben es mir gesagt, Freunde/Partner haben mich im Stich gelassen.
  • „Ich bekomme nichts auf die Reihe“ -> Ich war pleite, hab mein Studium abbrechen müssen, im Job werden andere bevorzugt
  • „Ich werde ja eh wieder verlassen“ -> wurde ich oft, immer rennen mir die Männer/Frauen fort, ich kann machen, was ich will

3. Abstrahiere ehrlich und fair, auch dir selbst gegenüber. Ist es wirklich so schwarz-weiß? Stimmt das denn überhaupt? Was könnten die Ursachen dafür sein? Und was hättest du Anderes tun können? Schreib deine Gedanken wörtlich auf:

  • Na ja, das eine oder andere kann ich schon: Lesen, Schreiben, den „Schimmelreiter“ auswendig vorsagen.
  • Der Lehrer, der das damals sagte, war auch ein komplettes Arschloch. Das hat mich so verunsichert, dass ich mir eine Weile wirklich nichts mehr zugetraut habe und auch andere bescheuerte Lehrer in den Kanon einstimmten.
  • Gegen den Lehrer in meinem Alter mit meiner Unerfahrenheit hatte ich keine Chance.
  • Paar Dinge habe ich schon erreicht, zum Beispiel den Motorradführerschein bestanden.
  • Es haben mich nicht wirklich alle grundlos sofort wieder verlassen. P. etwa ging erst nach einem heftigen Streit nach zwei Jahren in unserer Beziehung. Beziehungen danach bin ich eventuell weniger ernst angegangen.
  • Eventuell habe ich aber auch einfach zu sehr geklammert.
  • Meine Ausbildung habe ich vor allem abbrechen müssen, weil in der Zeit meine Mutter gestorben ist und mich das völlig aus der Bahn geworfen hat.
  • Vielleicht würde ich es beim nächsten Mal schaffen, den Spanischkurs zu bestehen, wenn ich etwas mehr Ehrgeiz entwickle.

4. Erstelle dir eine Liste positiver Glaubenssätze und konstruktiver Vorschläge:

  • Ich kann einiges, wenn man es mal addiert.
  • Bisher habe ich eigentlich noch jede Krise irgendwie durchgestanden.
  • Ich werde den Kurs diesmal schaffen, indem ich erstmal jedes Mal hingehe.
  • Italienisch kann ich am besten morgens vor der Arbeit lernen.
  • Mittwochs schlafe ich aus, das hilft mir, die Wochen besser zu überstehen
  • Ich muss nicht jedem gefallen.
  • Wenn ich schneller Rad fahren will, muss ich mich mehr nach vorne lehnen.

Wenn du jetzt „Affirmationen!“ sagst, dann stimmt das – fast. Einige Lebenshilfe-Literatur rät dazu, dir z.B. Post-its mit der Aufschrift „Ich seh super aus“ auf den Badezimmerspiegel zu kleben. Ich finde das so aber zu holzhammerartig. Wenn es aus der Luft gegriffen ist, wirkt es auch auf dich nicht überzeugend. Lieber etwas länger, detaillierter und echter in eine Liste packen, wie: „Ich habe schon Komplimente für meine Stupsnase bekommen. / Ich hab dichtes Haar und mag das eigentlich. / Ich habe schöne Augen, haben mir meine Partner immer gesagt“.

5. Erstelle dir eine Notiz auf deinem Smartphone mit dem Titel „Babysteps“. Hier listest du täglich stichpunktartig alles auf, was dir in deiner Sache an diese Tag Gutes widerfahren ist:

  • Hab die Französisch-Lektion 3.1 beendet
  • Bin am Tresen endlich mal als erster bedient worden
  • Kollege X hat mich angelächelt.
  • Hab 3,40 Euro gespart, indem ich einfach mal keine Zeitschrift gekauft habe, die ich eh nicht gelesen hätte.

Die Einträge müssen weder immer mehr werden, noch sich steigern. Wenn dir an einem Tag nichts Gutes passiert ist, ist das zwar schade, aber hierfür nicht schlimm. Die Liste hilft dir, dein Selbstbewusstsein zu steigern. Und, ja, das ist im Grunde das, was ein Erfolgsjournal auch ist. Kannst du gerne statt dessen benutzen.

6. Nimm dir Zeit! Große Veränderungen, die dauerhaft Bestand haben sollen, schafft man nur nach Monaten, nicht ein paar Tagen.

7. Und das ist die wahrscheinlich wichtigste und doch undankbarste Übung: Wiederhole! Schaue am besten täglich in deine Liste positiver, neuer Glaubenssätze und deine Babysteps-Liste. Hämmere dir diese Glaubenssätze ein und vergewissere dich, dass dir auch Gutes passiert.

8. Halte durch! Der Tag wird kommen, an dem sich das alles falsch anfühlt, als wärst das nicht du. Das ist wahrscheinlich der Moment, in dem einige deiner neuen Glaubenssätze schon greifen, du andere aber noch nicht verinnerlicht hast. Auch so werden Rückschläge kommen, es werden Tage kommen, an denen gar nichts läuft. Aber wenn du alle Punkte dauerhaft befolgst und deine Aufzeichnungen immer wieder durchgehst und wiederholst, ist es beinahe unmöglich, dass es bei dir nicht langsam aufwärts geht. Wenn etwas nicht gut läuft, erinnere dich daran, dass du ja noch im Training bist und gar nicht alles perfekt laufen kann.

Seit ein paar Wochen nehme ich Tischtennistraining bei einem Privatcoach, und habe mir angewöhnt, nach jeder Trainingssession die wichtigsten Punkte herauszuschreiben, die er mir gesagt oder die wir gemeinsam ermittelt haben. Es sind einfache Merksätze wie „Topspin auf Unterschnitt nach oben ziehen“ oder „Aufschlag halblang auf Vorhand servieren“. Vor jeder Trainingsstunde gehe ich alle Aufzeichnungen noch einmal durch. Und mir fiel auf, dass ich in Stresssituationen – also in Turnier- oder Meisterschaftsspielen, in denen es eng wurde – einige dieser Affirmationen wieder ausgraben und anbringen konnte. Das hat mir tatsächlich schon geholfen, den einen oder anderen Satz zu gewinnen, den ich sonst wahrscheinlich verloren hätte.

Für Sport ist die Methode geradezu prädestiniert. Jetzt gerade probiere ich sie aber auch für ein selbst erstelltes Selbstbewusstseins-Training aus. Und der Erfolg in den ersten fünf Tagen ist verblüffend. Jetzt heißt es nur noch: Punkte 6-8: Geduld haben, Rückschläge einkalkulieren, durchhalten! Denn damit es eine positive Gewohnheit wird, dauert es. „It takes 30 days to build a habit – and three days to destroy it“, sagt ein Sprichwort. Vor allem, wenn der Herbst kommt und alles plötzlich möh wird und die Energie raubt. Ich glaube aber, dass es möglich ist, und ich werde berichten!

Kategorien
Sigh

Bloß nicht alt werden

Dass ich mir jedes Jahr etwa um diese Zeit den Nacken verziehe, wie heute Morgen… hätte es mit 25 schon nicht gegeben, aber na gut. Und da begegnete mir bei einem kurzen Mittagsspaziergang diese alte Frau auf der Straße. Mit Gehstock halb an der Wand ihres Hauseingangs lehnend.

„Werden Sie bloß nicht alt!“, rief sie mir zu.

„Ich versuche, es hinauszuzögern“, entgegnete ich mit einem Augenzwinkern und wollte schon weitergehen. Aber dann wollte ich doch noch mehr erfahren.

„Wissen Sie, wenn Sie alt sind, ist gar nichts mehr schön. Sie kommen nirgendwo mehr hin und Sie haben niemanden mehr, mit dem Sie sich unterhalten können.“

„Na ja, wir unterhalten uns doch gerade. Aber glauben Sie es mir oder nicht, ich kann das sehr gut nachvollziehen.“

„Ja, wissen Sie. Es sind schon solche Dinge, dass es keinen mehr gibt, der Sie versteht. Fast alle meiner Freunde und Bekannten sind tot, und die, die es noch nicht sind, sind meistens balla-balla im Kopf.“

„Aber Sie können doch immer noch Leute kennenlernen. Es gibt doch Aktivitäten und sicher so Treffs.“

Sie winkt ab. „Wissen Sie, was da dann für Leute sitzen? Die reden den ganzen Tag über nichts Anderes als Ihre Gebrechen.“

„Nun ja, das tut man in meinem Alter langsam auch schon… ?? Aber ist doch immer noch besser, als den ganzen Tag alleine zu sein. Wohnt Ihre Familie denn hier?“

Sie schüttelt den Kopf: „Mein Mann ist tot, meine Kinder und Enkelkinder wohnen woanders. Wissen Sie, ich hab alles getan, um fit zu bleiben. Ich hab Arabisch gelernt, Französisch, Spanisch… bin immer gerne Auto gefahren – ich bin schon in New York mit dem Auto über den Broadway gefahren! Aber heute komme ich nirgendwo mehr hin, ich kann ja nicht mal mehr Auto fahren.“

„Sie können ja noch spazieren gehen, dann wird es zumindest nicht schlechter.“

Sie deutet auf ihren Gehstock: „Na ja, weit komme ich damit nicht.“

„Versuchen Sie’s! Geben Sie nicht auf! Bleiben Sie fit!“, rufe ich ihr noch zweckoptimistisch zu, dann verabschiede ich mich, in Gedanken versunken.

Als ich Mitte zwanzig war, habe ich mir über das Altwerden gar keine Gedanken gemacht. Es gab die Alten und die Jungen. Wir haben die Alten nicht direkt verlacht, aber sie waren mir immer irgendwie im Weg, haben komisch gewählt, sonderbare Dinge gemacht, um sich zu amüsieren. Dass ich irgendwann selbst mal einer von ihnen sein würde – der Gedanke ist mir nie gekommen. Selbst diejenigen im Verein, die 15, 10 oder auch nur 5 Jahre älter waren, waren irgendwie ein ganz anderes Klientel, aber kaum jemand, bei dem ich überhaupt auf die Idee gekommen wäre, sie mal zu ner Party einzuladen.

Ich habe ein paar Positivbeispiele fürs – sagen wir – In-Würde-Altern. Meine Mutter ist Ü80, macht Sport, kümmert sich um die Enkel, widmet sich den neuen Medien und unternimmt noch richtig viel. Der 86-jährige alte Fuchs, gegen den ich neulich mit 0:3-Sätzen im Tischtennis verloren habe. Mein ehemaliger Chef in Singapur (ein ausgewanderter Deutscher), der mit 70 noch seine damalige, kleine Agentur betrieb (und sie mit weit über 80 auch noch hatte). Nicht weil er musste, sondern weil er wollte.

Man versucht fit zu bleiben, geistig wie körperlich – aber klar ist auch: Die Gesundheit und auch die eigenen Social Skills sind der limitierende Faktor. Und wenn Freunde wegziehen oder gar sterben, kannst du nichts machen. Es ist interessiert niemand für dich, du bist für den Datingmarkt nicht mehr interessant, obwohl du eigentlich gerade dann ein guter Fang wärst, treu, weise, gesettled. Du bist der Wirtschaft zu teuer, und sie will dich loswerden. Und gänzlich aufhalten lässt sich der Verfall sowieso nicht.

Fuck.

*

Bonner Skyline (2023), gefühlt jährlich wird’s ein Hochhaus mehr.

*

Herrenmagazin: Keine Angst (2012)

Kategorien
Right

Date Yourself!

Klingt im ersten Moment armselig – but hear me out!

Zunächst einmal spricht ja nichts dagegen, sich selbst zu daten und an anderen Tagen jemand anderen. Wenn man gerade niemand anderen trifft, kann man es sich aber ruhig auch mal einen Abend mit sich selbst gemütlich machen.

Denn was tut man für gewöhnlich bei einem Date?

  • Man verbringt Zeit mit jemandem, den man irgendwo interessant findet. ??‍♂️
  • Man horcht mal nach, wie er der Person so geht.
  • Man stellt Fragen wie: Woher kommst du? Wohin fährst du gerne in Urlaub? Was sind deine Träume? Wo siehst du dich selbst in fünf Jahren? (??)
  • Man isst und/oder trinkt etwas Gutes
  • Man landet im Bett – entweder zu zweit oder alleine. 😉
  • Man ist ausnahmsweise mal nett zu jemandem. ?

Wenn es euch ähnlich geht wie mir, dann nimmt man sich selten dafür Zeit, weder zum Daten von jemand Neuem, von jemand, den man schon hat (wird Paaren auch immer geraten) oder auch nur sich selbst. Man rauscht so durch durchs Leben. Arbeitet, geht seinen Freizeitbeschäftigungen nach, isst schnell noch was, legt sich pennen. Dass man mal eine Bestandsaufnahme macht und sich selbst fragt: Ja, wohin fahre ich denn eigentlich gerne in Urlaub? Was waren noch gleich meine Träume? Finde ich mich überhaupt interessant, und wenn nein, warum nicht? Wo sehe ich mich in fünf Jahren?

Tut man selten.

Kann aber sicher nicht schaden. Sich mal einen Abend Zeit nehmen, es sich gemütlich machen, das Handy ganz weit weg legen, vielleicht ein Glas guten Wein dazu. Kann heilsam sein.

Wem das zu esoterisch ist, der darf aber auch gerne erst einmal nur andere Menschen daten. Damit ist der Welt in meinen Augen auch nicht geschadet.

*

Bilderkennungs-KI

„… with his hair combed back away from his forehead“.

Ja, äh, combed away… ?

Wir suchen auf der Arbeit nach einem Tool, das uns bei der Bildbearbeitung helfen kann. Es gehen bei jedem Testbericht Stunden dafür drauf, Bilder zu knippsen, zu betiteln, zu beschreiben, SEO-fähig zu machen…

Dass die KI es nicht schafft zu erkennen, welches Smartphone denn darauf abgebildet ist, oder mich zumindest mal danach fragt, ist dann nur leider die Crux.

Aber am Schluss wird’s schon echt poetisch, und das Alter schätzt dieses Tool (Vision AI) erschreckend genau…

*

Dating-Scam

Nachdem ich vor Jahren mal eine kurze Zeit auf Tinder war und dann vermeintlich eine Dame asiatischer Herkunft gematcht habe, die relativ schnell wollte, dass ich in Krypto investiere, scheint meine Handynummer auf irgendeiner Liste gelandet zu sein. Und irgendwer scheint da zu denken: weil der Typ einmal angebissen hat, kann man ihn alle paar Wochen wieder von einer „neuen Dame asiatischer Herkunft“ mit – teilweise denselben (!) – Fotos wieder anschreiben lassen. Klappt bestimmt…

Ich habe nur nie angebissen. Wie damals mit den Bitcoins war ich sofort misstrauisch, versuche aber immer mal wieder, das zu meinen Zwecken auszunutzen. Von der „Dame“ (?) damals habe ich mir Kryptotrade erklären lassen und zu Testzwecken 200 Euro auf Binance eingesetzt (und mir später mit leichtem Gewinn wiedergeholt). Diesmal soll es angeblich um China gehen (auch wenn +95 die Ländervorwahl von Myanmar ist. Aber fällt bestimmt keinem auf ?).

Ich möchte wirklich noch nach China, also tat ich mal so, als wäre das gar keine Verwechslung, und bekomme vielleicht für lau ein paar Reisetipps. Aber, ach…

Warum müssen „Frauen“ es immer so kompliziert machen… ?

*

Ein‘ Rudi Völler…

*

Streetlove

*

Where the streets have too many names

*

Jupiter Jones: Still (2011)

Hatte ich mich heute dran erinnert. Verdammt gut gealtert:

Kategorien
Right

Urlaubslektüre

Jetzt im Urlaub habe ich zwei E-Books gelesen und eins angefangen, das ich heute beendet habe. Kann alle drei empfehlen, alle drei sind irgendwo Coming of Age – das passt am besten im Sommer.

Benedict Wells – Hard Land

Benedict Wells kann sehr schön schreiben, aber seine Geschichten, na ja, irgendetwas fehlt ihnen oft. Das Problem bei Coming of Age ist ja auch, dass Wolfgang Herrndorf mit „Tschick“ (wohl für immer mein Lieblingsbuch) die Latte an die Decke genagelt hat. Da geht nichts mehr drüber. Wussten wohl auch Wells und sein Verlag und haben die Geschichte deswegen gleich in die USA verlegt. Es gibt einen 16-jährigen Protagonisten, eine Menge Probleme und natürlich ein Mädchen, in das er sich unsterblich verliebt. Ich fand es trotzdem sehr schön, weil voller Poesie und glaubwürdig erzählt. Und dann das Ende… 😉 Klar, „Tschick“ ist 5/5, dann ist das hier 4/5. Hab’s gerne gelesen, aber einmal wird wohl reichen.

Wolfgang Herrndorf – Bilder deiner großen Liebe

A propos „Tschick“. In der Geschichte von zwei Jugendlichen, die mit einem Lada durch die Brandenburger Pampa touren, taucht irgendwann ein liebenswürdig-durchgeknalltes Mädchen auf: Isa. Kurz vor seinem Tod hatte Herrndorf noch begonnen, das Gegenstück über Isa zu schreiben. „Bilder deiner großen Liebe“ blieb unvollendet, wurde vom Verlag aber noch veröffentlicht. Und – meine Scheiße, ist das gut! Die wohl 14-jährige Isa büxt aus einer Anstalt aus und wandert daraufhin barfuß durch die Lande. Völlig angstlos, beinahe arglos, aber doch mit so einigen Wassern gewaschen geht sie auf jeden zu und wir erfahren, was sie unterwegs Haarsträubendes erlebt, wen sie trifft und wie sie diese verrückte Gegenwart aus einer ganz anderen Perspektive wahrnimmt. Und dann hört der Roman auch schon auf und man vergießt eine Träne, weil man weiß, dass dieser großartige Autor das Buch nie vollenden wird und nie wieder etwas schreiben kann, weil er viel zu früh an Krebs gestorben ist. ? (4,5/5)

J.D. Salinger: The Catcher in the Rye

Alter Klassiker, musste ich noch nachholen. Der 16-jährige Holden Caulfield bricht zum vierten Mal die Schule ab. Er hat genug von all den Heuchlern und Scharlatanen in der Schule, der Stadt, seinem Leben. Ziellos streift er drei Tage lang durch New York und überlegt, was aus seinem Leben jetzt werden soll. Liest sich eigentlich gut weg, die Geschichte ist toll und die Dialoge sind schon für die damalige Zeit (in den 1940ern entstanden) so gut und so bildhaft, dass man die Geschichte miterlebt. Was mich nervte, ist, dass der Jugendliche eben wie einer klingen soll und dann hinter jedem zweiten Satz Wiederholungen und Verstärkungen kommen wie „He got on my nerves. He really did.“ Trotzdem ein schöner Klassiker natürlich. Ich gebe 4/5.

Hab weiterhin Bock, jetzt selbst einen Coming-of-Age-Roman zu schreiben. Genug zu erzählen hätte ich… Wo fange ich an…?

Was sind eure Lieblings-Coming-of-Age-Bücher, wenn ihr welche habt? 🙂

*

Taube 2.0

Hoffentlich kriege ich das alles da jemals wieder sauber…

*

Sonnenuntergang am Kreuzberg

*

?

Kategorien
Right

Kein Arschloch sein

„Wir Menschen haben doch immer die Wahl, ob wir Gutes tun oder nicht.“

„Ich glaube, ganz so einfach ist das nicht.“

Wie bin ich in diesem Gespräch gelandet? Auf dieser Party, auf der ich eigentlich gar nicht sein wollte, weil ich mich nicht gut fühlte, aber trotzdem gegangen bin. Ich kannte nur den Gastgeber und seine Frau, deren Geburtstag wir feierten, aber die beiden waren natürlich beschäftigt. Eine halbe Stunde fühlte ich mich völlig fehl am Platze, der Typ neben mir sagte außer „hallo“ kein einziges Wort zu mir und wirkte auch nicht gerade begeistert über meine Anwesenheit. Doch dann kam dieser Typ und der Abend wurde noch lebendig. Seine Bestimmung sei es, Menschen zu helfen, sagte er. Das hätte er schon früh herausgefunden und seitdem helfe er.

Er hört sehr aufmerksam zu, fragt oft „warum?“ und geht auch auf Dinge ein, die man nur im Nebensatz sagt.

„Wir kennen uns jetzt erst seit zwanzig Minuten oder so“, sagt er dann. „Und du hast dich schon viermal klein gemacht. Spielst runter, was du tust. Sagst, dass du introvertiert seist, dabei hast du das Gespräch mit mir und dem Kerl neben uns angefangen. Das würde ein Intovertierter doch nicht tun. Warum machst du dich klein? Woher kommt das?“

Ja, woher kommt das. Er vermutet meine Eltern dahinter, aber das trifft es irgendwie nicht. Trotzdem, ja, bringt es mich in die Zeit der Jugend zurück, wo das Gefühl wohl begründet liegt, und es flossen ein paar Tränen. Einige sogar.

Kommt da einfach jemand um die Ecke und repariert mich… Ein Stück weit zumindest. Nicky sagte, das Leben gibt einem manchmal irgendwie genau das, was man braucht.

Oder man gibt dem Leben auch mal das, was es gerade braucht…

Aber um noch einmal auf die Arschloch-Sache zurückzukommen: Geht das? Wirklich? Immer? Kein Arschloch zu sein?

Jemand provoziert dich, ärgert dich, schnauzt dich an, lässt nicht locker. Du wehrst dich, und das geht wohl nur, wenn du selbst ein paar unflätige Dinge zurückwirfst, also gewissermaßen auch kurzzeitig ein Arschloch bist.

Jemand übervorteilt dich. Bleibst du wirklich immer cool und sagst nichts?

Jemand will immer was von dir, etwa dass du ihm Gefallen tust, obwohl du gar keine Zeit hast. Sagst du wirklich immer die Wahrheit, auch wenn du mal keine Lust hast zu helfen?

Es geht um Leben und Tod. Auf dem letzten Rettungsboot sind nur noch zehn Plätze frei, ihr seid aber noch zwanzig. Drängelst du wirklich nicht, um einen der letzten Plätze zu bekommen (was ziemlich arschlochig wäre), und lässt die anderen vor?

Ich find’s schwierig. Es liegt ja nicht nur an einem selbst, es ist auch die Gesellschaft, der man unterworfen ist. Zu keiner Zeit ein Arschloch zu sein, ist schwer, finde ich, vielleicht sogar beinahe unmöglich. Versuchen will ich’s trotzdem weiterhin.

*

Probleme

Gesprächspartner 1 auf der Party erzählt von seinem klein Häuschen, wie er es selbst hat dämmen müssen, weil die da Metallrohre verbaut hätten. Plastikrohre seien aber besser. Riesenproblem wäre, dass er zwar in einer ganz guten Gegend wohne, das aber die Postleitzahl von einem üblen Stadtteil hätte und er deswegen nur schwer einen Kredit bekäme und das Haus, sollte er es irgendwann mal verkaufen wollen, nur noch unter Wert losbekäme. Oha…

Gesprächspartner 2 erzählt davon, wie er in Äthiopien war, er aus dem Taxi vom Flughafen in die Stadt ausgestiegen ist, weil er (als KFZ-Mechatroniker) instinktiv wusste: Da fliegt gleich das Rad von der Achse! Er sagt das dem Taxifahrer, der zuckt die Achseln. „Nein, bitte halten Sie an!“ Taxi hält an, er steigt aus, Taxi braust weiter, fährt um die Kurve, das Rad springt ab, fliegt mit voller Wucht in einen Laden am Straßenrand, wo gerade drei Typen arbeiten, die nur haarscharf mit dem Leben davonkommen. Der Taxifahrer holt das Rad, steckt es wieder an und winkt ihm zu: komm wieder, wir können dann ja gleich weiterfahren! Auf Schritt und Tritt ist er in der Hauptstadt von aggressiven Bettlern verfolgt worden, einmal hat er einen nur noch mit den Fäusten davon abhalten können, ihn zu berauben. Dann kamen immerhin Passanten angelaufen und hätten ihm geholfen, wenig später auch die Polizei. Und die hätten den Dieb mit Knüppeln bearbeitet, bis der sich nicht mehr bewegt hätte. So ähnlich wie man da auch Leute am Straßenrand einfach liegen lässt, die einen Motorradunfall hatten – nichts mehr zu machen. Er hat den Bruder seiner Frau im Knast besuchen müssen, der da so eine Art Mafiaclanchef wäre, der wollte, dass er ihm eine deutsche Kreditkarte auf seinen Namen besorge. Achtmal haben sie zur Sicherheit das Hotel wechseln müssen, beklaut würde man dabei selbst in den Nobelhotels. Einmal waren sie abends im Club. Da wären Frauen kommentarlos auf ihn zu und hätten ihre Brüste vor ihm ausgepackt. Als Weißer wäre er eben ihre Fahrkarte da raus. Dass seine Frau da direkt neben ihm tanzte, hat die nicht interessiert. Riesenproblem sei dann gewesen, dass die Familie auf dem Land lange auf eine Ziege gespart habe, die man ihm zu Ehren schlachten wollte. Ihm oblag die Ehre, dem Tier mit einem stumpfen Messer die Kehle durchzuschneiden. Da hätte er nicht kneifen können, das wäre sehr unhöflich gewesen.

Äh, ja, die unterschiedlichen Probleme, die man halt hat, je nachdem, in welchem Teil der Welt man sich gerade aufhält…

*

Kuchen

Mein Erstlingswerk ist saftig geworden. Fast wie geplant und wie laut Rezept.

Learnings:

  • Schmand is the answer!
  • Genau auf die Rezeptangaben achten. Nicht einfach alles verrühren, sondern wenn da steht: Erst die Butter mit dem Zucker und dann die Eier langsam einrühren, dann hat das durchaus seinen Sinn.
  • Wurde außen etwas trocken, weil ich die Backzeit verlängern musste. Wie kann man das verhindern? ?
  • Wenn da steht: „100ml Sahne für die Kuvertüre“, dann nimm nicht 200. ?
  • Beim Ausschlecken der Teigschüssel vorher die Brille abnehmen!

*

Niederländisch ist eine so höfliche Sprache! ?

*

Powerzaun

*

Bundesanzler

*

Wahnsinnsfarben (no filter)

*

Musik

Aus aktuellem Anlass (Aiwanger). Funny ist irgendwie doch auf Höhe der Zeit. Danke nochmal an Jens für diesen Liedtipp!

Und aus aktuellem Anlass auch das hier:

Kategorien
Right

Urlaubsfeeling in den Alltag rüberretten

Klar, das klappt sowieso am Ende nicht. Ganz einfach deswegen, weil einem im Alltag die viele Erholungszeit fehlt, die man im Urlaub hat.

Aber wer hat nicht im Urlaub – frei von allen Sorgen – schon einmal Pläne geschmiedet, wie er (oder sie) künftig alles anders machen würde? Spätestens drei Wochen später stellt man dann resigniert fest: Hat nicht funktioniert, der stressige Alltag lässt schlicht zu wenig Freiräume zu. Am Ende bleibt alles mehr oder weniger beim Alten, nur von der schönen Erinnerung kann man noch zehren.

Bei mir wird’s natürlich so ähnlich laufen. Aber irgendwo zwischen dem saftigen Grün an den Weinbergen der Mosel und dem Bildschirm meines Laptops heute nach dem ersten Arbeitstag dachte ich mir: das muss doch irgendwie anders laufen können. Nur wie?

Ein paar Dinge, die ich mir vorgenommen habe:

  • Nur noch morgens Nachrichten hören. Abends vor dem Schlafengehen lieber abschalten und den Freiraum nutzen, um über den Tag nachzudenken, die Gedanken sacken zu lassen.
  • Kuchen backen lernen. ??‍♂️
  • Den Mut haben, auf der Arbeit Unwichtiges zu vertagen oder wegzulassen.

Und mehr auch erst einmal nicht; mehr wäre zu viel. Warum jetzt gerade das?

  • Ich hab im Urlaub keinerlei Nachrichten gehört und scheine nichts verpasst zu haben. Einige Nachrichtenmagazine, die sich zu wichtig nehmen schießen gegen andere Nachrichtenmagazine, die sich zu wichtig nehmen – habe ich heute beim Nach-Lesen einiger Newsletter erfahren. Die Fußballergebnisse habe ich hinterher mitbekommen, das war früh genug. Über den Tod von Prigoschin habe ich von einer Nebencamperin am Tag danach erfahren. Ich war überrascht – und wann ist man das von News schon wirklich mal? Dass es von Donald Trump nun ein ikonisches Polizeifoto gibt, ist witzig, aber gehört für mich außerhalb des Wahlkampfs ins Reich des Boulevards. Sagt mir, wenn ich sonst noch etwas verpasst habe in der einen Woche, aber mir scheint, da war sonst nichts. Und was ist letztlich wirklich wichtig?
  • Die Idee mit dem Kuchen kam mir gestern beim zweiten Kaffee, den ich mir vor dem Rüngsdorfer Freibad gegönnt habe. Der war saftig, der war schokoladig, der war perfekt. Wie geht das? Das muss doch zu lernen sein. Keine Süßigkeiten mehr kaufen, nur noch selbst backen, bis ich zum Kuchenheld geworden bin. Ist wahrscheinlich sogar auch etwas gesünder.
  • Auf der Arbeit Fokus auf das Wichtigste geht jetzt sowieso erstmal gar nicht anders. Ich bekam heute ein Testgerät, für das ich nur zwei Tage Zeit habe. Da muss ich alles Andere weglassen.

Was ich gestern schon getan habe: alles ausgepackt, saubergemacht, meine Campingausrüstung nachgebessert (wärmeren Schlafsack und Ladeplug bestellt, der vier Geräte schnell gleichzeitig laden kann), die Adresse des Winzers von der Weinprobe aus Traben-Trarbach gespeichert (aber erstmal dort noch nicht bestellt, ein paar Wochen ohne Alkohol wären nämlich mal ganz gesund).

Wie ich das anstellen will, die drei Dinge zu erreichen:

  • Keine Nachrichten hören, sollte einfach sein: einfach beim Zähneputzen abends Musik hören oder sogar gar nichts: die Gedanken kreisen lassen. Hat gestern und heute immerhin schon einmal funktioniert.
  • Bei Leerlauf während des Tages lieber nach Kuchenrezepten googeln, als auf Spiegel Online oder Instagram rumzudaddeln. Hat heute leider noch nicht funktioniert, mir fehlte sowohl für das eine wie auch das andere die Zeit.
  • Mal gucken, wie das geht mit dem Fokussieren auf der Arbeit. Hab es für den ersten Tag mal versucht, indem ich mir gestern und heute schon einen Plan jeweils für den nächsten Tag mit drei To-Dos gemacht habe. Alle Andere versuche ich wegzulassen. Es klappte recht gut, aber jeder einzelne Task dauerte viel länger als geplant. Vor allem das Nach-Lesen von 150 Mails (hauptsächlich Newsletter) und mehreren hundert Feedmeldungen.

Natürlich zu früh, um jetzt schon ein Fazit zu ziehen, aber ich glaube: mit zwei bis drei Vorhaben könnte das halbwegs funktionieren. Um das auf eine Formel runterzubrechen:

Die Veränderung sollte eine Reduktion oder ein Ersatz für etwas sein, dann kann es funktionieren. Wenn die Idee ist, etwas zusätzlich zu machen, dann wird es wahrscheinlich eher schief gehen.

Ich werde berichten, wie das läuft.

Kategorien
Yeah

Trier-Bonn an 1 Tag

Kleines Aventure am Schluss des Urlaubs, und ich gebe zu, ich musste mir vorher ein wenig Mut antrinken. Na ja, am Abend vorher gab es ein großes Guinness und ein kleines Hophouse in einem Trierer Irish Pub, während ich auf dem Handy die Route absteckte, mehr dann auch nicht. Die Kellnerin hat mich die ganze Zeit gesiezt, das weiß ich noch.

Der Ursprungsplan war, die Strecke durch die Eifel an 2 Tagen anzugehen, und mich am ersten irgendwie bis zum Nürburgring durchzuschlagen. Dort gibt es einen Zeltplatz, und das wären etwa 100 km Wegstrecke mit 1.300 Höhenmetern. Ich sah auf meinen bereits gespeicherten Strecken nach: Auch bei meinen ersten Etappen in den und im Westerwald waren es jeweils 1.100 Höhenmeter, wenn auch nur 70 km Strecke. Bisschen weniger, aber das war machbar gewesen. Die Alternative wäre die Bahn bis Koblenz und von da mit dem Rad nach Hause, aber das wäre lame und keine echte Rundreise. Ich beschließe, es zu versuchen.

Morgens um 0630 geht der Wecker, um kurz nach 0800 gebe ich den Chip an der Rezeption am Trierer Campingplatz ab und fahre los. Die ersten 50 km sind tatsächlich fast kerzengerade. Es geht über den Trierer Norden und Schweich an der Mosel entlang und dann über das Salmtal nach Wittlich. Unterwegs stoppe ich einmal für ein kleines Frühstück und kaufe ein paar Snacks im Supermarkt für später.

Als ich im Salmtal ankomme, bin ich aus dem Häuschen, als ich das Stadion des FSV Salmrohr entdecke. Ich bin kein Groundhopper, aber ein kleiner Fußballnostalgiker: Salmrohr ist wohl der kleinste Verein, der jemals in der 2. Bundesliga gekickt hatte, damals in den 80ern, als ich anfing mich für Fußball zu interessieren. Doch das Stadion sieht ziemlich verwaist aus. Am Hintereingang fange ich einen Bauarbeiter ab, der dort gerade zu Werke ist. Nein, da würde derzeit niemand spielen, da gäbe es irgendwie Probleme mit einem Finanzier. Er würde sich ansonsten gar nicht für Fußball interessieren, er kenne keinen einzigen Spieler. Ich kann es kaum glauben und zähle ein paar deutsche Nationalspieler auf. Er winkt ab: nie gehört. Aber er sei Fernfahrer gewesen und wäre 5 Millionen Kilometer gefahren in seinem Leben. Hört, hört! Ich darf kurz auf den Platz und ein Foto schießen:

In Wittlich geht es dann den Berg hinauf, aber ich habe Glück: Komoot leitet mich etliche Kilometer über den fantastisch ausgebauten Maare-Mosel-Radweg. Die Steigerung ist stetig und nur moderat bei 2-3 Prozent. Es geht sogar durch einige Tunnel hindurch. Hinter dem alten Bahnhof Plein sehe ich die Werbung für einen Biergarten um die Ecke. Es ist 1200, es ist heiß, die Hälfte der Strecke habe ich. Ich kehre kurz dort ein und gönne mir ein fantastisches Hanfbier. Hätte er selbst gebraut, sagt nickend der Wirt, in Personalunion auch Braumeister der kleinen Brauerei.

Der Weg danach führt durch kleine Dörfer, Wald, viele Felder. An einem kleinen Ort mache ich Mittagspause, irgendwo nahe Mehren auf einem Friedhof fülle ich meine Trinkflaschen wieder auf. Es ist merklich kühler hier oben und da ich durch die Steigungen schwitze, wird mir bei den Abfahrten ganz schön kalt. Aber bisher ist das alles moderat und gut machbar mit den Steigungen. Irgendwo hier beschließe ich: Ich ziehe das durch mit dem Eintagestrip nach Bonn, wird schon klappen!

Gegen 1600 komme ich in die Nähe des Nürburgrings – und werde ihn nicht in allerbester Erinnerung behalten. Zum ersten schickt mich Komoot über die alte Südschleife, die heute nur noch bei Events als Parkplatz genutzt wird und ansonsten brach liegt. Die Asphaltdecke ist aber formidabel, und das ist tückisch, denn sie verschleiert die auf einmal enorme Steigung. Mein Fahrradcomputer zeigt 6, 8, später auch teils 15 Prozent Steigung an, und das über mehrere Kilometer. Mir läuft die Soße, und als ich die Steigung überwunden habe, hat Komoot nichts Besseres im Sinn, als mich 2 Kilometer über die Bundesstraße zu schicken, die keinen Bürgersteig oder Fahrradweg hat. Das wäre anderswo zu verkraften, aber hier fahren die Jungs mit ihren getuneten Maschinen auch abseits des Rings megasportlich. Ich gebe Gas, dass ich da schnellstmöglich rauskomme und habe Glück, dass ich als einziger Radfahrer unter Mobilisten offenbar besonders auffalle und deswegen nicht übersehen werde.

Kurz nach 1700 erreiche ich Adenau – ein hübsches Städtchen, in dem auch gerade ein kleines Fest stattfindet. Die 100 km habe ich mittlerweile geschafft, und ab jetzt soll es viele Kilometer nur bergab gehen. Ich rufe am Zeltplatz an: bis 2100 hätte die Rezeption auf, sagt der Mann. Es ist da 1730, und das Navi zeigt noch 3:20h an. „Ich komme“, sage ich ihm. Das werde ich jetzt schaffen!

Die Strecke von Adenau bis Altenahr ist nicht nur beinahe eben, sie ist auch wunderwunderschön. Ich war an der Ahr selten mal weiter gekommen als (von Bonn aus gesehen) Altenahr, aber hier bietet sich dem Auge noch einmal richtig etwas, von ruhigen Flussauen über toll erhaltene Fachwerkhäuser bis hin zu Bergkapellen. Dazu ist der Radweg hier bis auf einige Flutschäden richtig gut ausgebaut.

Hinter Altenahr aber ist der Spaß vorbei, denn Komoot schickt ich den Berg hinauf. Und zwar erst im Ort und danach – verdammt, schon wieder – kilometerweit über die seitenstreifenfreie Bundesstraße. Auf der es jetzt natürlich auch noch bergauf geht. Ich versuche, den doch zahlreichen Autos und mir selbst einen Gefallen zu tun, indem ich in der immerhin halbwegs gut ausgebauten Gosse nach oben hechte. Spaß macht es trotzdem keinen, und obwohl keiner hupt, weiß ich natürlich, dass ich den Autofahrern hier gehörig auf die Nerven gehe. Aber anders geht es den Berg hier nicht hoch.

Nassgeschwitzt aber immerhin unversehrt komme ich in Hilberath an, und werde mit diesem magischen Ausblick versöhnt:

Ab jetzt geht es bis auf einige Kleinigkeiten nur noch bergab, hinter Berkum sogar 10 Kilometer bei formidablem Gefälle in einem hinunter Richtung Mehlem. Bonn-Mehlem natürlich. Ich hab’s geschafft und freue mich wie ein kleines Kind, als ich das Ortsschild passiere.

Jetzt nur noch weiter bis Rolandswerth, wo ich auf dem Campingplatz unterkommen möchte. Die 15 km bis nach Hause hätte ich zwar jetzt auch noch geschafft, aber ich würde viel lieber noch eine Nacht campen und morgens mit Siebengebirgsblick aufwachen. Um kurz nach 2030 erreiche ich die Rezeption und werde draufgelassen. Ich baue das Zelt auf, mache mich frisch und bekomme dann sogar noch sehr netten Besuch.

Etwas über 150 km zeigt der Fahrradcomputer an, etwa 1.600 Höhenmeter (meine Smartwatch sagt sogar: fast 2.000). Gut 12 Stunden war ich also unterwegs; im Hellen gestartet, noch im Hellen angekommen. Und der Witz ist: Ich bin noch nicht einmal besonders kaputt von der ganzen Reise. Sooo schlimm war’s nämlich am Ende gar nicht. Hart, aber weniger hart als befürchtet. Und doch bin ich da jetzt schon ein wenig stolz drauf: Einmal ohne Motor durch die ganze Eifel an nur einem Tag – muss mir erstmal einer nachmachen. 🙂

Kategorien
Yeah

Nahweh

Seit einer Woche habe ich Urlaub, und ich bin immer noch in Bonn. ??‍♂️ Ich hätte in der Zeit schon den Kilimandscharo besteigen, in die Karibik jetten oder zumindest durch halb Europa mit dem Rad touren können. Aber irgendwie… war mir da nicht nach.

Statt dessen habe ich jetzt einfach gemacht, worauf ich Lust hatte, darunter:

  • Einen tollen Abend bei den Dropkick Murphys in sehr netter Begleitung verbringen
  • Ein Tischtennis-Workshop Aufschlag-Rückschlag besuchen
  • Ein Bierchen mit Christian trinken
  • Mit meiner Nachbarin ein Lagerfeuer machen und Sternschnuppen gucken
  • Ein neues Fahrrad kaufen und damit die Gegend erkunden
  • Endlich mal in der Pommesbude an der Fähre unten in Godesberg was essen
  • Laaaange schlafen
  • Viel, viel abhängen und dabei ein Handyspiel spielen
  • Einen Coming-of-Age-Roman lesen („Hard Land“ von Benedict Wells)
  • Idee für einen eigenen Coming-of-Age-Roman entwickeln. Muss ein Protagonist dafür unbedingt 15 sein? Warum nicht mal 45? ?
  • Zuhause Kaffee trinken, Kekse essen, alkoholfreien Aperol-Spritz trinken, mich wundern, wo die Nachmittage geblieben sind.
  • Dinge weiter wegminimieren. Freunden wie Jens dabei alte Bilder von der Oberstufenfahrt nach London rüberschicken.
  • Vergangenheitsbewältigung vorantreiben.
  • Den Bundesliga-Auftakt Werder-Bayern nebenher laufen lassen (0:4 – aber das habe ich auch nicht anders erwartet).

Heute war ich noch drauf und dran ins Kino zu gehen. Barbenheimer interessiert mich tatsächlich auch. Liefen aber keine passenden Vorstellungen.

Nachdem ich mit dem Rad durchs Siebengebirge, das Ahrtal, die Grafschaft und Wachtberg gefahren und dabei auch mehrfach nass geworden bin, muss ich sagen: Wow! Erstaunlich, was ich noch gar nicht gesehen hatte hier in der Gegend. Jetzt aber dafür so ziemlich alles.

Und ja, langsam könnte ich mir eigentlich auch noch mal was anderes anschauen. Es zieht mich in den Westerwald, auch wenn das anstrengend wird. Hab heute schon mal angefangen zu packen. Morgen könnte es losgehen.

Oder auch übermorgen…

Urlaub soll ja entspannen. Am Ende gibt man Kopf und Geist am besten das, was sie brauchen. Bei mir in diesem Jahr also eher Nahweh als Fernweh.

Fühlt sich aber alles andere als verbraten an, die Woche Urlaub.

Und gibt ja noch eine.

*

Schlafsack-Meditation

Bei der Hülle meines Schlafsacks war die Kordel aus der Öse. Also wieder reinfriemeln, das Ding, sonst kriegst du den nicht platzsparend verpackt. Es gibt den alten Trick mit einer Sicherheitsnadel oder zumindest Büroklammer. Tja, doof, wenn man die alle wegminimiert hat. Sicher, irgendwo fliegt bestimmt noch eine rum, oder ich hätte beim Nachbarn fragen können. Da fiel mir aber eine Übung ein, die der Andy von der Meditations-App Headspace in seinem Ashram mal machen musste: in brütender Hitze mit einer Schere den Rasen mähen.

Gut, brütende Hitze war in meinem Schlafzimmer zum Glück nicht, aber kühl war es auch nicht. Und die Kordel musste da schon wieder rein. Also beschloss ich, mich hinzusetzen und die ohne Hilfsmittel da in aller Ruhe wieder reinzubugsieren. Und nichts anderes dabei zu machen. Ein Geduldsspiel.

In den ersten Minuten lief mir die Soße. Ich war noch aufgeheizt vom hektischen Packen und Durchdiewohnungrennen. Und nun sollte ich mich hinsetzen und diesen Quatsch machen, der mit einem Hilfsmittel nur ein paar Augenblicke dauern würde.

Nach etwa drei Minuten hatte ich rund ein Viertel der Kordel zurück in die Schlaufe bekommen. Ich wollte aufspringen, rüber ins Wohnzimmer, den üblen Film anstellen und nebenher laufen lassen, den ich neulich angefangen habe zu streamen – um die Zeit irgendwie sinnvoll (?) zu nutzen. Ich riss mich zusammen und blieb auf der Bettkante sitzen.

Nach ein paar Minuten schossen mit Gedanken durch die Kopf, Musik, ich plante die Tour in den Westerwald und überlegte mir, wie ich meine Sachen am besten packen könnte, dachte an alte Freunde und überlegte mir, wie ich das Zurückfriemeln der Schnur weiter optimieren könnte.

Nach etwa zehn Minuten war ich deutlich ruhiger. Ich schwitzte nicht mehr, hatte keine Eile mehr. So, als wäre ich voll in der Tätigkeit aufgegangen. Ich will nicht sagen, es kamen Ruhe, Bestimmung und grenzenlose Zufriedenheit über mich, aber zumindest die Hektik war weg.

Zwanzig Minuten waren rum, da konnte ich das Ende der Kordel schließlich durch das andere Ende der Öse ziehen. Am Ende war ich zufrieden über das Erreichte, vor allem, dass ich es so durchgezogen und mich mit nichts anderem abgelenkt habe.

Moral von der Geschicht? Keine, aber machen kann man das ruhig mal so. War eine interessante Erfahrung.

*

Was gibt es da zu lachen? ??

(Nichts ins Bild reinmontiert, übrigens, der Smiley ist wirklich da auf dem Anhänger.)

*

Funny van Dannen: Wenn du zur Ruhe kommst (2022):

Kategorien
Alright!

Der Urlaub und die Wut, die Wut, die Wut

Manchmal kommt eins zum anderen. Der Traum von einem neuen Fahrrad, und wie ich heute „Morgen“ nach dem Aufstehen (1300 Uhr!) das Internet nach einem Fahrrad durchgeschaut habe. Meine Nachbarin Jessi und ich lagen gestern noch bis 0400 auf Liegestühlen bei Lagerfeuer im Garten und haben Sternschnuppen beobachtet. Eine Nacht nach dem großen Perseidenregen. ? Aber es gab noch welche! Und vielleicht werden die Wünsche ja wahr.

Beim Suchtreffer „Fahrrad Bonn“ kam eine Werbung von einem Radshop in Süddeutschland und ein Trekking-Rad für 799 statt 1.799. Und es sah gut aus! Kleine Lust auf ein Abenteuer: Deutschlandticket lösen und da einfach hinfahren und das wegshoppen. Aber die Realität, die Realität! Es war schon viel zu spät, um es da vor Ladenschluss noch hinzuschaffen. Das Internet noch einmal durchforstet: Zweirad Feld hier um die Ecke hat das gleiche Rad zwar für 500 Euro mehr, aber showroomen könnte ich es da, und bei Gefallen das Rad in Süddeutschland reservieren und dann morgen noch dahin… ist ja Urlaub.

Deutschlandticket so oder so gelöst und nach Sankt Augustin gefahren. Aber dort steht neben dem Discount-Fahrrad in der Auslage plötzlich noch ein anderes. „Diamant“, ganz in Schwarz, Riemenantrieb, leicht! Unter 15kg – ist selten heutzutage. Reduziert auf 1.000 Euro. Ich bin instantan verliebt. Dass es dann nur 8 Gänge hat und nach der Probefahrt klar ist, dass es selbst im ersten Gang schwierig wird, einen Hügel raufzuklettern… „Sie sind ja noch jung und superfit“, umschmeichelt mich der schon etwas ältere Verkäufer. Na ja, na ja. Aber wenn man einmal verliebt ist, sieht man ja sowieso gerne über mögliche Nachteile hinweg. Ich bin spontan und kaufe das Ding:

Und zumindest die Fahrt zurück nach Bonn nahe der Sieg entlang schnurrt es wie eine Katze und fährt sich fast von selbst. Damit werde ich auch Berge raufkommen, das steht fest. War eigentlich mal jemand in Sankt Augustin-Meindorf? Ist erstaunlich hübsch:

Aber der elendige Kapitalismus: Etwas Neues kaufen, obwohl man noch etwas (beinahe!) voll Funktionsfähiges da stehen hat, das kein Joy mehr sparkt. Macht irgendwie jeder mittlerweile. Geld ausgeben, das wir eigentlich gar nicht mehr haben (na gut, ich eigentlich schon): Willkommen in Amerika…

Ich bin gestresst dieser Tage, auch noch vier Tage nach Urlaubsbeginn. Auf lange Touren habe ich diesmal keine Lust. Aber mal sehen, wo ich damit noch lande. Hab richtig Bock, mit dem Ding zu fahren!

Abends meldet sich Jens (!) per WhatsApp und schlägt mir das neue Funny-van-Dannen-Album vor. Ich hab bisher kaum mehr als die „Basics“ (1996) von ihm gehört. Und das neue – klingt fast genauso. Sind die letzten 25 Jahre bei Funny nicht passiert? Aber gegen Mitte kommen ein paar richtig gute Songs. „Die Wut“ ist der Hammer! Habe ich selbst nicht in mir, wenn, dann Stress – und ein kleines bisschen Resignation. Und du?

Es wird heiß, die nächsten Tage. Heiß und gewittrig. Bestes Wetter für aufs Rad. 🙂

Kategorien
Right

„Eure lächerliche Nutzlosigkeit!“

Bemängele nicht ich, bemängelte ein Typ heute Abend lautstark auf der Kaiserstraße. Ganz Bonn schien draußen zu sein, 22 Grad, strahlender Sonnenschein. Endlich mal wieder ein bisschen Sommer. Und schon kommen sie alle aus ihren Löchern.

Weil ich niemanden in der näheren Umgebung erkennen konnte, an den oder die er die Worte richten konnte, ist der Kontext natürlich Gegenstand von Interpretation.

Und da kann man schonmal drüber nachdenken. Nutzlosigkeit von Menschen in der Mehrzahl (oder Pluralis Majestatis? „Euer Nutzlosigkeit haben den Thron besudelt“ ?). Das setzte voraus, dass der Mensch an sich eine Art von Nutzen hätte, sei es generell oder auf eine Sache bezogen.

Generell würde ich behaupten: Nein, der Mensch hat an sich keinen Nutzen. Er pflanzt sich fort oder auch nicht und zerstört dabei seinen und den Lebensraum vieler anderer Lebewesen. ??‍♂️

Auf eine Sache bezogen können Menschen sich gegenseitig nützlich sein. Die/der Beauftragte am Schalter oder hinter dem Tresen kann mir oder anderen nützlich sein, indem sie/er mein Anliegen möglichst schnell bearbeitet. Sei es, meinen Anwohnerparkausweis zu verlängern, mir eine Käsestulle rüberzureichen oder mir einen guten Tag zu wünschen. Von generellem Nutzen ist das aber noch lange nicht.

Ich sehe hier mehr Inselnutzen. Ein Mensch kann schon vorübergehend (nicht ständig!) anderen Menschen nützlich sein. Da der Mensch aber an sich keinen Nutzen hat (s.o.), ist das eine Division durch 0, der Unnütz nähert sich dem Unendlichen an.

Bleibt abschließend die Frage, wie jemand sich über den Unnütz anderer echauffieren kann, wenn er ja selbst auch keinen Nutzen haben kann. Von der Formulierung her nimmt er sich von diesem Unnütz ja aus oder weiß von seinem eigenen Unnütz, wirft ihn aber anderen vor. Das ergibt für mich keinen Sinn.

Unsere lächerliche Nutzlosigkeit!“ wäre der richtige Ausruf gewesen. Chance vertan, leider.

*

Urlaubsbarometer

Es schlägt aktuell stärker in Richtung Radtour mit dem ollen E-Bike aus. Hab heute mal die Nabe inspiziert: Sie verliert Öl an der Seite. Mit der Werkstatt telefoniert: Ja, nee, die sollte man sich genauer anschauen, wenn man die nicht völlig ruinieren wolle, sagte der Mechaniker, und ich wisse ja wahrscheinlich, was so eine Nabe koste. (Tue ich: 400-500 Euro + Versand und Einbau). Nächster freier Termin aber erst nächste Woche Freitag.

Na ja, aber wenn die Nabe eh hin ist und ausgetauscht werden müsste, kann ich ja bis dahin noch damit fahren. ??‍♂️ Hab im Forum den Tipp gefunden: So wenig Öl nachgießen, dass es nur die inneren Bauteile bedeckt, aber nicht auslaufen kann.

Hab jetzt noch schnell ein Nachfüllset bestellt.

*

Filme von der Festplatte: Dead Man

„Dead Man“ von Jim Jarmusch mit Johnny Depp ist schon toll. Schräg, aber toll. Ein eigentlich komödiantischer Western als Metapher für die brutale Entstehung der USA. Dafür sehr unterhaltsam.

*

Abendstimmung

Bin heute mal die B9 bis nach Godesberg lang geradelt. Irgendwie schick. Bin der Meinung, dass da noch viel zu viel Autoverkehr herrscht. Zwei Fahrspuren nebeneinander innerstädtisch – sind irgendwie 80er.